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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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MONATSBERICHTF

UEBER

KUNSTWISSENSCHAFT uns KUNSTHANDEL
Beiblatt.

H. Jahrgang No. 7. — Juli 1902.

DRS

Bibliographische Rundschau.

Mitgeteilt von Dr. Hermann Popp.

D’Althahn, N. Gili artisti italiani e le loro opere
(architetti, incisori, miniatori, musicisti, pittori,
scultori). 16°. Turn 1902.

Les Grands Artistes. Nouvelle collection publiee
sous la direction de Roger Marx. Viennent de
paraitre chez X. Laurens Editeur, Paris: Raphael.
} vol. par Mt: Eugene Muntz. — Watteau. 1 vol.
par M" G. Seailles. — Albert Durer. 1 vol. par
Mr A. Marguillier. Chaque volume de format in-8°.
(15,5<21,5) contient 128 pages et 24 gravures
d’apres les procedes directs.

Duhousset. Le cheval dans la Nature et dans l’Art.
Paris chez X. Laurens. Un tre&s beau volume
in-8° carre€ avec une heliogravure, 8 phototypies,
87 gravures dans le texte d’apres des dessins
ingdits de l’auteur et des documents photographiques
reproduisant des ceuvres de maitres.

Gradmann, E. Gesch. d. christl. Kunst. Hrsg. vom
Calwer Verlagsverein. VI, 616 S. m. 320 Textabb.
u. Tal. Lex. S°. Stutig. 1902.

Gurlitt, Cornelius. Geschichte der Kunst. 2 Bde.
= Stutig. 1902.

Seit sechs Monaten liegt auf meinem Schreibtisch
die Gurlittsche Kunstgeschichte. Dreimal und ölter
habe ich Anlauf genommen das Buch zu besprechen
und sechsmal zerrissen, was ich geschrieben hatte.
Denn was weiss ich von aegyptischer, klein-
asiatischer und chinesischer, von indischer, mon-
golischer und neupersischer Kunst, was von der
mittelalterlichen Baukunst in Norwegen, Dänemark,
Grossbritannien und Spanien? Wir alle, die wir
heute schreiben über Kunst, sind mehr oder weniger
Spezialisten. Ein kleines Duodez-Fürstentum be-
herrschen wir: der eine die altchristliche Kunst,
der andere die Malerei des Quattrocento, der dritte
die Anfänge der Graphik. Die Gebiete, die ausser-
halb dieser Grenzpfähle liegen, sind uns bömische
Dörfer. Gurlitts Reich ist unermesslich. Land-
strecken, die kein Kunsthistoriker beachtet, zieht

er in den Kreis der Betrachtung. Alles, das Ent-
legenste weiss er. Und wohlgemerkt: nicht als
Polyhistor. Menschen vom Schlage Philippis, die
aus tausend Büchern „nach dem jeweiligen Stande
der Wissenschaft“ das tausend und erste machen,
braucht man nicht zu bewundern. Es gehört nur
Sitzfleisch dazu, Fragmente, die kein Band ver-
knüpft, durch feuilletonistischen Klebstoff zu ver-
einen. Doch aus Gurlitts Werke spricht ein Mensch.
Cornelius Gurlitt war es, der dem Siegeszuge der
modernen Kunst als mutiger Tambourmajor vor-
ausschritt. Er, nur er war im stande, die Geschichte
dieser Kunst wie ein persönliches Erlebnis zu
schildern. Und Leben hat in seiner Hand auch
die gesamte Vergangenheit bekommen. So unge-
heuer das Material ist, das er ausbreitet — es giebt
keine toten Stellen. Alles ist von einheitlichem
Geiste, von einer einheitlichen Weltanschauung
beseelt. Kein Schemen ist ihm die Kunst. Sie ist
ihm die Blüte der Kultur. Wie ein Atlas trägt er
die Weltkugel auf den Schultern. Ein Buch wie
dieses zu rezensieren hat mir der Mut gefehlt.
Ich habe es bis .heute nicht verdaut, bin nicht
hinausgekommen über das dumpfe Gefühl der Ehr-
furcht. Und nun lese ich die Anzeige in der
letzten Nummer dieser Zeitschrift. Es wird da be-
dauert, dass die Zahl der Abbildungen so klein
sei. Ja, der Verleger hielt es wohl nicht für gut,
den zahllosen Abbildungswerken, die wir haben,
ein neues hinzuzufügen. Es wird Gurlitts Stil ge-
tadelt. Schliesslich werden die Druckfehler auf-
gespiesst. Doch ist dies ein nutzbringender Zeit-
vertreib? Schwerlich. Hätte der Rezensent, statt
in der Setzeroffizin zu bleiben, sich an die reiche
Tafel Cornelius Gurlitts gesetzt, würde er gefühlt
haben, was für ein Geistesfürst man sein muss,
um ein solches Mahl auftischen zu können. Und
vielleicht hätte er dann darüber nicht als Nörgler,
sondern in dankbar froher Bewunderung berichtet.
Richard Muüther.
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