Ein Interieur der Empire-Zeit.
Von Günther Koch.
Die Kunsthandlung Hugo Helbing, München, ist mit dem Verkaul eines Zimmers der. napo-
leonischen Epoche betraut worden, das durch seine Zusammensetzung ein chez soi im besten Empire-
stil, ein Ensemble repräsentiert, das der Urheberschait: eines Percier und Fontaine durchaus würdig wäre:
Se eine Occasion für Freunde des Empiregeschmacks, wie
sie der Kunstmarkt nur höchst selten bietet und gewiss
wert, hier in einigen Worten besprochen zu werden. -
Ueber die Provenance kann ich mich hier nur
soweit äussern, dass das ganze Zimmer echt {iran-
zösischen Ursprungs ist und. zu einer Zeit einge-
richtet wurde, da man von einem bewussten „Sammeln“
von Empiremöbeln noch nichts wusste; also hat ledig-
lich die Vorliebe für diesen Stil die Einrichtung, die
Zusammensetzung dieses Zimmers geleitet. Ich spreche
von einer „Zusammensetzung“ des Zimmers und in
der Tat scheint mir, der ich die Daten des Ankaufs
der einzelnen Piecen ganz und gar. nicht kenne, ein
Object zu sein, um das herum. der Amateur die
übrigen Möbel gruppierte; Als wahrer Enthusiast für
Kunstgegenstände wusste er eben, dass er etwas ganz
‚ausserordentlich Kostbares besitze und er scheute
offenbar keine Kosten, um dem Kostbaren Eben-
bürtiges zu gesellen. Ob das in der Tat so ge-
wesen ist, weiss ich nicht, da ich, wie gesagt, die
Genesis der Einrichtung dieses Zimmers nicht kenne.
Aber ich vermute, es wird ganz sicher. so gewesen
sein, denn das entspricht ganz der Art, wie man zur
Zeit des grossen Corsen sein chez soi einzurichten
pflegte') und der aufmerksam Urteilende wird bald
Hinden, dass die Einrichtung selbst eine solche Inter-
pretation ihrer Entstehung aufs Beste zu _docu-
mentieren scheint.
Indessen betrachten wir dieses „Zentrum“, diese
Kostbarkeit selbst: Es ist die Uhr. Sie zeigt Urania
neben dem von Sphinxen getragenen Himmelglobus.
Wegen der Gegenstücke, die sich im grossen Trianon in Versailles und im Observatorium. zu. Paris
befinden, möchte ich das Stück Pradier zuschreiben; die aegyptisierende Dekoration lässt schliessen,
dass die Uhr sehr wahrscheinlich um 1810 entworfen sein dürite. Erwähnen möchte ich noch, dass der
um die Popularisierung der Himmelkunde so verdiente Astronom Camille Flammarion. diese Uhr, die er
bei Le Verrier, dem damaligen Directeur des Pariser Observatoriums. sah, zum Ausgangspunkte seines
bekannten Buches „Urania“ machte: in einem Traume wird ihm das schöne Werk Pradiers lebendig
und Urania die Führerin durch unser Planetensystem. U
Das ganze Zimmer ist von dieser Uhr beeinflusst, insofern. es überall astronomische Embleme
zeigt. So Hinden wir z. B. am Plafond eine Urania und die Zeichen des Tierkreises, die Friesen, wie
auch die Stickereien der Vorhänge sind mit Sternen geschmückt, der kleine Lustre wird aus einer
Himmelskugel und Sternen gebildet u. s. f. ; : ;
Das Bett gehört zu den besten Arbeiten von Jacob und trägt seine Marke an verschiedenen
Stellen der Innenseiten eingebrannt: Es ist Früh-Empire, man kann es dem Beginne des Konsulats oder
dem Ende des Direktoire zuweisen. Die 4 Ecken sind mit prächtig ciselierten Renommgeen, die beiden
Seitenflächen und das Vorderteil mit von Chimeren gehaltenen Medaillons geschmückt, die die Köpfe
') „Sans avoir pour la curiosit€ le.sot entrainement des nötres, sans encombrer leur chez soi de vieilleries pour la vanite€ niaise de
paraitre connaisseurs, les gens de l’Empire savaient fort A propos installer en bonne place une chose. de prix, et s’en faisaient gloire‘. H. Bouchot,
*;. Le luxe francais: PEmpire (Paris s. d:)-p. 71. .
3*
gewisses Stück quasi das Centrum, d. h. dasjenige ..
Von Günther Koch.
Die Kunsthandlung Hugo Helbing, München, ist mit dem Verkaul eines Zimmers der. napo-
leonischen Epoche betraut worden, das durch seine Zusammensetzung ein chez soi im besten Empire-
stil, ein Ensemble repräsentiert, das der Urheberschait: eines Percier und Fontaine durchaus würdig wäre:
Se eine Occasion für Freunde des Empiregeschmacks, wie
sie der Kunstmarkt nur höchst selten bietet und gewiss
wert, hier in einigen Worten besprochen zu werden. -
Ueber die Provenance kann ich mich hier nur
soweit äussern, dass das ganze Zimmer echt {iran-
zösischen Ursprungs ist und. zu einer Zeit einge-
richtet wurde, da man von einem bewussten „Sammeln“
von Empiremöbeln noch nichts wusste; also hat ledig-
lich die Vorliebe für diesen Stil die Einrichtung, die
Zusammensetzung dieses Zimmers geleitet. Ich spreche
von einer „Zusammensetzung“ des Zimmers und in
der Tat scheint mir, der ich die Daten des Ankaufs
der einzelnen Piecen ganz und gar. nicht kenne, ein
Object zu sein, um das herum. der Amateur die
übrigen Möbel gruppierte; Als wahrer Enthusiast für
Kunstgegenstände wusste er eben, dass er etwas ganz
‚ausserordentlich Kostbares besitze und er scheute
offenbar keine Kosten, um dem Kostbaren Eben-
bürtiges zu gesellen. Ob das in der Tat so ge-
wesen ist, weiss ich nicht, da ich, wie gesagt, die
Genesis der Einrichtung dieses Zimmers nicht kenne.
Aber ich vermute, es wird ganz sicher. so gewesen
sein, denn das entspricht ganz der Art, wie man zur
Zeit des grossen Corsen sein chez soi einzurichten
pflegte') und der aufmerksam Urteilende wird bald
Hinden, dass die Einrichtung selbst eine solche Inter-
pretation ihrer Entstehung aufs Beste zu _docu-
mentieren scheint.
Indessen betrachten wir dieses „Zentrum“, diese
Kostbarkeit selbst: Es ist die Uhr. Sie zeigt Urania
neben dem von Sphinxen getragenen Himmelglobus.
Wegen der Gegenstücke, die sich im grossen Trianon in Versailles und im Observatorium. zu. Paris
befinden, möchte ich das Stück Pradier zuschreiben; die aegyptisierende Dekoration lässt schliessen,
dass die Uhr sehr wahrscheinlich um 1810 entworfen sein dürite. Erwähnen möchte ich noch, dass der
um die Popularisierung der Himmelkunde so verdiente Astronom Camille Flammarion. diese Uhr, die er
bei Le Verrier, dem damaligen Directeur des Pariser Observatoriums. sah, zum Ausgangspunkte seines
bekannten Buches „Urania“ machte: in einem Traume wird ihm das schöne Werk Pradiers lebendig
und Urania die Führerin durch unser Planetensystem. U
Das ganze Zimmer ist von dieser Uhr beeinflusst, insofern. es überall astronomische Embleme
zeigt. So Hinden wir z. B. am Plafond eine Urania und die Zeichen des Tierkreises, die Friesen, wie
auch die Stickereien der Vorhänge sind mit Sternen geschmückt, der kleine Lustre wird aus einer
Himmelskugel und Sternen gebildet u. s. f. ; : ;
Das Bett gehört zu den besten Arbeiten von Jacob und trägt seine Marke an verschiedenen
Stellen der Innenseiten eingebrannt: Es ist Früh-Empire, man kann es dem Beginne des Konsulats oder
dem Ende des Direktoire zuweisen. Die 4 Ecken sind mit prächtig ciselierten Renommgeen, die beiden
Seitenflächen und das Vorderteil mit von Chimeren gehaltenen Medaillons geschmückt, die die Köpfe
') „Sans avoir pour la curiosit€ le.sot entrainement des nötres, sans encombrer leur chez soi de vieilleries pour la vanite€ niaise de
paraitre connaisseurs, les gens de l’Empire savaient fort A propos installer en bonne place une chose. de prix, et s’en faisaient gloire‘. H. Bouchot,
*;. Le luxe francais: PEmpire (Paris s. d:)-p. 71. .
3*
gewisses Stück quasi das Centrum, d. h. dasjenige ..