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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Suida, Wilhelm: Beiträge zur Kenntnis von Bramantes bildnerischer Thätigkeit, 2
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— 351

Beiträge zur Kenntnis von Bramantes bildnerischer Thätigkeit.*)

Von Wilhelm Suida.

(Schluss.)

Giebt es aber ausser den Malereien und Zeich-
nungen Bramantes nicht noch andere Werke, aus
denen wir seinen bildnerischen Stil kennen lernen
können? Ich möchte die Frage bejahen, und sehe
in Bramante den Schöpfer des berühmten plastischen
Frieses im Baptisteriuum von S. Satiro in Mailand,
welchen man gewöhnlich als ein Werk des Ambrogio
Foppa, gen. Caradosso, ansieht (Tat. 110, 111). Der-
selbe umzieht die Innenseite des Baues unterhalb der
Galerie und besteht an jeder der acht Seiten aus einem
Medaillonkopf, welcher von spielenden Putten ein-
gefasst ist. Der grossartige Ausdruck dieser ab-
‘wechselnd jugendlichen und älteren Männerköpfe,
welche aufblickend dem Lichte der Kuppel zuge-
wendet sind, erscheint als eine letzte Verdeutlichung
der Idee, welche der geniale Architekt in dem ganzen
Bauwerke offenbarte, indem er durch Schönheit
der Verhältnisse, Anmut der Bewegung und Reich-
tum des Details, welches immer dem Ganzen unter-
geordnet bleibt, auch in bescheidenen Verhältnissen
den Eindruck der Grösse und Monumentalität er-
zielte. Wie fein ist zu der Ruhe und Kraft der
Köpfe das Spiel und die Bewegung in den Putten
gestimmt! Aber auch sie behalten etwas statuarisches
(denken wir etwa im Vergleich an Donatellos Kanzel-
reliefs) und unterbrechen nicht den Gesamteindruck
der Architektur. Sehr charakteristisch ist es, dass
wir durch die Standmotive einzelner Putten direkt an
Bramantes Kriegergestalten, sowie den Argus er-
innert werden, wodurch ein eigentümlicher Wider-
spruch zwischen den Formen des Kindes und der
ihm zugemuteten Einfachheit und Strenge der Be-
wegung entsteht. Auch dass wir bisweilen kleine
Verschiebungen der Gesichtsteile oder sonstige Un-
korrektheiten in den von grösster Kraft des Aus-
druckes erfüllten Köpfen finden, ist geeignet, die
Zuschreibung an einen genialen Künstler, der aber
nicht durchaus Bildhauer war, zu stützen. Doch
soll keineswegs in Abrede gestellt werden, dass
etwa die Ausführung der Putten geübten Gehilfen
überlassen war. Die Köpfe sind jedoch von
Bramante selbst modelliert. Nach seinem Ent-



neue, nach Beendigung unserer Arbeit veröffentlichte Forschungen:

wurfe sind jedenfalls auch die friesartig unterhalb
des Kuppelansatzes im Baptisterium angebrachten
Tritonen und Nereiden ausgeführt worden. Es sind
ireie Nachbildungen nach Mantegna, ganz in der
Art der Gruppen im Friese der Casa Silvestri.
Für die Ansicht, in den Medaillonköpfen eigen-
händige Werke Bramantes zu sehen, dürfen aber
folgende stilistische Momente geltend gemacht
werden: ein bärtiger Männertypus, mit niedriger,
von reichem, buschigen Haare fast bedeckter Stirne,
kräftig ansetzender und scharf vorspringender Nase,
sowie vortretendem Kinn, das ein kurzer Bart um-
giebt, kommt genau so, wie im Friese, auf den
Zeichnungen in Berlin und Kopenhagen vor. Auch
die andren Typen sind uns von. dem Friese der
Casa Silvestri her bekannt, die bartlosen Greise
mit stark vortretenden Kinn- und Backenknochen,
tiefliegenden, scharfblickenden Augen und straffen
Gesichtsmuskeln, sowie die von überreichem Locken-
haar umfluteten Jünglinge. Auch sonst konnten wir

die eigentümliche Behandlung des Haares und
die angespannten Halsmuskeln bemerken. Sie
finden sich hier, wie in den Malereien. Für
letztere war aber das Streben nach grösst-

möglicher Herausbildung der plastischen Form uns
schon als durchgehend charakteristisch entgegen-
getreten, und es dürfte daher nicht ferne liegen,
sich einen solchen Künstler auch ‚als Schöpfer
plastischer Werke zu denken, besonders wenn man
sich der Universalität der grossen Genies jener
Zeit erinnert.!)

‚Nur eine Arbeit vermag ich anzuführen,
welche mir von demselben Künstler wie der
Fries. gefertigt zu sein scheint. Es ist ein Thon-
reliet im kgl. Museum zu Berlin Nr. 54 B, dar-
stellend die Madonna mit dem Kinde in Halbfigur





ı) Einen Hinweis, dass Bramante der Bildhauerkunst nicht ferne
stand, giebt uns ein Brief des Lodovico Moro an Stefano Taverna in
Florenz, geschrieben anlässlich von Bramantes Verschwinden von Mailand
i. J. 1493 am 11. Dezember (publiziert mit anderen von Fr. Malaguzzi-
Valeri, Repertorium für Kunstwissenschaft XXV. 1902, pag. 54). Dort
heisst es: ,,.... als ein Mann, der. sich ebenso mit Malerei wie mit der
Architektur beschäftigt, könnte er (Bramante) sich, dorthin (nach Florenz)
gekommen, hei Perugino oder einem anderen in Malerei oder Skulptur
berühmten Künstler aufhalten“.

*) Als Ergänzung zu unseren, auf der Stilkritik basierenden Studien sind für die Beurteilung Bramantes als Maler von Wichtigkeit zwei

Corrado Ricci: Gli affreschi di Bramante nella R. Pinacoteca di Brera, Milano 1902,
Luca Beltrami: La sala dei Maestri d’arme nella casa dei Panigarola in S. Bernardino (ora via Lanzone) dipinta da Bramante.
Beltrami weist nach, dass Bramante in demselben Saale der casa Prinetti, aus dem man sie vor wenigen Monaten in die Brera übertrug,

seine überlebensgrossen Gestalten auch gemalt hat.
bringt mit ihnen die anderen erhaltenen Malereien in Beziehung.

Ricci stellt alle überlieferten, litterarischen Notizen über Bramantes Fresken zusammen und

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