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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0068
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Monatshefte für Kunstwissenschaft

so hoch hinaufspannt, auch die Komposition
nicht so sehr beherrscht wie der obere Teil der
Aleninas." Das Gefühl der Unbefriedigung, das
der feinsinnige Maler nicht verwinden kann,
spricht deutlich aus diesen Zeilen. Aber der
Vergleich tut dem Bilde ein Unrecht. Denn die
künstlerische Absicht ist eine durchaus ver-
schiedene. Nicht an das Porträtwerk, sondern
an die noch streng in barockem Sinne kom-
ponierten Mythologien der Spätzeit des Meisters
hat man zu denken.
Auch hier ist allerdings eine Korrektur vor-
zunehmen. Das Bild des Merkur und Argus ist
an allen vier Seiten angestückt und im ur-
sprünglichen Bestände weit massiger, barocker
in enger Fassung durch rahmende Linien. Die
ursprünglichen Bildgrenzen verlaufen überall
dicht um die Figuren, rechts und links je ein
Stück des Armes noch überschneidend. Man
vergleiche, wie auch der Mars fest in der Fläche
sitzt, wie sein Knie den Rahmen berührt, wie
kurz über dem Helm die Bildgrenze verläuft,
oder wie selbst in der flüssig und leicht be-
wegten Venus der Fuß zur Linken, der Ellbogen
zur Rechten vom Rahmen noch überschnitten
wird, wie auch der Engel mit Kopf und Flügel
knapper gefaßt ist.
Obwohl die Schmiede des Vulkan lockerer
komponiert ist als die späten Mythologien, die
in der Schwere der Figuren sich eher wieder
den Trinkern nähern, wird man sich doch auch
hier leicht davon überzeugen, daß zur Linken
und Rechten je ein Streifen nachträglich hinzu-
gefügt ist. Die ursprüngliche Bildgrenze ver-
läuft links durch den wehenden, gelben Gewand-
zipfel des Apoll, rechts hart an der Ferse des
letzten der Schmiede. So erst bekommt das
Bild Haltung und Festigkeit, die Menschen
stehen, während zuvor, namentlich beim Apoll,
das Gefühl unsicheren Schwankens aufkam.
Und niemals sonst stehen Velasquez' Figuren
so locker innerhalb der Rahmenlinien, immer
faßt er sie fest mit Überschneidungen — von
den Borrachos zum blutigen Rock, dem Christus
an der Säule, der Übergabe von Breda mag
man vergleichen, was man will. Das kurz ge-
öffnete zur Linken, wo Apoll eintritt, das ganz
geschlossene zur Rechten entspricht dem Sinn
des Bildes so gut wie den Gewohnheiten des
Meisters. Zudem stimmen die Maße der
Schmiede in dieser Form genau mit denen des
blutigen Rockes überein, was vielleicht kein
Zufall ist.
Die Beispiele für nachträgliche Vergrößerung
von Bildern des Velasquez lassen sich noch
vermehren. Am bekanntesten in dieser Hin-

sicht ist der Philipp zu Pferde. Die ursprüng-
liche Bildform ist in der verkleinerten Wieder-
holung im Palazzo Pitti gegeben. Nimmt man
dem Original im Prado die breiten Streifen,
die beiderseits angesetzt sind, so stimmen die
Maße zu denen des Olivarezbildes. Und so
erst bekommt das Bild Haltung. Die Figur
schwimmt nicht mehr in der Fläche, sondern
sitzt fest im Rahmen, die Bewegung des Pfer-
des gewinnt Spannkraft, erst in der knappen
Fassung kommt das Emporsteigen zur Wirkung.
Offenbar erst nachträglich wurde aus dem Por-
trät ein Pendant zum Bilde der Isabella. Auch
die Reiterbildnisse Philipps III. und seiner Ge-
mahlin waren auf das gleiche Format gebracht,
und alle vier dienten nun gemeinsam dem
Schmucke eines Raumes, des Salon der König-
reiche im Buen Retiro.
Auch dem Bildnis der Infantin Margarete
mag bei ähnlicher Gelegenheit jederseits ein
handbreites Stück angefügt worden sein, wieder
nicht zum Vorteil des Eindrucks. Der Reifrock
wirkt unförmig wie auf keinem Bilde sonst,
und man kann beobachten, daß Velasquez außer
im ausgesprochenen Kinderbildnis immer den
Rock vom Rahmen überschnitten gibt, niemals
die Figur so haltlos in die Breite gehen läßt
wie hier.
Es kann kein Zweifel sein, daß die Ver-
breiterung des Reiterporträts des Königs noch
unter Velasquez' Augen oder von ihm selbst
vorgenommen wurde. Daß aber damit einem
sich einstellenden Bedürfnis nach „größerer Ell-
bogenfreiheit" genügt worden sei, wie Steven-
son annimmt (Gensel übernimmt das Wort),
will nicht einleuchten. Sicher bedingten rein
äußere Motive eine Vergrößerung, die gleichwie
die Erweiterung des ursprünglich im Halbrund
geschlossenen Bildes der zwei Einsiedler zum
Rechteck dem abgeschlossenen Werke nicht ein
Neues hinzufügt, sondern der Erscheinung nur
Schaden tut.
Schwieriger ist in den anderen angeführten
Fällen ein Urteil darüber zu gewinnen, wann
und von wem die Erweiterungen vorgenommen
wurden. Das Verhältnis des Velasquez zu
seinen Werken ist ja ein ganz besonderes da-
durch, daß er, als Verwalter des königlichen
Kunstbesitzes, auch die eigenen Werke immer
unter den Augen behielt. So ist die Möglich-
keit, daß nachträgliche Änderungen von ihm
selbst stammen, gewiß besonders naheliegend.
Aus welchen Motiven solche vorgenommen
wurden, ist allerdings eine weitere Frage.
Handelt es sich um spätere Erweiterungen eines
ursprünglichen Planes, wie in dem Prachtbei-
 
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