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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 4
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Gronau, Georg: Die Gemäldesammlung Richard von Kaufmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0195

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— 125 —

Die Gemäldesammlung Richard von Kautmann.

Von Georg Gronau.

Wer es einmal unternimmt, die Geschichte des
künstlerischen Geschmacks zu schreiben — und bei
dem Reiz, den dieses Thema ausüben muss, ist zu
hoffen, dass wir nicht allzulange auf ein Buch über
diesen Gegenstand zu warten haben werden —,
der wird zur Grundlage seiner Ausführungen sich
der aesthetischen Schriften und der reichen Reise-
litteratur irüherer Jahrhunderte bedienen können,
nicht minder wichtige Belehrung aber aus den
Berichten und Katalogen der Sammlungen schöpfen
können. Denn wenn ein Sammler einen Kunst-
gegenstand für wert erachtet, dass er von seinem
Heim einen Teil ausmache, wenn eine Generation
gewisse Kunstrichtungen bevorzugt, so drückt sich
hierin ein positives und ein negatives Werturteil aus.

Sehr bescheiden fing man zu Ausgang des
Mittelalters in Italien mit dem Sammeln antiker
Münzen an. Einmal rege gemacht, wandte sich
das Interesse der Vornehmen, von Humanisten
gestärkt, den Stücken alter Skulptur zu und bald
machten sich die Medici, Este, Gonzaga und
glänzende Fürsten der Kirche jeden Rest alter
Kunstübung streitig, den der davon erfüllte Boden
des Landes, vom Eisen des Pflügers, von der Hacke
des Arbeiters aufgewühlt, hergab. Im fünizehnten
Jahrhundert erregt auch die eindringende nieder-
ländische Malerei das höchste Interesse, und in
manchem Hause findet man die zierlichen Gemälde,
in denen intimes Studium der Natur mit grösster
technischer Vollkommenheit gepaart erscheint, in
grösserer Zahl vereinigt: bei den Medicaeern vor-
züglich und bei den Aristokraten Venedigs.

Als ein neues Jahrhundert eine neue Kunst
allenthalben erblühen sah, eine Kunst, die nicht nur
für die Wände und Altäre der Kirchen schuf, sondern
auch die Wohnhäuser bedachte, wurde das Sammeln
allgemeiner und bald gaben auch jenseits der Alpen,
wie jenseits des tyrrhenischen Meeres die Fürsten
das Signal zu dieser anderen Form des Mäcenaten-
tums. Die Habsburger in Oesterreich und Spanien,
Franz I. von Frankreich, die bayrischen Fürsten
und mit ihnen zahlreiche Grosse (z. B. der Cardinal
Granvella) haben ihre ständigen Agenten an den
Kunstcentren, die sie über Angelegenheiten der
Kunst ebenso auf dem Laufenden halten, wie ihre
Botschafter über die Vorgänge der hohen Politik.
—_ Das Fortschreiten dieser Bewegung weiter
durch die Jahrhunderte bis zur Gegenwart zu

verfolgen ist hier nicht der Ort. Im siebzehnten
Jahrhundert weckt das häufiger werdende Reisen,
schon damals besonders von Engländern geübt,
das Interesse am Sammeln in weiteren Kreisen;
auch die bürgerlichen Schichten nehmen stärkeren
Anteil, wofür die Sammlung des Kölnischen Bank-
herrn Jabach, die dann von Ludwig XIV. erworben
wurde und heute einen Teil der Galerie des Louvre
bildet, ein besonders hervorragendes Beispiel bietet.
Damals vorzüglich wurden die grossen fürstlichen
Galerien zusammen gebracht, die später Allgemein-
gut geworden sind.

Der Kunstgeschmack früherer Jahrhunderte war
sehr bestimmt, auch in dem, was er ablehnte.
Historischer Sinn war wenig entwickelt, und
primitive Kunst, das werdende Zeitalter, wurde
vernachlässigt. Das volle Interesse wandte sich der
eigenen Zeit zu und nur, was bereits in deren Sinn -
Kunstwerk war, fand Anerkennung. Daher überwog
das Interesse an den Werken der Hochrenaissance
und an derjenigen Kunst, die wir heute, wiederum
etwas einseitig, gern als Verfallskunst bezeichnen.

Die neuere Zeit, besonders seit der zweiten
Hälfte des letzten Jahrhunderts, spannt ihre Interessen
viel weiter. Man bemüht sich, fast einer jeden Kunst-
richtung gerecht zu werden, indem man versucht,
sie aus ihrer Zeit heraus zu begreifen. Unsere
grossen öffentlichen Galerien verraten das Bestreben,
dass möglichst alle Schulen und alle Perioden gut
repräsentiert sind, und nicht wenige Privatgalerien
vereinigen Werke von Italienern und Holländern,
Vlamen und Deutschen. In England kann man
gelegentlich sogar Italiener des fünfzehnten Jahr-
hunderts und englische Praeraffaeliten im gleichen
Raum beisammen sehen. Von Giotto und Duccio
bis zu Boucher und Fragonard, so würde das
Programm manch moderner Sammlerneigung zu
umschreiben sein. Und doch so vielseitig ein
Sammler sein mag: irgend eine Vorliebe wird ein
jeder haben, und ihr durch den Charakter seiner
Sammlung Ausdruck gegeben haben.

Auch die Sammlung. des Geheimrats Richard
von Kaufmann, von der zu sprechen die schöne
ihr gewidmete Publikation!) die Veranlassung bietet, _
erstreckt sich über weite Gebiete. Sie umfasst

ı) Gemälde des XIV.—XVI. Jahrhunderts aus der Sammlung von
Richard von Kaufmann. Berlin, Verlag von A. Asher. 1901. XII SS.
LXVII Tafeln. gr. 4°.

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