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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 6
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Uhde-Bernays, Hermann: Das germanische Nationalmuseum in Nürnberg 1852-1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0311

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— 200 —

Das germanische Nationalmuseum in Nürnberg 1852 —1902.

Von Dr. Hermann Uhde=-=Bernays.

Ein halbes Jahrhundert ist seit dem Tage dahin-
gegangen, an welchem ein einzelner Mann, beseelt
von hochherziger Gesinnung, warmer Vaterlands-
liebe, den bescheidenen Grund legte zu dem ge-
waltigen Werke, dessen Jubelfeier aufs würdigste
zu begehen nicht allein die Stadt Nürnberg, sondern
unser ganzes deutsches Vaterland sich rüstet. Die
Anwesenseit des Kaisers und zahlreicher Bundes-
fürsten, einer erlesenen Zahl von Ehrengästen, wird
dem Feste besonderen Glanz verleihen, bekunden,
dass in der That das erste halbe Jahrhundert, auf
welches das germanische Nationalmuseum stolz
zurückblickt, für die kulturgeschichtliche Entwicklung
und Fortbildung unseres Volkes einen ungeahnten
Fortschritt zu bedeuten hat. Aber noch mehr.
Sie wird der dankbare Beweis sein für die grossen
Verdienste der Anstalt um die Hebung des nationalen
Bewusstseins, welches vor fünfzig Jahren aus trau-
rigem Schlaf langsam zu erwachen begann.

Hans Freiherr von Aufsess, der edle Begründer
und während der Jahre 1852—1862 zugleich Leiter
des Museums, hatte schon zwanzig Jahre vorher
das Unternehmen zu stande zu bringen kühn ver-
sucht, war aber durch die zahlreichen Anteindungen
von Seiten allzu missgünstiger Fachgenossen und
durch die allgemeine Stimmung daran verhindert
worden. Die Zeit war eben seinem Ideal noch
nicht reif. Auch ein zweitesmal hatte der Un-
ermüdliche einen Misserfolg. Es war im Herbste
des Jahres 1848, wo auf dem ersten Germanisten-
tag zu Frankfurt Auisess mit einer umfangreichen
Denkschrift hervortrat. Trotz der Anwesenheit der
Brüder Grimm, von Dahlmann, Gervinus, Uhland,
fand der sorglich erwogene Plan keine Anerkennung.
Erst auf der zu Dresden 1852 unter dem Vorsitz
des Prinzen, späteren Königs Johann von Sachsen
gehaltenen Versammlung der deutschen Geschichts-
und Altertumsiorscher wurde, und zwar am 17.August
der Beschluss auf Gründung eines germanischen
Nationalmuseums mit dem Sitz in Nürnberg gefasst.
Hiezu kamen einige ergänzende Bestimmungen,
an der Spitze die vorzunehmende Bearbeitung eines
genauen Repertoriums der Monumente von Kunst
und Geschichte der deutschen Vorzeit. Am folgenden
Tage, dem 18. August, wurde ein provisorisches
Beisitzerkollegium mit Aufsess als Vorsitzendem
erwählt. Diesem trat im nächsten Jahre der Ge-
lehrtenausschuss zur Seite, welchem eine stattliche
Anzahl der ersten Namen, unter anderem derjenige

Alexanders von Humboldt, des ersten Ehrenmit-
gliedes, angehörten. Aus dem erwähnten proviso-
rischen Kollegium bildete sich der Verwaltungs-
ausschuss, von welchem der ständige Nürnberger
monatlich zusammentretende Lokalausschuss ein
Teil ist. Seitdem das Reich, Bayern und die Stadt
Nürnberg die Kosten der Verwaltung auf sich allein
genommen haben — es ist dies im Jahre 1894
geschehen — werden acht Mitglieder von den
Regierungen bezw. dem Magistrat Nürnberg ernannt.

An eine derartige Sicherung der Anstalt für
alle Zeiten, wie sie nunmehr wirklich geschalien
ist, konnte natürlich in den Jahren der Gründung
und den nächsten Jahrzehnten mit keinem Wort
gedacht werden. Galt es doch, vor allen Dingen
erst den Platz zu finden, wo die Sammlungen, die
Auisess für zehn Jahre unentgeltlich zur Verfügung
stellte, das Archiv, die Bibliothek untergebracht
werden sollten. Das Streben des Freiherrn und
jetzigen ersten Vorstandes, der übrigens auf jedes
Gehalt verzichtet hatte, ging dahin, vom Staat die
sog. Karthause eingeräumt zu erhalten. Aber hier
ergaben ‚sich grosse Schwierigkeiten. Während
König Ludwig I. allezeit als ein treuer Freund des
Museums sich zeigte und .bei jeder Gelegenheit
mit seiner Fürsprache und mit grossen Geldunter-
stützungen einzutreten bereit war, schien sein Sohn,
König Maximilian II., der soeben das National-
museum in München begründet hatte, den Wünschen
weniger geneigt. Als die mehrfachen Gesuche sich
entweder garnicht oder nur auf das langsamste
erledigten, sah sich Aufsess vor die Notwendigkeit
gestellt, eine Uebersiedelung ernstlich zu erwägen.
Herzog Ernst von Sachsen-Coburg hatte die Feste
Coburg, Grossherzog Carl Alexander von Weimar
die Wartburg und das St. Georgskloster zu Eisenach
angeboten, und beide zugleich erklärt, sämtliche
Kosten des Umzugs auf sich nehmen zu wollen.
Bevor man zur Abstimmung zu schreiten sich ent-
schloss, wurde noch einmal die bayerische Regierung
dringend angegangen, und erst als am 14. Oktober
wieder die Antwort ausblieb, die Wahl Coburgs
bekannt gegeben. Aber die eingeleiteten Verhand-
lungen zogen sich so sehr in die Länge, dass bei
dem Könige weitere Petitionen eingereicht werden
konnten, die endlich den gewünschten Erfolg hatten.
Es dauerte bis zum 2. Februar 1857, als die offizielle
Mitteilung der Bedingungen eintraf, unter welchen
die Karthause dem Museum überlassen würde.
So war also das eigene Heim gefunden, der Mittel-
 
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