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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Schmidkunz, Hans: Unsere Kunstschulen
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—.327 —

Unsere Kunstschulen.

Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee).

Die Lehranstalten der bildenden Künste, sowohl

die rein künstlerischen wie auch die mehr gewerb-
licheh, haben weit weniger als die meisten übrigen
Arten von Lehranstalten das Interesse eines
historischen Blickes gefunden. Und doch muss es
sich lohnen, ihrem Entstehen und Anwachsen, ihren
Epochen und Blütezeiten nachzugehn. Wir können
uns hier an keine zureichenden Vorlagen historischer
Arbeit halten, sondern nur teils an einige Einzel-
schriften, teils an düriftige Gesamtskizzen. Auf
Grund dessen ergiebt unsere eigene Zusammen-
stellung folgendes vorläufige Bild.

Nachdem aller Kunstunterricht wohl seit jeher
vorwiegend Werkstattlehre gewesen, Auferziehung
des Jüngers in der Praxis, wie sie sich in der
Werkstatt eines Meisters abspielte, und nachdem
sich die Systematisierung dieses Unterrichts in
Zünften und zunftähnlichen Genossenschaften des
ausgehenden Mittelalters ausgebildet, zum Teil über-
lebt hatte, entstanden seit der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts organisierte Kunstschulen. Erst
nur den romanischen Ländern eigen, kamen sie
seit Ende des 17. Jahrhunderts auch in Deutschland
auf. Es ist interessant zu beobachten, wie sie
sich seit damals erst langsam, dann schneller, dann
wieder mit Unterbrechungen entwickelt haben, durch
grosse Knotenpunkte und gewaltige Anläufe, sowie

‚durch Stillstände hindurchgehend und mit: der Ge-

schichte der Politik, der Litteratur, des Handels
und Gewerbes interessante Verknüpfungen bildend.
Ganz besonders charakteristisch aber ist für ihre
Geschichte eine Erscheinung, die zwar in der Ge-
schichte aller Schularten. bekannt und selbstver-
ständlich ist, doch wohl nirgends so häufig und
bis ins Komische hinein auftritt wie hier: die un-
zähligen Reorganisationen, Reformierungen, Neube-
gründungen, Neuordnungen _ der Kunstschulen.
Namentlich in älterer Zeit ist es fast Regel, dass
eine solche Anstalt nach ihrer Begründung sich
erst ohne rechte Ordnung und Energie hinschleppt,
bis endlich ein gründlicherer frischer Versuch gemacht
wird, meist mit irgendwelchen fürstlichen Erlässen,
mit neuen Satzungen und noch neueren Vorsätzen
u. dgl. mehr. Das wichtigste Beispiel dafür ist
Düsseldorf, gestiitet 1767, an der Decadenz des
Akademiewesens zu Beginn des 19. Jahrhunderts
nicht am wenigsten beteiligt und anfangs der
zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts in einer Weise
reorganisiert, die entscheidend wurde für den Fort-
gang des Kunstunterrichtes überhaupt, insbesondere —
kurzgesagt — durch ihre Synthese von Werkstatt

Nachdruck verboten.‘

und Schule. Erst schulmässiger Classenunterricht,
dann freies Meisteratelier: dieser Grundzug der
heutigen Akademielehre geht hauptsächlich auf
jene Düsseldorfer Neugründung zurück.

Mehr als in anderen Arten von Schulen wird
hier eine Unterscheidung von Sonderarten nötig.
Da haben wir Anstalten für alle bildenden Künste
zusammen und daneben solche für diese oder jene
einzelne Kunst; dann Anstalten. mit den höchsten
und daneben solche mit geringeren künstlerischen
Zielen; weiterhin neben spezifisch künstlerischen
hinwider spezifisch kunstgewerbliche Lehrstätten,
und an der Grenze unseres Interessenkreises ver-
schiedentliche mehr oder ganz technische, ge-
werbliche und eventuell noch andere Anstalten. Die
rein künstlerisch gerichteten und den gesamten
Umfang der bildenden Künste, die „universitas
artium“ umschliessenden Lehrstätten gelten als Hoch-
schulen oder „Akademien“, die übrigen als höhere
oder mindere oder schlechtweg als Kunstschulen.
Dazu aber tritt noch der Umstand, dass all diese
Anstalten in buntester Weise bald völlig oder teil-
weis Staatsanstalten, bald Fürstenschulen (so noch
heute die Weimarer), bald Gemeindeunternehmungen
und bald in verschiedentlicher Weise Privatanstalten
sind, häufig als solche beginnend und als ganz
oder zum Teil staatliche endend. Noch weiter von der
Gleichmässigkeit unseres allgemeinen Schulwesens
dürfte dieses Kunstschulwesen entfernt sein durch
Verschiedenheiten in der Weise seines Unterrichts.
Hier ist indes unsere Kenntnis der Vergangenheit
und Gegenwart, der Thatsachen und des von ihnen
zu Fordernden noch so sehr in den Anfängen, dass
wir gut thun, abzubrechen und zur historischen
Betrachtung zurückzukehren. :

Die älteste Zeit der Kunstschulen ist also die
der romanischen Gründungen: Florenz 1562, Bologna
ungefähr 1583, Paris 1648, Antwerpen 1663. Deutsch-
land tritt erst ein bis zwei Jahrhunderte später in
die Bewegung ein. Ungeflähr ebensolang währt
die ältere Zeit der -deutschen Kunstschulen, in
der trotz zahlreicher Gründungen und Erneuerungen

über ein mittleres. Niveau nicht hinausgekommen

wird, bis endlich mit jener Düsseldorfer Reorgani-
sation die neuere Zeit unserer Kunstschulen beginnt,
die ungefähr achtzig Jahre bis heute umfassend.
Jene ältere Periode begann in einer Zeit, da das
Aufblühen des modernen Staatswesens auch eine
Aufmerksamkeit auf solche Stoffe und Richtungen
des Unterrichtes erzeugte, die bis dahin zurück-
gestanden waren: auf die realistischen und im

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