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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 10
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Redaktion: Eugène Müntz
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0568

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Eugene

Mit Eugene Müntz, dessen plötzliches Ableben
der Telegraph vor wenigen Tagen meldete, ist ein
Mann dahingegangen, dem wir auch an dieser
Stelle, wenn auch nur in kurzen Worten, gedenken
wollen, umsomehr als wir in ihm einen unserer
trefflichsten Mitarbeiter verloren haben, dem unsere
Zeitschriit viel Anregung und Förderung zu ver-
danken hat. Eugene Müntz war 1845 zu Sulz im
Elsass geboren, wo seine Vorfahren bis ins acht-
zehnte Jahrhundert hinein als Schöffen und Bürger-
meister nachweisbar sind. Er entstammte also einer
deutschen Familie, die sich infolge der zwingenden
geschichtlichen Verhältnisse an Frankreich ange-
schlossen hatte. So vereinigte sich in ihm auch
deutsche und französische Art zu einem harmo-
nischen Ganzen, das sowohl den unermüdlichen
Fleiss und die Gründlichkeit der Forschung, als auch
die Vielseitigkeit und Leichtigkeit der Produktion
in sich schloss. Es dürfte, was Letzteres anbelangt,
unter den europäischen Kunstschriitstellern der
letzten Jahrzehnte wohl kaum einen Zweiten geben,
dessen Publikationen sich an Umfang und Mannig-
faltigkeit mit den seinen messen könnten. — Müntz
begann seine Studien am Lyc&e Bonaparte zu
Paris, nach deren Beendigung er zum Mitglied
der iranzösischen Schule in Rom ernannt wurde,
wo er von 1873 bis 1876 tätig war. Nach seiner
Rückkehr erhielt er an der Seite des damals schon
hochbetagten Vinet an der Ecole nationale des Beaux
Arts eine Stelle als Bibliothekar. Im Jahre 1880
wurde er Konservator der Bibliothek, der Archive
und des Museums, und von 1885 bis 1893 trug
er dort an Stelle von Taine Kunstgeschichte vor,
bis er die Oberleitung der gesamten Sammlungen
der Ecole des Beaux Arts übernahm. Seine Studien
galten in der Hauptsache der Erforschung der
Geschichte der bildenden Künste in Italien und
Frankreich während der Zeit der Renaissance. Auf
diesem Gebiet hat er geradezu Hervorragendes
geleistet und ein umfangreiches, urkundliches
Material aus den italienischen Archiven zusammen-
getragen, mit dessen Hilie es ihm möglich war,
manche Dunkelheiten in der Renaissance-Epoche
aufzuklären. Die intensive Weise, mit der er an
das Betrachten und das Studium der Kunstdenk-
mäler Italiens und Südfrankreichs herantrat, die
souveräne Beherrschung des Stoffes, das Eingehen
und Verständnis, das er dem Geist der einzelnen
Epochen entgegenbrachte, der scharfe Blick des
Historikers und der Feinsinn des Künstlers — dies
alles drückt sich in jeder seiner zahlreichen

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Müntz Tr.

Arbeiten in bewundernswerter Weise aus. Dabei
ist er trotz aller wissenschafltlichen Gründlichkeit,
trotz des gewaltigen Materials, das er auch in
kleineren Publikationen zusammendrängte, niemals
trocken wie so viele unserer grossen Gelehrten,
sondern immer ansprechend, immer darauf bedacht
das Interesse des Lesers zu fesseln.

Die Ausbeute seiner jahrelangen, emsigen
Forschungen ist in einer langen Reihe bedeutungs-
voller Werke niedergelegt. Manches wäre noch
von ihm zu erwarten gewesen, manche Aufgabe,
die er sich gestellt hatte, wäre noch ihrer Lösung
zugeführt worden, wenn ihn nicht unerwartet der
Tod abberufen hätte.

Seine schriftstellerische Thätigkeit begann im
Jahre 1874 mit einer Reihe wichtiger Aufsätze
über christliche Mosaiken Italiens in der „Revue
archeologique“, hierauf folgte (1878—98) sein vier-
bändiges Werk „Les arts A la cour des Papes
pendant le XV. et Is XVI. siecle“, das von der
Acade&mie des Beaux Arts mit dem Preis gekrönt
wurde. 1877—79 erschien auch seine „Histoire
de la tapisserie. Tapisseries italiennes“ und 1881
ein ebenfalls preisgekröntes Werk „Raphaäl, sa vie,
son oeuvre et son temps“, das mit Recht als die
beste Arbeit über diesen Meister bezeichnet, wird.
Auf seinen „Raphaäl“ folgten 1881 die „Etudes
sur l’histoire des arts 3 Rome pendant le moyen-
äge; Boniface VIII. et Giotto“, 1882 „La Tapisserie“,
1885 „Donatello“ und „La Renaissance en Italie
et en France ä l’&poque de Charles VIlIl., 1887 „La
biliotheque du Vatican au XV. siecle“ und „Les
antiquites de la ville de Rome au XIV. et XV.
siecle“, 1889—94 seine vierbändige „Histoire de
art pendent la Renaissance“ und 1890 die prächtige
Publikation „Tapisseries, broderies et dentelles“.
Neben diesen, zum Teil sehr umfangreichen Werken,
gab er vom Jahre 1882 an in Verbindung mit
ausländischen Forschern eine Sammlung kunst-
wissenschaftlicher Monographien unter dem Titel
„Bibliotheque internationale de Vlart“ heraus, die
er mit „Les pr&curseurs de la Renaissance“ ein-
leitete und in welcher er ferner „Les historiens et
les critiques de Raphael“ (1884), die „Etudes sur
histoire de la peinture et de l’iconographie“ und
„Les collections des Medicis“ veröffentlichte.

Ueberblickt man diese Reihe von Werken, so
tritt einem das Bild eines Lebens vor Augen, eines
Lebens, das köstlich gewesen sein muss, denn es
war voll Arbeit und Mühe, aber auch voll bleibender,
firüchtetragender Erfolge. Die Redaktion.



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