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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 4
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Wiener Kunst. Die Todesfälle des Jahres 1901
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Koch, Günther: Georg Hirth's Formenschatz
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0211

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— 135 —

sammengebracht, in der namentlich vorzügliche
Franzosen aus den 50er und 60er Jahren des
19. Jahrhunderts zu finden waren. Auch eine Reihe
alter Bilder der Sammlung Preyer vermochte den
Bilderireund zu fesseln. Vor Kurzem ist die
Preyer’sche Galerie, nicht wenig überschätzt, als
Ganzes nach Amerika verkauft worden. Ich berichte
an anderer Stelle ausführlich über die Angelegen-
heit. Vorläufig verweise ich auf die Chronique des
arts vom 1. Juni 1901 (No. 22).

1901 sind auch gestorben Joh. Heinr. Mayer
(Stametz-Mayer) und Baron Anton Pachner
von Eggenstorf. Pachner war kein eigentlicher
Sammler, doch bewahrte er die stark gelichteten
Reste der ehemals angesehenen und sehr umfang-
reichen Gemäldesammlung seiner Vorfahren (vergl.
hiezu die „Neue Ireie Presse“ vom 18. u. 20. Juni 1901).
Hofrat Baron v. Pachner stand im 83. Lebens-
jahre, als er am 18. Juni vorigen Jahres verschied.
]: H. Mayer, genannt Stametz-Mayer, da er
jahrelang das Bankgeschäft J. H. Stametz & Cie.
leitete, war Sammler in eigentlichem Sinne. Er

W

sammelte moderne Bilder und hat deren sehr
treffliche besessen. Vorübergehend, freilich nur etwa
einen Tag lang, hat er das berühmte Bild von Millet
„L’angelus“ sein eigen genannt. Geröme’s Phryne,
das viel besprochene Bild, gehörte längere Zeit
demselben Sammler, desgleichen Hebert’s Malaria,
Gallait's Dana, Horace Vernet’s Daniel in der
Löwengrube und ein trefflicher Gudin. Die wert-
volle erste Sammlung, aufgestellt in einem Palais
der Johannesgasse, ist, wie mir deren Besitzer vor
einigen Jahren noch selbst mitteilte, in alle Winde
zerstreut. Was Mayer in seinen letzten Jahren bei
sich in Wien (I. Schwarzenbergplatz 5) verwahrte,
bestand ja aus ganz guten Bildern, konnte aber
eine Vergleichung mit dem älteren Bestande nicht
aushalten. Mayer sagte mir, dass einige seiner
besten Bilder zu Schröder nach London und nach
Berlin gekommen seien, z. B. zwei grosse Gemälde
von Knaus. — Dass der Maler Delhaes und der
Medailleur Radnitzky auch Sammler waren, fand
schon oben Erwähnung.

Wien, im Januar 1902.

Th. v. Frimmel.



Georg Hirth’s Formenschatz.
Von Günther Koch.

„Unter den Männern, welche ... mit Energie
den Weg betreten haben, die Freude an der holden
Welt künstlerischer Formen zu wecken und zu
nähren und mit Begeisterung bemüht sind, unserem
Volke die künstlerischen Schätze der Vergangenheit
zu erschliessen, muss Georg Hirth in erster
Linie genannt werden. Sein Streben war vom ersten
Augenblick: aus den unerschöpflichen Vorrats-
kammern alter Kunst das Schönste und Beste in
gediegen ausgestatteten Publikationen darzubieten
und diesen Werken durch unerhört niedrigen Preis
die weiteste Verbreitung zu sichern. Den Beginn
machte er mit dem „Formenschatz der Renaissance“,
der in zwei stattlichen Bänden eine Fülle köstlicher
ornamentaler Vorbilder aus den goldenen Zeiten
der Wiedergeburt, und zwar vorwiegend nach
deutschen Meistern, daneben aber auch einzelnes
nach Italienern und Niederländern enthält. Die
umsichtige Auswahl, die treffliche Ausstattung und
der mässige Preis (das einzelne Blatt kommt un-
gefähr auf 10 Pfennige zu stehen) verschaiften dem
Unternehmen rasch die glänzendste Aufnahme, die
allgemeinste Verbreitung und ermutigte den Heraus-
geber zu einer Fortsetzung seines Unternehmens
unter dem Titel „Der Formenschatz“, in welchem,
bei gleicher Ausstattung und demselben Preise,
der Publikation ein weiterer Umfang und eine aus-
gedehntere Basis gewonnen wird. Im Wesentlichen
bildet zwar auch jetzt die Renaissance die Grund-
lage, aber in viel stärkerem Masse werden Italiener,
Niederländer und Franzosen herbeigezogen und
die weiteren Entwickelungen des Stils bis zu den

üppigen und capriciösen Bildungen des Rococo
ausgedehnt. Neben Italiener, wie Jacopo Sansovino,
Peruzzi, Serlio, treten unsere grossen deutschen
Meister der Frührenaissance, ein Dürer, Burgkmair,
Holbein, Aldegrever, Pencz und die früheren
Künstler der Hochrenaissance bis auf den barocken
Wendelin Dietterlin, die Niederländer und Franzosen
bis auf Berain, Oppenort, Meissonnier, Boucher;
neben Entwürfe für die mannigfaltigsten Dekorationen
stellen sich Nachbildungen ausgeführter Werke aus
den verschiedensten Bereichen kunstindustrieller
Thätigkeit. Arbeiten des Kunstschreiners, Tischlers
und Ebenisten, Täfelungen, Plafonds, Schränke und
Truhen wechseln mit den kunstreichen Schöpf-
ungen ‘der Schmiede, Schlosser, Waffen- und
Harnischmacher, mit den zierlichen Erzeugnissen
der Goldschmiede und Juweliere, mit den Arbeiten
der Zinngiesser, Kupfer- und Messingschläger, der
Hafner, Kunstwirker, Sticker u. s. w., so dass
kein Zweig der unermesslich reichen kunstgewerb-
lichen Thätigkeit jener glänzenden Zeiten unberührt
bleibt. Zwei Jahrgänge, 1879 und 1880, liegen
abgeschlossen vor . Man. erhält überall den
Eindruck von der Energie und Konsequenz, mit
welcher der Herausgeber seinen Plan durchführt
und es ist wahrhaft herzerfrischend, diesen reichen
Strom künstlerischer Anregungen auf sich einwirken
zu lassen.“

Diese Worte schrieb Wilhelm Lübke auf Grund
der ersten vier Bände von MHirths Formenschatz;
heute liegen deren 25 komplet vor und die ersten
Heite des 26. verheissen eine würdige Weiterent-
 
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