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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Habich, Georg: Ein Burgkmairbildnis von Hans Holbein d. A.
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0019

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Ein Burgkmairbildnis von Hans Holbein d. A.
Von Georg Habich (München)
Wie Hans Burgkmair aussah, darüber haben uns Hans Schwarz und Albrecht
Dürer unterrichtet, am getreuesten aber der Meister selbst. Ein feinknochiger, gut um-
rissener Schädel, vergeistigte, ermüdete Züge, ein kluger, beseelter, aber etwas matter
Blick: man vergißt ihn nicht leicht, diesen zart organisierten Kopf, der freilich eher
einem dünnblütigen Stubengelehrten als einem schaffenden Künstler anzugehören scheint.
Was wir an Bildnissen und Selbstbildnissen von Burgkmair besitzen, hat zuletzt Dörn-
höffer in der Festschrift für Wickhoff (Taf. III) zusammengestellt und dabei das be-
kannte Material um eine — früher bald auf Jakob Fugger, bald auf Dürers Bruder
Hans getaufte — Zeichnung von Albrecht Dürer in Oxford vermehrt. Wir besitzen
also sichere Porträts Burgkmairs aus den Jahren 1517 (Selbstporträt in Kreidezeichnung,
Hamburg), 1518 (Dürers Zeichnung in Oxford, Lippmann Nr. 396), 1518 bzw. 1519
(Medaille von Hans Schwarz, Berlin, Wien und München), und 1529 (Selbstbildnis
mit der Frau, Wien, Gemäldegalerie). Die Schwarzsche Medaille kommt in sehr un-
gleichwertigen Exemplaren mit der Jahreszahl 1518 wie auch 1519 vor. Das Wiener
Bronzestück, welches Dörnhöffer zitiert, hat durch ungeschickte spätere Überarbeitung
gerade im Physiognomischen alle Feinheit eingebüßt. Von der ursprünglichen Lebendig-
keit des Umrisses und der Modellierung gibt das Münchener Exemplar, ein altes
Blei mit Spuren des schwarzen Firnislacks (Abb. 2), eine ungleich bessere Vorstellung.
Zu diesen Meisterbildnissen gesellt sich ein neues; bemerkenswert nicht nur um
dessentwillen, den es vorstellt, sondern weil es von einem der größten Porträtisten
aller Zeiten herrührt, von Hans Holbein dem Älteren. Es findet sich auf einem der
beiden Altarflügel im Rudolphinum, die mit Holbeins vollem Namen bezeichnet sind
und auf der Innenseite als Hauptdarstellungen den Tod der Maria und die Legende
der heiligen Ottilie enthalten. Während jene keiner Erklärung bedarf, zeigt diese neben
der Hauptfigur der heiligen Äbtissin eine Episode, die bisher jeder Deutung spottete.
Ein Mann in bürgerlicher Tracht und eine Frauengestalt von mädchenhaft jugendlicher
Erscheinung halten gemeinsam über einem Paar Schrägen ein Werkstück, das dem
Wellbaum eines Mühl- oder Brunnenrades gleicht. Allerlei Handwerkszeug, das am
Boden liegt, Winkelmaß, Maßstab, Axt, Richtschnur usw. deuten auf Zimmermanns-
arbeit. Der hagere, dünnbeinige Gesell im Vordergrund, offenbar der Zimmermeister,
trägt nun unverkennbar die Züge Burgkmairs. Die dünne, lange Nase, die überhohe
Stirn, das spitzige Kinn — alles wie auf dem Wiener Gemälde; der ungemein charak-
teristische, stark deformierte Mund mit den schmalen welken Lippen womöglich noch
schiefer gezogen als dort; auch der scharfe Zug von der Nasenwurzel zum Mundwinkel,
den die Medaille besonders betont, fehlt nicht, so wenig wie die schmalen, unter dem Joch-
bein tief eingesunkenen Wangen und der von Dürer so lebhaft hervorgehobene, stark ent-
wickelte Kinnbacken. Alles in allem nichts weniger als eine Zimmermannsphysiog-
nomie. Das Gegenteil von breitspuriger Kraftentfaltung, eine gewisse Gedrücktheit spricht
sich vielmehr in der ganzen, ein wenig schneiderhaft anmutenden Figur aus, und auch
 
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