CLUNY: Gesamtansicht
Kupferstich des XVIII. Jahrhunderts
Burgunder Kirchen
(CLUNY, AUTUN, PONTIGNY)
Von Artur Weese-Bern
In Burgund wächst auf den Hängen der Cöte d'or der feurigste Wein, der
König der Weine, wie die Bourguignonen mit Stolz sagen. Nirgendwo zwischen
Frankreich und Deutschland ist auch das seelisdie Feuer und der zündende Gedanke
zu solchen Gluten erhitzt worden, wie in Burgund. Denn die nationale Leidensdiaft
der gallischen Volkskrieger gegen die Römer unter Vercingetorix, in mittelalterlichen
Zeiten die Idee der Weltflucht und Askese, als Vorbote der Renaissance der eroberungs-
lustige Wille der autonomen Herzogsgewalt in Karl dem Kühnen, schließlich während
der großen Revolution die Idee des neuen Menschentums — all diese feurigen Ge-
danken haben ihre radikalste Form und wildeste Kraft aus dem Boden von Burgund
gesogen. In dieser bewußten Ausbildung der Eigenart kennzeichnet sich die Gewalt-
samkeit des Temperamentes und die Unerschrockenheit des Willens, die in Grenzländern
häufig sind. Liegt doch gerade darin schon ein Teil der Abwehr, die sich gegen das
Fremde und Andersgeartete jenseits der Marken kehrt, selbst wenn kein Angriff oder
Kampf gewollt wird.
Die Kunstgeschichte von Burgund weist ähnliche Züge auf. Ihr Verlauf ist be-
stimmt von einem zähen und tiefverwurzelten Lebenswillen, der in verschiedenen Zeit-
läuften einen immer neuen Lebensinhalt ergreift und die Ziele dort sucht, wo die Ge-
samtkultur ihre Ideale aufgestellt hat. Aber der burgundische Charakter erfaßt sie mit