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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 10
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Seydlitz, Reinhard von: Shakespeare- und Bacon-Bildnisse
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Hajdecki, Alexander von: Kunstgeschichtliche Notizen aus Wiener Archiven, 4, Die Familien- und Vermögensverhältnisse der Lampi
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0588

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— 403 —

schlaf. Der Unterkörper weit vorgeschoben, die
Rechte, die so viel Unvergängliches geleistet, hängt
matt über die Seitenlehne des Stuhls; die Knie
fallen nach den Seiten auseinander, der rechte Fuss
will eben vom Piedestal abgleiten. Alles in allem
ein meisterhait beobachtetes Bild vollsten Sich-
gehenlassens, der klassische Ausdruck jenes Bis-
marck’schen Wortes von der allgemeinen Wurschtig-
keit: ein bewusstes, absichtliches, schrofifes Negieren
jedweder Pose, jedweder Fassung, ja beinahe jeder
Art von Würde.

Diese fast befremdliche Auffassung eines Grab -
monumentes kann nicht anders als beabsichtigt
sein, sie war vielleicht sogar — bestellt. Wer
weiss, ob Bacon nicht schon zu Lebzeiten einen
dahinzielenden Wunsch geäussert hat, den nachher
der Errichter des Denkmals zu erfüllen die Pflicht
fühlte? Es sähe dem gewaltigen Humoristen schon
ähnlich, diesem „Selbsttierquäler der umheimlichsten
Litteratur“, wie Nietzsche einmal von ihm sagt.

Man denkt unwillkürlich an die Worte des sterben-
den Talbot (Heinrich VI., I, 4, 7):

„Du Schalksnarr, Tod, belachst uns hier zum
Hohn!“

Und mehr noch an desselben sterbenden Talbot
Worte in der Jungfrau von Orleans:

„eine herzliche Verachtung alles dessen

was uns erhaben schien und wünschenswert.“

Das Monument wäre geniessbar, wenn es, auf
einigen niederen Stufen stehend, dem Beschauer den
merkwürdigen Kopf ungefähr in Augenhöhe böte; so
aber, aus der ärgsten Froschperspektive gesehen, in
der unglücklichsten aller Beleuchtungen — in der von
unten!— ist eine grobe, steinerne Geschmacklosigkeit.

Armer Bacon! Er hatte ein Monument nicht
nötig, seine Werke sind ein solches aere perennius.
Aber wenn schon eins gewollt wurde, warum
musste es zur Karrikatur werden? Und warum
findet sich seit fast dreihundert Jahren Niemand,
der es würdiger aufstellt?

—— — > —D— — — ——

Kunstgeschichtliche Notizen

aus. Wiener Archiven

von Alexander Hajdecki, k. u. k. Major-Auditor.

IV.
Die Familien- und Vermögens-Verhältnisse
der Lampi.

Die wiederholten Hinweise der letzt angeführten
Quelle auf einen Hausbesitz des alten Lampi haben
mich doch noch bewogen, auch dieser Spur gründlich
nachzugehen, und dadurch wurde meine Aufmerksamkeit
naturgemäss auf die gerichtlichen Registraturen und
Grundbuchsämter gelenkt.

Diese Spur hat sich nicht nur als richtig erwiesen,
aber sie führte mich auch einer schier unerschöpflichen
Fundgrube erstklassigen, kunstgeschichtlichen Materials
über einen Zeitraum von drei Jahrhunderten zu.

Nach Ueberwindung mancherlei technischer Schwie-
rigkeiten im Durchsuchen eines Waldes von Grund-
büchern (was ein ziemlich schwieriges Selbststudium
voraussetzt, da ich z. B. den verbürgten Hausbesitz
eines gewissen Alphons Lampi — offenbar bloss eines
Namensvetters unseres Lampi — im Bezirk Landstrasse
noch immer nicht ausfindig machen konnte) habe ich
aber ein so umfangreiches, zusammenhängendes und
wertvolles Material zu den familien- und vermögens-
"rechtlichen, aber auch den künstlerischen Beziehungen
der Lampi’schen Familie gewonnen, dass es angezeigt
“ist, dasselbe des Zusammenhanges wegen gleich hier
im Anschlusse an die letzte Notiz, mit welcher ich den
Stoff auf dem Wiener Boden erschöpft zu haben glaubte,

mitzuteilen, und erst später die schon angekündigte
Nachricht über die „Künstler im Konflikte mit der
Polizei“ zu bringen.

Die in diesen Akten gefundene weitere Spur führte
mich auch hieher nach Baden bei Wien, wo ja bekannt-
lich der Altmeister den Sommer fast alljährlich zuzu-
bringen pflegte — und wo ich die vorliegende Notiz auch
bearbeite, denn es stellte sich heraus, dass er auch
hier ein Haus samt Garten sein eigen nannte, und
seinem von ihm favorisierten Lieblinge, dem älteren
Sohne Joh. Baptist Il. zurückgelassen haben wollte.

Nun blieb aber hier das Nachsuchen im Grund-
buchs-Amte trotz wiederholter Versuche und trotz der
mir bekannten damaligen (alten) Hausnummer — resul-
tatlos (weil ich weder den jetzigen Hauseigentümer
noch die jetzige Hausnummer angeben konnte!) —
und ich wäre zu keinem Resultate gekommen, wenn ich
hier nicht einen noch lebenden Zeitgenossen des alten
Lampi I, in der Person des altehrwürdigen Herrn
Phil. Dr. Hermann Rollet, des bekannten Dichters
und namhaften Gelehrten, als Glyptiker, Archäolog und
Lokal-Geschichtsforscher, der noch mit Jugendkraft an
seinen „Beiträgen zur Chronik der Stadt Baden“ ar-
beitende „Archivar und Museumscustos“ dieser Stadt
(wie er sich bescheiden nennt) kennen zu lernen schon
irüher das Glück gehabt hätte, zu einer Zeit, wo mich
leider die Lampi noch nicht speziell interessierten.
 
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