Ein Blick in Donatellos Werkstatt
Von Wilhelm Bode
Von wenigen Künstlern sind so viele Urkunden über ihre Werke erhalten wie
über die Arbeiten Donatellos; auch haben diese den Vorteil, nicht selten besonders aus-
führlich zu sein. Aber bei der Beurteilung von Donatellos Werken wirkt der Umstand
erschwerend, daß der Künstler schon von früher Zeit an vielfach mit Schülern und
Genossen zusammenarbeitete, deren Anteil an der Arbeit kein geringer gewesen sein
kann, da sie in den Urkunden meist ausdrücklich mitgenannt werden. Da aber selten
gesagt wird, welcher Teil dem einem und welcher dem anderen dabei zufiel, so hat dieser
Umstand eher zur Trübung als zur Klärung der Kenntnis von Donatellos eigenster Kunst
beigetragen. Man hat in den zahlreichen Arbeiten, die er mit Michelozzo zusammen
ausführte, den Anteil dieses Meisters sehr überschätzt und hat bei seinen Paduaner
Bronzen den Gehilfen nicht nur einen Hauptanteil zugesprochen, sondern gar ihren
rückwirkenden Einfluß auf den Meister darin erkennen wollen. Es ist gewiß eine not-
wendige Aufgabe der Kunstforschung, bei solchen gemeinsamen Arbeiten die Hände
der verschiedenen Künstler herauszusuchen, aber lohnend wird sie erst dann werden,
wenn eine genügende Zahl eigenhändiger Arbeiten dieser Künstler festgestellt ist, aus
denen ihre Eigenart sich klar ergibt. Dies ist aber bisher nur bei wenigen der Fall.
So kennen wir die jungen Bildhauer, die unter Donatello an den Bronzen des Hoch-
alters in Santo arbeiteten, meist noch zu wenig, um den Anteil, den sie daran, nament-
lich an den spielenden Engeln und den Evangelistensymbolen haben, mit einiger
Sicherheit zu bestimmen. Und selbst wenn diese Aufgabe glücklich gelöst ist, bleibt
eine zweite Frage noch zu entscheiden: welcher Anteil gebührt dann dem Meister?
hat er den Gehilfen die Arbeit einfach überlassen, und seinen Lohn nur für die Auf-
sicht eingestrichen? oder hat er mitgearbeitet? und in welcher Weise haben wir uns
dann diese Mitarbeit zu denken?
Solche Fragen ergeben sich uns nicht nur bei Arbeiten wie jenen Bronzen des
Santo, den Marmorreliefs der Außenkanzel am Dom in Prato, den Bronzereliefs der
Kanzeln in S. Lorenzo, den Statuen des Campanile, den Marmorreliefs im Hof des
Palazzo Medici u. a. m., die uns als dem Meister in Auftrag gegeben bezeugt sind:
sie treten uns namentlich auch bei den zahlreichen Bildwerken entgegen, die wir nur
nach ihrem Stilcharakter dem Donatello zuschreiben. Hier haben wir nach der Frage,
ob Donatello der Urheber ist, noch zu entscheiden, ob ihm auch die Ausführung zuge-
wiesen werden kann, oder ob diese nach seinem Modell oder nur nach einer kleinen
Skizze von Werkstattsgenossen gemacht worden ist, oder ob gar nur die Nachbildung
eines dritten Künstlers nach einer Komposition des Meisters darin vorliegt.
Zur Entscheidung dieser fast bei jedem Stück wieder eigenartigen, oft kompli-
zierte Schwierigkeiten bietenden Fragen sind wir zum Glück nicht allein auf stilkritische
Momente angewiesen: wir besitzen eine Anzahl von Tonmodellen wie von kleinen
Skizzen, welche deutlich die Hand des Meisters verraten, und aus denen wir auf die Art
Von Wilhelm Bode
Von wenigen Künstlern sind so viele Urkunden über ihre Werke erhalten wie
über die Arbeiten Donatellos; auch haben diese den Vorteil, nicht selten besonders aus-
führlich zu sein. Aber bei der Beurteilung von Donatellos Werken wirkt der Umstand
erschwerend, daß der Künstler schon von früher Zeit an vielfach mit Schülern und
Genossen zusammenarbeitete, deren Anteil an der Arbeit kein geringer gewesen sein
kann, da sie in den Urkunden meist ausdrücklich mitgenannt werden. Da aber selten
gesagt wird, welcher Teil dem einem und welcher dem anderen dabei zufiel, so hat dieser
Umstand eher zur Trübung als zur Klärung der Kenntnis von Donatellos eigenster Kunst
beigetragen. Man hat in den zahlreichen Arbeiten, die er mit Michelozzo zusammen
ausführte, den Anteil dieses Meisters sehr überschätzt und hat bei seinen Paduaner
Bronzen den Gehilfen nicht nur einen Hauptanteil zugesprochen, sondern gar ihren
rückwirkenden Einfluß auf den Meister darin erkennen wollen. Es ist gewiß eine not-
wendige Aufgabe der Kunstforschung, bei solchen gemeinsamen Arbeiten die Hände
der verschiedenen Künstler herauszusuchen, aber lohnend wird sie erst dann werden,
wenn eine genügende Zahl eigenhändiger Arbeiten dieser Künstler festgestellt ist, aus
denen ihre Eigenart sich klar ergibt. Dies ist aber bisher nur bei wenigen der Fall.
So kennen wir die jungen Bildhauer, die unter Donatello an den Bronzen des Hoch-
alters in Santo arbeiteten, meist noch zu wenig, um den Anteil, den sie daran, nament-
lich an den spielenden Engeln und den Evangelistensymbolen haben, mit einiger
Sicherheit zu bestimmen. Und selbst wenn diese Aufgabe glücklich gelöst ist, bleibt
eine zweite Frage noch zu entscheiden: welcher Anteil gebührt dann dem Meister?
hat er den Gehilfen die Arbeit einfach überlassen, und seinen Lohn nur für die Auf-
sicht eingestrichen? oder hat er mitgearbeitet? und in welcher Weise haben wir uns
dann diese Mitarbeit zu denken?
Solche Fragen ergeben sich uns nicht nur bei Arbeiten wie jenen Bronzen des
Santo, den Marmorreliefs der Außenkanzel am Dom in Prato, den Bronzereliefs der
Kanzeln in S. Lorenzo, den Statuen des Campanile, den Marmorreliefs im Hof des
Palazzo Medici u. a. m., die uns als dem Meister in Auftrag gegeben bezeugt sind:
sie treten uns namentlich auch bei den zahlreichen Bildwerken entgegen, die wir nur
nach ihrem Stilcharakter dem Donatello zuschreiben. Hier haben wir nach der Frage,
ob Donatello der Urheber ist, noch zu entscheiden, ob ihm auch die Ausführung zuge-
wiesen werden kann, oder ob diese nach seinem Modell oder nur nach einer kleinen
Skizze von Werkstattsgenossen gemacht worden ist, oder ob gar nur die Nachbildung
eines dritten Künstlers nach einer Komposition des Meisters darin vorliegt.
Zur Entscheidung dieser fast bei jedem Stück wieder eigenartigen, oft kompli-
zierte Schwierigkeiten bietenden Fragen sind wir zum Glück nicht allein auf stilkritische
Momente angewiesen: wir besitzen eine Anzahl von Tonmodellen wie von kleinen
Skizzen, welche deutlich die Hand des Meisters verraten, und aus denen wir auf die Art