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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 8
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Suida, Wilhelm: Beiträge zur Kenntnis von Bramantes bildnerischer Thätigkeit, 1
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— 288 —

Beiträge zur Kenntnis von Bramantes bildnerischer Thätigkeit.

Von Wilhelm Suida.

So sicher beglaubigt die malerische Thätigkeit
Bramantes ist, der sogar in Dokumenten neben
Lionardo „pictor“ genannt wird, so wenig scheint
es doch möglich, eine deutliche Anschauung von
seiner Bedeutung auf diesem Gebiete nach den
wenigen, bisher bekannten, auf Grund alter Nach-
richten ihm zuzuweisenden Arbeiten zu gewinnen.
Lomazzo, der Anonymus des Morelli, della Torre,
Bossi und andere Schriftsteller erwähnen malerische
Werke des grossen Architekten, rühmen seine Kunst
und wissen von dem grossen Einfluss, den dieselbe
auf die Zeitgenossen ausübte, genug zu erzählen,
ja sie sind in lokalpatriotischem Eifer bemüht, der
Stadt Mailand den Ruhm, einen so grossen Meister
hervorgebracht zu haben, zu vindizieren. Die
Phantasiegestalt des älteren Bramante oder Braman-
tino von Mailand, welche Calvi') durch die kühnsten
und gewaltsamsten Zuschreibungen zu einem wahren
Monstrum herausgebildet hat, ist uns nur ein Zeugnis
dafür, dass man der malerischen Thätigkeit Bra-
mantes von Urbino für die Entwicklung der lom-
bardischen Kunst des XV. Jahrhunderts eine grosse
Bedeutung beimass.

Leider ist der grössere Teil der Schöpfungen,

die alter Tradition gemäss von Bramante herrührten,
zumeist Wandmalereien, die in Mailand, Bergamo
und Monza existierten, der Zeit zum Opfer gefallen.
Manche der Werke aber gelangten in sehr ver-
wahrlostem oder durch willkürliche Restaurationen
verändertem Zustande auf uns, das Allerwenigste
giebt uns eine deutliche Anschauung von der Ab-
sicht und dem Können seines Schöpfers.

Das einzige, sicher beglaubigte Denkmal der
Zeichenkunst Bramantes ist der grosse Kupferstich
mit der Inschrift: „Bramantus fecit in MLO (Medio-
lano)“?*) Die Zeichnung zu diesem Stiche — denn
die Uebertragung auf die Kupferplatte ist wohl
sicher nicht Bramante selbst beizumessen — muss
zweifellos noch in der frühen Zeit seines Aufenthaltes
in Mailand entstanden sein.

Auch Geymüller?) nahm wegen der architek-
tonischen Formen und wegen einzelner Unkorrekt-
heiten in dem Aufbau die Entstehung vor 1488 an,

„.. ). Notizie sulla vita e sulle opere dei principali architetti, sculteri
e pittori, che fiorittono in Milano durante il governo dei Visconti e degli
Sforza, II; Milano 1865.

?) Es sind nur zwei Exemplare des Stiches bekannt, in Casa Perego
zu Mailand und im British Museum. Eine gute Abbildung nach letzterem
Exemplare ist dem Aufsatze von W. v. Seydlitz: Bramante in Mailand,
Jahrb. d. kgl. preuss. Kunsts. 1887, beigegeben.

3) H. von Geymüller, Die ursprünglichen Entwürfe für S. Peter in
Rom, Wien und Paris 1875.

während Seydlitz ein späteres Datum vorschlägt
Die Darstellung, das Innere einer Kirche, ist durch-
aus der Phantasie des Künstlers entsprungen. Die
Architektur zeigt reichste Verwendung antiker
Formen und Dekorationsmotive. In den Friesen
wechseln mythologische Scenen, etwa die Werk-
stätte des Vulcan, mit Opferzügen, Centauren und
anderem, in den Medaillons sehen wir Köpfe in
Profil und andere als freie, plastische Büsten an-
gebracht, eine antike Gewandstatue ist in die Nische
des Hintergrundes gestellt. Die Figuren, welche
den Raum beleben, befinden sich in verschiedener
Entfernung von der Bildfläche. Es kam dem Künst-
ler offenbar darauf an, die Verkleinerung der Ge-
stalten mit der wachsenden Distanz im Raume zu
studieren — ähnlich wie es Mantegna in der Capelle
der Eremitani that. Auch das grosse Interesse
für perspektivische Verkürzungen tritt in vielen der
kleinen Gestalten im Friese deutlich hervor. Die
Proportionen der einzelnen Figuren, wie wir sie
besonders an den im Vordergrunde rechts stehen-
den Jünglingen beobachten können, sind ziemlich
schlanke, der Oberkörper im Verhältnisse zu den
Beinen etwas kurz. Die Gewänder umgeben, scharf-
kantige Falten bildend, den Körper. Ihre Anord-
nung weist, ebenso wie die Typen der Köpfe und
das kurze, strammgelockte Haar, die deutlichste
Beziehung zu der Kunst Andrea Mantegnas auf,

‚wogegen in der Haltung der Figuren, den Stand-

motiven und auch den Körperverhältnissen An-
klänge an die umbrischen Meister Melozzo da Forli
und Luca Signorelli unverkennbar sind.

Es ist leicht, von diesem Werke den Ueber-
gang zu den grossen Fresko-Figuren der Casa
Prinetti') zu gewinnen. (S. Taf. 93—96.) Von den
Kriegergestalten sind nur zwei vollständig erhalten,
von fünf anderen nur die Brustbilder, wozu noch
jenes höchst merkwürdige Bruchstück mit den Halb-
figuren des lachenden und des weinenden Philo-
sophen, Heraklitos und Demokritos, kommt, über
deren Häuptern ein Fries hinläuft. Das wuchtige Auf-
treten eines dieser Krieger (Taf. 93) — ein Eindruck,
welcher durch das Ruhen der Körperlast auf beiden
Beinen, die trotzige Haltung des Kopfes und das
Stützen des Armes in die Hüfte, besonders hervor-
gerufen wird — das an derselben Figur zu beobach-

') Sie sind neuerdings vom Direktor Corrado Ricci für die Galerie
der Brera zu Mailand erworben worden. Bei dieser Gelegenheit wurden
sie restauriert und es trat dabei vieles bisher verborgene zu Tage, so die
ganze Figur eines bisher nur bis zur Brust sichtbaren jungen Mannes,
die Hand eines andern und mehr. ;
 
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