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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 2
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Krauss, Ingo: Das Portrait Dantes, 3, Dantes Portrait in der bildenden Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0078

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53

Das Portrait Dantes.

Von Dr. Ingo Krauss.

HL.
DANTES PORTRAIT IN DER BILDENDEN KUNST.

$ 1. Der Dantekopf in der zeitgenössischen Kunst.

Ein Fresko in der Unterkirche zu Assisi.

Das Franzwunder an dem Knaben Spini ist auch
der Inhalt eines Wandgemäldes in der Unterkirche von
Assisi. Dasselbe befindet sich an der Ostwand des
rechten Querschiffes in der dritten Reihe. Durch An-
bau der Sängertribüne ist es sehr beschädigt worden.
Crowe und Cavalcaselle schrieben es noch dem Giotto
zu und setzten es in die Zeit seiner Meisterjahre, da
sie Taddeo Gaddis Beihilte annahmen 1). Neuerdings
ist ihnen auch Thode gefolgt, der es jedoch für die
Zeit von 1302—1305 in Anspruch nimmt2). Stilistische
Gründe hindern aber, das Bild auf Giottos Namen zu
taufen. Die Proportionen der menschlichen Körper sind
z. B. recht arg verzeichnet. Der Unterkörper ist meist
unverhältnismässig lang gegen die obere Partie. Im-
merhin war der unbekannte Meister ein tüchtiger Maler.
Taddeos Hand ist nach Frey) darauf nicht zu-erkennen,
wenngleich das Gemälde florentinisch ist. Dass ein
Entwurf Giottos zu Grunde liegt*), ist schon. möglich.
Auf jeden Fall gehört es seiner Technik nach der ersten
Hälite des Trecento an. ;

Für die vorliegende Abhandlung ist das Fresko
dadurch von Interesse, als es ein Danteportrait zu ent-
halten scheint. Unter dem betenden Volk fällt zur
Rechten im Vordergrunde ein Mann auf, der durch
seine abgesonderte Stellung hervorgehoben ist. Der
Profilkopf ist entschieden als! Portrait gedacht. Eine
hohe gewölbte Stirn mit einschneidender Nasenwurzel,
eine grosse Adlernase, ein vorstrebender Unterkiefer
und tiefe Falten von Mund und Nase ausgehend sind
besondere Kennzeichen desselben. Das Haupt ist von
dem cappucio bedeckt. Die Züge erinnern stark an
Dante.

Ist der Entwurf zu diesem Gemälde thatsächlich
von Giotto, so wird es auch bei Lebzeiten des Künst-
lers entstanden sein. Dann wäre es auch zeitlich vor
Taddeos Fresco in Santa Croce, das denselben Stoff
behandelte. Vielleicht hat es dann die Vorlage zu
diesem Werke abgegeben. Das würde um so glaub-
würdiger sein, wenn die knieende Figur wirklich Dante
vorstellt. Die Annahme, dass Taddeo den alternden
Dichter dargestellt habe, würde dann ebenfalls an Zu-
verlässigkeit gewinnen. Allerdings war sein Dante nicht
knieend, sondern stehend abgebildet.

1) Cr. u. Cav.. p. 252.
2) Thode. Giotto. p. 75.
3) Frey. Mündliche Mitteilung.

4) M. G. Zimmermann. Giotto. Berl. 1899. p. 386. 405—411.

Das. sind alles sehr lockende Hypothesen, denen
jedoch der zwingende Beweis fehlt. Sie behalten nur
solange ihre Kraft, als der gute Wille vorhält, in Assisi
ein Dantebildnis zu erkennen. Die Ueberlieferung bietet
dafür keine Belege, Die Vergleichung aber mit dem
Bargellobilde, dem einzig beglaubigt erhaltenen Portrait
des Dichters aus dieser Zeit, ist zu sehr vom subjektiven
Empfinden abhängig, um allgemein massgebend zu sein.
Sonst könnte leicht dieses Fresko neben dem des
Palazzo del Podest das wertvollste Dokument {für
Dantes Aussehen vorstellen.

Ein Fresko in Santa Mariain Porto fuori Ravenna.

Corrado Ricci widmet einige Seiten in seinem
„L’ultimo rifugio die Dante“ einem Portrait des Dich-
ters, das die Kirche Santa Maria in Porto bei Ravenna
zieren soll5).

Daselbst befinden sich gute Fresken aus dem
Trecento, die jetzt ohne Widerspruch als Arbeiten der
Malerschule von Rimini anerkannt werden. Ehedem
hatten die Ravennaten versucht, sie dem Giotto zuzu-
schreiben®). Ricci weist nach, dass diese Gemälde
dem Pietro und Giuliano da Rimini angehören?), die
bei Dantes Lebzeiten in Ravenna gemalt haben.. Eines
dieser Fresken hat die Darstellung der Jungfrau im
Tempel zum Gegenstand. Auf diesem glaubt der Pfarrer
Pio Pozzi ein enface-Portrait des Dichters entdeckt zu
haben8). Es ist nicht zu leugnen, dass der betreffende
Kopf gewisse danteske Linien aufweist. Die Züge sind
jedoch verhältnismässig zu jung. Dante war in Ravenna
ein alternder Mann. Die Künstler, die ihn dort sahen
und malten, konnten ihn also auch nicht anders dar-
stellen. Pozzis „Entdeckung“ dürfte daher wohl Augen-
täuschung sein. Ferner ist es möglich, dass die Fresken,
die auch unter weisser Tünche verborgen waren, nach
ihrer Aufdeckung durch den Pfarrer etwas übermalt
worden sind, wodurch das Danteske in dem Portrait
verstärkt wurde. Ricci übertreibt, wenn er von dem
Bilde schreibt: „Solo la figura da noi descritta ripete
veramente la tradizionale fisonomia di Dante, racco-
mandata dagli antichi biografi e dalle antiche pitture e
sculture“. Für dieses Bildnis liegt nicht nur kein über-
zeugender Beweis vor, es erscheint nicht einmal recht
glaubhaft.

5) Corrado Ricci. L’ultimo rifugio di Dante. Milano 1891.‘ p. 286 ff.

6) Ricci. p. 286.

7) Ebenda. — Crowe u. Caval. pag. 383. History of art.

8) Alinari 18249. Nach dieser Photographie könnte Dante fast bärtig
erscheinen. Die grössere Reproduktion bei Ricci lässt aber erkennen,

dass die merkwürdige dunkle Stelle nur ein Schatten, bezw. das Gewand
des dahinter stehenden Jünglings ist. Dante steht zu -äusserst rechts.

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