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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 7
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Walcher von Molthein, Alfred: Rheinisches Steinzeug auf Gemälden der vlämischen Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0356

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— 237 —

Rheinisches Steinzeug aul Gemälden der vlämischen Schule.

Von Walcher von Moltheim.

DieProvenienz der sogenanntenOiron-Fayencen,
der auch als Henri-deux bezeichneten Tongelässe,
hat der iranzösische Kunstforscher. Benjamin Fillon
durch genaue Betrachtung eines Miniaturbildchens
im Jahre 1864 nachgewiesen. Auf demselben steht
einer der Gäste, an einem ländlichen Mahl teil-
nehmend, im Begriffe, eine Gurde zum Trunke
anzusetzen. Dieses flaschenförmige Gefäss stimmte
in der Form und in der auf dem kleinen Bilde
allerdings nur zart angedeuteten Ornamentierung
so sehr mit den z. Z. Fillon’s bereits bekannten,
jedoch noch nicht bestimmbaren Objekten, dass
der Kunstforscher den Wert dieser Entdeckung
sofort wahrnehmend, sein ganzes Studium dieser
Angelegenheit widmete. Das erwähnte Bildchen
gehörte einem Gebetbuche Claude Gouffier’s an;
dieser war Oberstallmeister und intimer Freund
Heinrich II. Durch das gründliche Studium der
Geschichte dieser Familie kam endlich Fillon zur
Besichtigung des Gouffier'schen Wohnhauses in
Oiron, woselbst die ehemalige Töpferwerkstätte
nachgewiesen wurde, und schliesslich zum ersehnten
Endresultat, welches die Mutter Claude Gouffier’s,
Helene de Hangest-Genlis, Madame de Boisy als
die geistige Schöpferin dieser interessanten Fayencen
bezeichnen konnte.

Dieses glänzende Ergebnis der Fillon’schen
Forschung lehrt uns, welch reiches Studien-Material
für die Geschichte der Kleinkünste in den Werken
der Malerei vorhanden ist. Weiteres Material liefern
Formschnitte und Kupferstiche, welche die Brücke
‚von der Malerei zu den technischen Künsten bilden.

In der nachfolgenden Studie werden die Werke
der vliämischen Maler hinsichtlich Auftretens nieder-
rheinischen Steinzeuges besprochen und war es
auch nicht der Zweck dieser Arbeit ganz hervor-

ragende, für die Geschichte deutscher Kunsttöpferei -

einschneidende Resultate zu erzielen, so sind doch
manche Auifschlüsse über Verbreitung und Formen
der erst seit wenigen Jahrzehnten in der keramischen
Litteratur hinreichend gewürdigten Steinzeug-In-
dustrie zu gewinnen. —

Es kommen hier selbstverständlich nicht nur
hervorragende Stücke in Betracht. Der Maler von
damals war in der Regel noch unbemittelter, als er
es heutigen Tages in vielen Fällen ist und wenn
wir auch über die uns durch Zunftstatuten über-
mittelten Preise der damals kostspieligsten Gefässe
staunen, so müssen wir doch zugeben, dass die-
selben nur dem Wohlhabenden zugänglich waren.
Der Unbemittelte fand noch immer billigere Ware.

Selbst angenommen, es stünden damals den
Künstlern diese kostbaren Gefässe zur Verfügung
— sie hätten selbe nicht einmal gemalt — aus
dem einfachen Grunde, weil die Maler jener Epoche,
in welcher die Steinzeug-Industrie ihre Blüte er-
reichte, grösstenteils zu den kleinen Meistern zählten.
Ihre Personen sind beim Volksfest, auf dem Markt
oder in der Wirtsstube beim Vergnügen — in der
Küche, im Stall oder im Laboratorium bei der
Arbeit. Hier überall ist die mindere Ware am
Platze und wir vermissen daher reich ornamentierte
Gefässe. In der Regel mit kunstvoll gearbeiteten
zinnernen oder silbernen Deckeln versehen, dienten
letztere als Schenkkrüge und Trinkkannen zwischen
venetianischen Gläsern und edlem Geschirr nur
bei den Gastmahlen des Adels und der städtischen
Kaufherrn. Die „Groiss Pott von Siberscher (Sieg-
burger) erden, schoin glaseirt, bynnen sneweiss“
wie das Gedenkbuch des Hermann von Weinsberg
ein Kölner Festessen im Jahre 1589 schildernd,
mitteilt, kann man daher auf den Werken der
vlämischen kleinen Meister, welche ihre Stoffe
den Szenen des gewöhnlichen Familien- und des
nationalen Lebens abgelauscht haben, nicht finden. —

Il. Die Gothiker.

Petrus Christus und Dierick Bouts.
Der Export Siegburgs. Jakobas Kannetjes.

Auf einem Bilde des Petrus Cristus von Brügge
„die Verkündigung Mariens“ findet sich das älteste
Exemplar der durch Bilder auf uns gekommenen
niederrheinischen Steinzeugware. Das Bild (S. 238)
ist die obere Hälfte eines Doppelbildes, von welchem
der untere Teil die Geburt Christi darstellt und
das mit einer Darstellung des jüngsten Gerichtes
als Flügel zu einem Tryptichon gehörte. Vormals im
kastilischen Burgos kam der Flügel 1850 aus Augs-
burger Privatbesitz in die königl. Kunstsammlungen
zu Berlin.

Im Bilde steht zu Füssen der vor einem Lese-
pult sitzenden, aus einem Buche betenden, Maria
das vorerwähnte Steinzeuggefäss — eine Vase,
die wohl der Bestimmung, welche ihr der Maler
gegeben hat, nämlich Blumen aufzunehmen, schon
von Seiten des Töpfers gewidmet war. Die braune
Glasur spricht für den Erzeugungsort Raeren, einen
im Limburgischen unweit Aachen gelegenen und
sich schon zu Ende des 14. Jahrhunderts mit der
Fabrikation von Steinzeug beschäftigenden kleinen

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