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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Bode, Wilhelm von: Ein Blick in Donatellos Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0012
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Monatshefte für Kunstwissenschaft

seiner Beteiligung an solchen Bildwerken Schlüsse ziehen können. Arbeiten in Ton
waren in Florenz gerade im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts aufgekommen und
waren populär geworden, seit ihnen Luca della Robbia durch seine Glasur noch be-
sonderen Reiz und Dauerhaftigkeit zu verleihen wußte. Auch Donatello hat sich des
Tons mit Vorliebe bedient; das zeigt der plastische Schmuck der Sakristei von S. Lorenzo,1)
das beweisen auch verschiedene Büsten und eine Anzahl großer, in derselben Zeit
entstandener Madonnenreliefs, die zum Teil noch ihre prächtige alte Bemalung und Ver-
goldung besitzen. So die Madonna vor dem Vorhang im Louvre, die Madonna mit
dem Kind unter dem Arm im Kaiser Friedrich-Museum und die bronzierte Maria in
Anbetung des Kindes auf dem Stuhl im Victoria- und Albert-Museum; zu ihnen gehört
auch die bronzene Madonna von Fontainebleau im Louvre, zumal wenn — wie die
Direktoren dieser Sammlung annehmen — der Bronzeguß zur Zeit Franz I. über das
Tonoriginal Donatellos ausgeführt worden ist. In diesen Reliefs verrät nicht nur die
Erfindung den Meister, auch die Modellierung bis in alles Detail hinein ist eine so
meisterhafte, das Verständnis und die Empfindung eine so große, daß nur Donatello
selbst sie ausgeführt haben kann. Ähnliche Vorzüge lassen einzelne frühere Madonnen-
reliefs der Maria mit dem Kinde: die Madonna Pazzi im Kaiser Friedrich-Museum und
die Madonna mit Engeln auf Wolken bei Mr. Quincy A. Shaw in Boston, als eigen-
händige Arbeiten erkennen. Andere Madonnenreliefs in Stuck oder carta pesta, ge-
legentlich auch in Ton (dann aber aus der Form ausgedrückt) lassen das gleiche an-
nehmen für das Original, von dem die Abdrücke genommen sind; so das kleine Relief
der Maria, die das Kind vor sich hält, hinter der Rampe (im Kaiser Friedrich-Museum),
das öfter vorkommende große Relief der Maria, die das Kind an sich drückt, und die
thronende Madonna mit Heiligen und Engeln (im Victoria- und Albert-Museum und
— mit Variationen — im Besitz von Dr. W. Weisbach in Berlin).
Bei solchen Werken werden wir jetzt, wo wir den Charaker Donatellos auch
in seinen Madonnendarstellungen hinlänglich kennen, nicht mehr zweifelhaft sein, daß
wir den Meister selbst, sei es im Original, sei es in der unmittelbaren Nachbildungen
danach vor uns haben. Bei mandien anderen Arbeiten, namentlich gerade Madonnen-
reliefs, die auf den ersten Blick die Erfindung Donatellos verraten, werden wir aber durch
Schwächen in der Ausführung, Ungeschicklichkeiten in der Komposition, in Zeichnung
oder Modellierung zweifelhaft sein, wie weit der Meister selbst dabei beteiligt ist: ob
ein Modell oder eine Skizze Donatellos von einem Werkstattsgenossen ausgeführt, ob
das Stück nach einer Komposition des Meisters von einem Schüler oder Nachahmer
mehr oder weniger frei nachgebildet oder ob es freie Erfindung eines solchen sei.
Die Entscheidung darüber ist bisher meist ziemlich willkürlich danach getroffen, wie
diesem oder jenem Kritiker das betreffende Stück gefallen hat. Wir haben aber ge-
nügenden Anhalt, um diese Fragen mit großer Wahrscheinlichkeit bei den meisten
solchen Werken beantworten zu können.

9 Regelmäßig werden hier die Kuppelreliefs als Stuckarbeiten angegeben; sie machen
mir aber, soweit sich von unten entscheiden läßt, den Eindruck, als ob sie vielmehr in Ton
ausgeführt seien.
 
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