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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 7
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Frimmel, Theodor von: Bilder von seltenen Meistern, 11, Einige Architekturmaler des 18. Jahrhunderts
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Stettner, Thomas: Der Katalogleser: eine Plauderei
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0368

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— 249 —

Kunst- und historischen Denkmale‘“ 1884, S. III

und Frimmel „Geschichte der Wiener Gemäldesamm-

lungen“ III. Kapitel. Manches überWiener Architektur- _

maler des 18. Jahrhunderts ist zu finden im zweiten Jahr-
gange der „oesterreichischen Kunstchronik‘‘, heraus-
gegeben von H. Kabdebo (1879) S. 62ff.u.781ffi. Auch
Heinecken’s Nachrichten Il, 14 (zu A. Andreides).

Als Werk des Pannini wurde mir vor kurzem
in der Sammlung Ferstel in Wien ein mittelgrosses
Architekturstück gezeigt. Eine gewisse italisierende
Haltung war allerdings zu erkennen, aber Pannini
musste entschieden als Urheber ausgeschlossen

werden. Auf einem Architekturbestandteil etwa in
der Mitte des Bildes fand ich dann die Signatur
„T. v_: NYMEGEN“ in alten, ganz unverdächtigen
Zügen. Das Bild ist also von Tobias vanNymegen ı
(auch Nimmegen geschrieben), einem .Maler, der
von der Litteratur sehr vernachlässigt ist. Füsslis
grosser Lexikon nennt ihn nach den Angaben Van
Gools. Die Leinwand in der Sammlung Ferstel
stellt den Teich zu Jerusalem dar, bei welchem
Christus Kranke heilte. Um den Teich erstreckt
sich eine überreiche Bogenarchitektur, zahlreiche
Figuren beleben alle Gründe.

Der Katalogleser.

Eine Plauderei von Th. Stettner.

Lass’ mich Dein Lob singen, Samstagabend!

Seit meiner Kindheit bist Du mir die liebste
Zeit der Woche. Da gingen wir, wenn der furcht-
bar erwachende Reinlichkeitstrieb das Elternhaus
in eine Wasserwüste verwandelt hatte, immer an
die gleiche Stelle am See, von der aus man weit
ins Land hinaus sieht, andächtig das Läuten der
Feiertagsglocken erwartend. Wir kannten sie alle:
von der grossen Glocke des Klosters über dem
See bis herab zu den Glöcklein aller der Dorf-
kirchen ringsumher. Wenn dann aber plötzlich
mit mächtigem, tiefem Ton vom heimatlichen Kirch-
turm herab die Glocke einsetzte, so nah und so
gewaltig, dass es uns immer leise durchschauerte,
dann hörten wir stillsitzend ihrem Tönen zu, so
lange sie erklang — war endlich das letzte
Summen verklungen, so kehrten wir still und artig,
_— was sonst nicht unsere Gewohnheit war —
nach Haus zurück; ein HMöheres hatte zu uns
Kindern gesprochen und in unsere Herzen war damit
der Sonntag eingezogen. — Und heute noch ent-
fliehe ich zu dieser Zeit am liebsten dem Lärm
der Stadt, so weit, dass ich den Klang der Glocken
höre, die den Sonntag einläuten, und bleibe auch
am Abend gerne still und ruhig für mich. Die
Freunde, die gerade diesen Abend für einen dem
Ausgehen geheiligten halten, haben lang gegen
diese „Laune“ gekämpft; aber jetzt lassen sie mich
in Ruhe.

Erzählen sie mir dann am nächsten Tag von
all dem Schönen, was sie erlebt: wie der Qualm
und Rauch unerträglich gewesen, wie die laute
Musik noch heute im Kopie brumme, wie über ein
politisches Gespräch grimme Fehde entstanden sei,
dann sage ich bescheiden: „und ich habe ein bisschen
gelesen“.

„Was?“ das sage ich nicht, und weder die
Freunde, noch Du kämen auf die Antwort hierauf.

Ich lese die Bücherkataloge der Antiquare, die
im Lauf der Woche eingegangen sind. Da baut
sich eine gar bunte, lustige Welt im Kleinen vor
dem geistigen Auge auf. Scherz und Ernst, Er-
habenes und Lächerliches, alle Zeiten und Länder
folgen friedlich- auf einander. Aus den Blättern
rauscht ein leiser Widerhall der Weltgeschichte uns
entgegen: sie erzählen von dem, was die Mensch-
heit erlebt und erlitten, erreicht und erträumt hat;
was einst in grimmer Geisterschlacht die Welt
durchtobt, was nur dem launischen Geschmack des
Tages diente, Schrift und Gegenschriit wütender
Gegner: ein litterarisches Grab nahm alle auf und
die Titel der Bücher sind die Grabinschriften auf
diesem Friedhof der Jahrhunderte. Wie verlockend
ist der Gedanke, dass all diese Herrlichkeiten zu
erwerben sind; es beginnt ein hartnäckiger Kampf
zwischen der Vernunit und der Lust zu besitzen
und bringt ein Moment belebender Spannung in
die Lektüre.

Bisher habe ich also vor meinen Freunden
und ihrem Spott meine Liebhaberei glücklich ver-
borgen. Gestern abend aber kam ein Freund, der
Arzt ist, unversehens zu mir herauf und traf mich
über die Kataloge gebeugt.

Als ich ihm arglos mitteilte, dass sie eine
regelmässige Lektüre für mich seien, griff er statt
aller Antwort mit der Rechten nach seiner Uhr,
mit der Linken nach meinem Puls und kontrollierte
nachdenklich seinen Gang. Alles war in Ordnung,
doch sah er trotzdem immer aufs neue mich
prüfend an und murmelte etwas von unhaltbarem
Zustand, höchster Zeit und Freundespflicht vor sich
hin. Ich konnte über seine Gedanken nicht im
Zweifel sein. — Rührst Du an des Mannes religiöse
oder politische Ueberzeugung, so wird er sie mit
dem festen Mut des Löwen verteidigen, greifst Du
aber seine Liebhaberei an, da wird er zum gereiz-
 
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