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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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MONATSBERICHTE

UEBER

KUNSTWISSENSCHÄAF T uns KUNSTHANDEL
Beiblatt.

II. Jahrgang No. 6. — Juni 1902.



Bibliographische Rundschau.

Mitgeteilt von Dr. Hermann Popp.

Gurlitt, Cornelius. Geschichte der Kunst. 2 Bde. nutzten Kunstgeschichtswerken von Lübke, Springer,

Stuttg. 1902, Arnold Bergsträsser. Mk. 44.—.

Der 1. Band umfasst 696 Seiten und behandelt
in der auch sonst von Kunstgesch'chts-Autoren
beliebten Einteilung das europäische wie asiatische
Altertum und Mittelalter bis zum Ausgang des
13. Jahrhunderts; der 2. Band bringt auf 792 Seiten
die Kunst seit dem 14. bis zum Beginn des 20. Jahr-
hunderts zur Darstellung. Rein äusserlich betrachtet,
hätten wir zunächst statt der überreich gegebenen
Unterabteilungen (114 in Bd. 1, 67 in Bd. 2) und
deren kurz gefassten Inhaltsangaben ein Künstler-
verzeichnis, ev. auch ein Ortsregister am Schlusse
des Werkes gern gesehen, wie es andere „Hand-
bücher der Kunstgeschichte“ geben. Wie schwer
{ällt es dem Leser in Gurlitts „Geschichte der Kunst“
über irgend eine Künstlerpersönlichkeit, z. B. van
Dyck oder Schinkel, oder über ein monumentales
Bauwerk, z. B. die Markuskirche in Venedig, die
Stelle nachzusuchen, an der man das Wissenswerte
findet. Es scheint fast, als wenn der Verfasser,
selber ein tüchtiger Kunstprofessor, mit der Heraus-
gabe des Werkes ein „tiefgefühltes Bedürfnis“ der
wenigen Öffentlich Kunstgeschichte dozierenden
Lehrkräfte nach einem gedruckten Vorlesungskom-
pendium habe befriedigen wollen. Denn sonst ver-
stehen wir auch. ferner nicht, warum das dicke,
zweibändige Werk mit — sage und schreibe —
nur 30 Bildertafeln, jede nur ein einziges Sujet
illustrierend, ausgestattet worden ist. Wo bleibt da
für den Belehrung suchenden Laien eine illustrative
Klarlegung der verschiedenen Säulenordnungen, wo
eine bescheidene Gabe aus dem Füllhorn klassischer
Architektur, wo eine Darbietung aus dem er-
quickenden Born alter und neuerer Plastik? Von
den herrlichen Blüten der Malerei gar nicht zu
reden! Wird nicht der Kunstbeflissene enttäuscht
ein Handbuch von sich weisen, wenn ihm die
wenigen, allerdings vorzüglich ausgeführten Ab-
bildungen trotz des eng geknüpften Zusammenhalts
der periodisch fortschreitenden Abschnitte doch
unverständlich bleiben, zum mindesten ihn gleich-
giltig lassen? Ueber diesen Mangel an Illustrationen,
besonders gegenüber den bisher von Laien viel be-

Janitschek u. a., bleibt uns Gurlitt die Antwort
schuldig; sonst pflegen die Herren Verfasser im
Vorwort ihrem Verleger noch extra Dank dafür zu
spenden, dass er den Text nicht mit gar zu kärg-
lichem äussern Schmuck in die Welt hinausgesandt
hat. Sollte etwa die Stuttgarter Verlagshandlung dem
Dresdner Professor eine gewisse Renitenz entgegen-
gesetzt haben? Das glauben wir nicht annehmen
zu sollen im Hinblick auf die sonstigen reich illu-
strierten Kunstpublikationen des renommierten Ver-
Jags. Was nun die Behandlung des kunstgeschicht-
lichen Stoffes seitens des Verfassers anbetrifft, so
sagt Gurlitt im Vorwort, dass er sich bei Ab-
fassung seines Werkes die Aufgabe gestellt habe,
die Kunstgeschichte so zu schildern, wie ihm ihre
Entwicklung sich abgespielt zu haben scheint; fügt
aber dann etwas kleinlaut — oder aus zu grosser
Bescheidenheit — den übrigens grammatikalisch
nicht ganz korrekten Satz hinzu: „nachdem ich
mich, soweit ich eben konnte, mit dem Stand der
Wissenschaft vertraut zu machen suchte.‘“ Gurlitt
will also durch seine vollauf subjektive Darstellungs-
weise dem Leser zeigen, „wie sich der Gang der
künstlerischen Dinge nicht in dem Gewirr der ver-
schiedenen wissenschaftlichen Ueberzeugungen,
sondern in einem Kopfe von deutlich erkennbarer
Stellung zu den grossen Fragen des Lebens ab-
spiegelt.“ Ein Novum führt aber doch Gurlitt mit
dieser Betrachtung jedweder Kunstfakta schwerlich
ein, denn bei kunstgeschichtlichen Dingen, selbst
wenn man die Schöpfungen aller Länder und
Völker in den Bereich zur Besprechung zieht,
streng objektiv zu verfahren, kann doch höch-
stens ein. Konversations-Lexikon und auch das
nicht einmal. Jedes Kunsturteil, mag es noch so
prägnant und trocken in Worte gefasst sein, schliesst,
wenn anders es ernst genommen werden soll, ein
persönliches Moment in sich ein: das naive kunst-
sinnige Empfinden des Laien sowohl, wie das kritisch
geschulte Verständnis des Kunstpriesters. De gustibus
non est disputantum, lautet bekanntlich auch der
Revers jeder Kunstgeschichts-Prägung! Und es ist
gerade bei einer so markanten Kunstprofessoren-
 
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