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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 4
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Wiener Kunst. Die Todesfälle des Jahres 1901
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— 134 —

mir gütigst Herr Stadtbaumeister Carl Holzmann
in Wien mitteilt.

Oberbaurat Julian Niedzielski, ein geborener
Galizier aus Sryzow, starb in Wien am 19. oder
20. Oktober. Sein bekanntestes Werk sind die Colon-
naden in Marienbad. Die Restaurierung der Wiener
Schottenkirche, die Niedzielski durchgeführt hat, lässt
sich in verschiedenem Sinne beurteilen. Viele meinen,
dass dabei das vorhandene Alte viel zu wenig beachtet
und zu viel Neues beigefügt wurde. Niedzielski hat
nicht einmal das 52. Lebensjahr erreicht.

Noch sind einige. Personen zu nennen, die
entweder als Schriftsteller und Gelehrte, oder in
technischen Dingen mit den bildenden Künsten in
Verbindung gestanden haben. Da ist der Verlust
Ottomar v. Volkmer’s zu betrauern. Volkmer
war auf verschiedenen technischen Gebieten thätig,
als Chemiker, ferner im Geschützwesen und was
uns diesmal am meisten angeht im Fache der
photochemischen Bilddrucke. So kommt es, dass
Volkmer nicht nur in seiner militärischen Laufbahn
Erfolg hatte, er brachte es bis zum Oberstlieutenant,
sondern dass er auch im Militärgeographischen
Institut und später in der k. k. Hof- und Staats-
druckerei wichtige Stellungen einnahm. Seit 1892
war Volkmer Hofrat und Direktor der genannten
Staatsanstalt. Volkmer wusste sein reiches Wissen
auch geschickt in Worte zu bringen, und ich er-
freute mich lange der Anregung, die ich einmal
bei einem Vortrage Volkmer’s über moderne
Reproduktionstechnik empfangen hatte. Ueber den
Lebensgang des kenntnisreichen Mannes ist manches
geschrieben worden. Volkmer ist am 7. Mai 1839
zu Linz geboren. (vergl. „Wiener Abendpost“ vom
31. Januar 1901.) Ein wohlgetroffenes Bildnis besitzt
man in der Photographie von Scolik in Wien.
Volkmer war, als er eines plötzlichen Todes starb,
nicht mehr jung aber trotzdem noch geistig sehr
rege und leistungsfähig. Als Greis, der noch bis
in seine letzte Zeit an den Wiener Kunstangelegen-
heiten Anteil nahm, verschied eine andere Persön-
lichkeit, die vor Jahren für das Wiener Kunstleben
von Bedeutung war durch emsige Thätigkeit im
Unterrichtsministerium, bei der Zentralkommission
für Erhaltung und Erforschung der Kunst- und
historischen Denkmale und besonders im Wiener
Altertumsvereine. Ich meine Karl Lind, dessen
beste Lebenszeit in die 50er bis 70er Jahre des
19. Jahrhunderts fällt. Er war 1831 zu Wien in
der Vorstadt Rossau geboren. Nach den üblichen
Vorstudien besuchte er seit dem Herbst 1849 die
Wiener Universität als Hörer der Rechte. Von der
Mitte Dezember 1855 bis Ende 1860 übte er die
Advokaturspraxis in der Kanzlei des Dr. Cajetan
Felder in Wien. Im Dezember 1857 wurde er in
Graz zum Doctor juris promoviert. Schon damals
stand er aber kunstgeschichtlichen Studien sehr
nahe und 1857 bis 1862 sowie von 1863 bis an’s
Lebensende war Lind Geschäftsleiter des Wiener
Altertumsvereins. Die Ausstellung mittelalterlicher
Kunstwerke, die jener Verein 1860 veranstaltete,
verdankte ihr Gelingen nicht zum kleinsten Teil der
Thätigkeit des jungen Doktors Lind. 1861 trat er in
das damals neu errichtete Ministerium für Handel

und Volkswirtschaft ein. Im Herbst 1867 zog man
ihn zur Redaktion der Mitteilungen der Zentral-
kommission für Kunst und historische Denkmale
heran, zu einer Behörde, deren Mitgliedschaft ihm
1881 erteilt wurde. 1882 trat Lind vom Handels-
ministerium zum Unterrichtsministerium über, wo er
zunächst als Sektionsrat, später als Ministerialrat
amtlich thätig war.!) Was seine wissenschafltlichen
Leistungen betrifit, so können als die Hauptgebiete
seiner Thätigkeit christliche Kunstarchaeologie und
Kunsttopographie bezeichnet werden. Eine Arbeit
über den Krummstab, 1863 erschienen, kann für ihre
Zeit als tüchtige Leistung gelten. Eine lange Reihe
von anderen meist sehr inhaltsreichen Arbeiten
beschäftigte sich mit Kirchen, Grabmälern, Toten-
schildern, Glasmalereien in österreichischen Landen.
Für die kunstgeschichtliche Abteilung der Wiener
Weltausstellung von 1873 hat Lind in dankenswerter
Weise gewirkt, wie er denn auch über die ausge-
stellten Kunstgegenstände in zusammenfassender
Weise berichtet hat (in den Mitteilungen der oben
erwähnten Zentralkommission von 1873. Diese
Arbeit ist auch als Sonderabdruck erschienen.). Den .
Alternden verliessen später freilich die Kräfte, so
dass er sich von seiner Stellung als Hofrat im
Unterrichtsministerium in den Ruhestand zurückzog
(1897) und nur mehr mit Mühe die Redaktion der
Berichte und Mitteilungen des Wiener Altertums-
vereins und der Mitteilungen der genannten Zentral-
kommission besorgen konnte.

Hochbetagt ist am 24. Mai 1901 Fräulein
Therese Mirani gestorben, die im Fache der
Kunststickerei einen ungewöhnlich weit reichenden
Ruf genoss, Leiterin der K. K. Fachschule für
Kunststickerei gewesen war und in anregender
Weise über ıhr Fach zu schreiben und sprechen
wusste. Therese Mirani war zu Prag 1824 geboren.

Soll auch auf bemerkenswerte Sammler ein-
gegangen werden, und warum das nicht, so wird
zunächst ein Nachtrag zum Nekrolog für 1900 zu
zu liefern sein. Am 20. November 1900 ist Joseph
RittervonLippmann-Lissingen verstorben,
der sich eines überaus wertvollen Kunstbesitzes zu
erfreuen hatte. Lippmann hat lange gesammelt.
Seine Galerie war zu Anfang der 70er Jahre eine
der bekanntesten in Wien, wurde aber in der Folge
versteigert u. zwar in Paris. Dann sammelte Lipp-
mann abermals Bilder, und das Aufstöbern und
Ankaufen bedeutender kunstgewerblicher Gegen-
stände wurde fortgesetzt. Wie die Leser der Monats-
berichte wissen, ist die Sammlung kunstgewerb-
licher Stücke aus dem Nachlasse Lippmann’s vor
einiger Zeit durch Hugo Helbing versteigert worden.
Die Gemälde blieben im Besitz der Familie zurück.

Im Laufe des Jahres 1901 hat Wien mehrere
Sammlungsbesitzer von Bedeutung verloren. So
ist der greise Domkapellmeister Gottfried
v. Preyer am 9. Mai 1901 verschieden. Mit
wechselndem jedoch meist günstigem Glück hat
Preyer im Laufe von nahezu einem halben Jahr-
hundert eine bedeutende Gemäldesammlung zu-

1) Die meisten dieser Angaben werden den gütigen brieflichen Mit-
teilungen des Herrn Rechnungsrevidenten im Ministerium des Inneren
Anton Lind entnommen,
 
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