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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 5
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Koch, Günther: Die Galerie Alfred Thieme
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0268

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— 106 —

Die Galerie Alired Thieme.

Von Günther Koch.

Der folgende Hinweis auf die im Besitze des
Herrn Kommerzienrats Alfred Thieme in Leipzig
vereinigten Schätze besonders nordholländischer
Malerei hat denselben Anlass wie der in unserem
letzten Hefte veröffentlichte Aufsatz über die
Gemäldesammlung Richard von Kaufmann: Auch
über die Galerie Thieme liegt nun eine wissen-
schaftliche Publikation vor.') Es ist ein Katalog
von dem Sohne des Sammlers, Dr. Ulrich Thieme,
verfasst und lediglich bestimmt, das Bild des gegen-
wärtigen Bestandes der Galerie für die kunstwissen-
schaftliche Forschung zu fixieren. Diese Bestimmung
der Arbeit erklärt es, dass das Werk als Privat-
druck hergestellt und nicht in den Buchhandel ge-
geben, sondern nur einem kleinen Kreise von
Kunstireunden mitgeteilt worden ist. Der Katalog
an sich ist eine mustergiltige Leistung; er giebt
genaue Beschreibung eines jeden Bildes, verzeichnet
wann und von wem es erworben worden, und auf
welchen Ausstellungen es gewesen ist, ferner die
Litteratur darüber und am Schluss den Hinweis
auf die Erwähnung des betreffenden Bildes in der
Einleitung.

Den Notizen über die Erwerbung der Gemälde ist
zu entnehmen, dass Alfred Thieme diese wertvolle
Gemäldesammlung in dem kurzen Zeitraume von
15 Jahren zusammengebracht hat. Dabei sind
von den 94 Gemälden nur 22 auf Auctionen, alle

anderen unter der Hand gekauft, teils von Händlern .

und aus Privatbesitz, vielfach aber auch von
anderen Sammlern, wie z.B. W. Gumprecht (Berlin),
E. Warneck, R. Kann, Duseigneur (Paris), Sir Charles
Robinson, Mr. Charles Buttler, Mr. Humphrey
Ward, Mr. Samuel Buttery, Mr. Murray (London).
Die 94 Bilder fixieren, wie schon gesagt, lediglich
den Bestand, den die Galerie zur Zeit des Ab-
schlusses des Katalogs an hervorragenden
Schöpfungen niederländischer Malerei aufzuweisen
hatte, denn man vermisst manches Stück, mit
. dem Alired Thieme z. B. noch 1889 die Aus-
stellung aus sächsischem Privatbesitze in Leipzig
beschickt hatte. Jedenfalls belegt aber die Ge-
schichte des Zusammenbringens dieser 94 Ge-
mälde, dass es heute noch möglich ist, in relativ
kurzer Zeit ganz hervorragende Schätze zu ver-
einigen, wenn eigenes feines Kunsturteil gefördert
wird durch genügende Geldmittel und vielseitige

1) Galerie Alfred Thieme in Leipzig. Mit Einleitung von Wilhelm
Bode, hrsg. von Ulrich Thieme. Leipzig 1900. 4%. 80 SS. und 1 Radierung
von Albert Krüger nach Frans Hals, 2 Heliogravuren nach Rembrandt,
1 Tafel in Dreifarbendruck u. 16 Tafeln in Autotypie. Nicht im Handel.



Beziehungen nicht nur zu Händlern, sondern vor
allem auch zu anderen Kunstireunden und Kunst-
verständigen.

Sehr alte derartige Beziehungen verbinden
Herrn Alfred Thieme z. B. mit Wilhelm Bode, der
die Sammlung nicht nur hat entstehen und
wachsen sehen, sondern auch „in tatkräftigster
Weise geholfen hat, sie zusammen zu bringen“. Bald
nachdem er seine erste Sammlung an das Leipziger
Museum abgegeben hatte, entschloss sich Herr
Thieme von neuem zu sammeln und Bode ver-
sprach ihm Hilie und Entscheidung in allen Fällen.
Man kam überein, die neue Sammlung möglichst
auf die holländische Schule der Blütezeit zu be-
schränken, in erster Linie Werke der grossen Meister,
dagegen von ihren Schülern und andern Malern
zweiten Ranges nur ungewöhnlich gute Gemälde
zu erwerben. Das Resultat seiner Beihilfe bei der
Zusammenbringung der Sammlung hat Bode dann
in einer Charakterisierung derselben niedergelegt,
die er in der Zeitschrift tür bildende Kunst (N. F.,
Jhrg. XI.) veröffentlichte und die Dr. Ulrich Thieme
seinem Katalog als Einleitung vorausschickte.

Dieser Bode’schen Skizze folgend, sei hier der
Reichtum der Sammlung und ihre Bedeutung für
die holländische Malerei in ihren Blüte- Epochen
kurz geschildert.

„Für einen Sammler der holländischen Schule
stehen Rembrandt und Frans Hals in der vordersten
Reihe des Interesses, erst wenn auch von ihnen
eines oder mehrere Bilder erworben sind, wird
der Sammler das Gefühl haben, seiner Galerie den
rechten Grund und Halt gegeben zu haben.“ Von
Frans Hals hat Herr Thieme zwei Bilder er-
werben können: „Beide Bilder zeigen echte Typen
der untersten Klassen des damaligen Hollands, die
uns durch diese Gemälde des alten Frans Hals so
monumental, wie die spanischen Volksfiguren des
Velasquez, und mit einem Humor, wie er nur
Hals eigentümlich ist, überliefert worden sind.“
Der „Mulatte“ „ist eine jener Gestalten aus den
holländischen Provinzen, wohl aus Java, die als
Matrosen herübergekommen waren und in Kneipen
als Bänkelsänger in ihrem gebrochenen Holländisch
und Brocken ihrer eigenen Sprache die Zecher
mit derben Spässen amüsierten. Der braune Bursche
in seinem rot und gelben Rocke und roter Mütze,
einer Tracht, wie sie sich noch hier und da bei
den Budenbesitzern der Jahrmärkte findet, ist eine
malerische Erscheinung, dessen breites Lachen auf
 
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