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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 1/2
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Studien und Forschungen
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0073

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Studien und Forschungen

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statue mit erhaltenem Kopf, von dem nur die
hintere Hälfte fehlt, und der Torso eines sitzen-
den Herakles. Für die römische Zeit war nament-
lich das Haus des Attalos ergiebig, dessen
Peristyl eine Anzahl jener dekorativen Skulp-
turen barg, wie wir sie nach Qualität und Ver-
wendung aus den Häusern Pompejis, besonders
anschaulich dem der Vettier kennen. Der Unter-

teil einer Poseidonstatue mit hochaufgestütztem
Bein mag als Vertreter eines bekannten statuari-
schen Motivs besonders genannt sein. — Von
Terrakotten und Tongefäßen wurden wie ge-
wöhnlich zahlreiche Fragmente gefunden, die
sich zu den bekannten Typen gesellen, ohne
deren Kreis zu erweitern.
Herrmann.

^^ RUNDSCHAU ^^

BERLIN =
Die Ausstellung älterer englischer Kunst1) in
der Königlichen Akademie (26. Jan. bis 23. Febr.,
darf zweifellos als die bedeutendste Veranstal-
tung des letzten Winters angesprochen werden.
Wichtig ist für den Kunsthistoriker vor allem
die durch sie dargebotene Möglichkeit, den
Meisterwerken einer in sich geschlossenen
Kunstepoche einmal auf kurze Zeit gegenüber-
treten und damit unser Verhältnis zu jener
einer bedeutsamen Revision unterziehen zu
können. Das Resultat dieser Prüfung wird ne-
gativ sein. Es führen von der Gegenwart aus
keine Beziehungen zu dieser aristokratischen
Kunst zurück, ja selbst der künstlerische Wert
jener englischen Bildnismalerei ist heute nicht
mehr absolut zu bejahen. Wohl waren jene
Reynolds, Gainsborough, Raeburn, Hoppner,
Romney, Lawrence Künsterpersönlichkeiten, die
ihrer Zeit den Stempel aufgedrückt haben, in-
des dieselbe Zeit hat ihre Arbeit Lügen ge-
straft. Darüber belehrt uns deutlich genug die
zeitgenössische Literatur jenes England, die
gar nichts von dieser holdseligen Pose, diesen
theatralisch zurechtgestuzten Allüren an sich
hat, die auf die Dauer unerträglich wirken und
unserem modernen Gefühl so fremd sind wie
das schmachtende Liebesspiel des Rokoko über-
haupt. So wird auch heute niemand mehr be-
haupten können, die Kunst jener Großmeister
Englands sei überhaupt das Produkt der Zeit-
kultur gewesen. Die Beziehungen zu van Dyck
auf der einen, zum französischen Rokoko auf
der anderen Seite sind zu augenfällig, um uns
über den Ursprung dieser Kunst im unklaren
zu lassen. Es läßt sich ernstlich kaum be-

, Ausführlicher wird Herr Prof. Jaro Springer in dem
nächsten Hefte dieser Zeitschrift auf die Ausstellung zu-
rückkommen. Die Red.

streiten, daß wir hier vor einem Epigonentum
künstlerischen Schaffens stehen, das von dem
Großvater van Dyck den malerisdien Fein-
geschmack, vom Vater Rokoko die spielende
Grazie auf sich vererbte — vom Eigenen aber
so gut wie gar nichts dazutat, es sei denn, daß
man die Vorliebe zum Dekorativen überhaupt
als eines der eigenen Merkmale dieser eng-
lischen Malerei ansprechen will. Man kann
vor diesen Bildern nicht vergessen, daß sie
Zeitgenossen eines Goya waren, und daß die
Kunstgeschichte vor jenem einen Velasquez und
Rembrandt gesehen. Einige wenige männliche
Bildnisse ausgenommen, zeige man unter diesen
mehr als hundert Werken ein einziges Porträt,
das uns den Eindruck eines lebendigen, von
Charakter und Willen erfüllten Individuums zu
vermitteln vermöchte. Es gibt keins, das nur
entfernt an den schlechtesten Goya heran-
reichen könnte. Menschen zu bilden war diese
Kunst zu schwach. Ihre Stärke liegt in dem
Geschick, Grazie und klassische Allüren fest-
zuhalten und alles das, was zum eigentlichen
Bildnis gar nicht hinzugehört, wie Kleider,
Shawls und Spitzen, mit höchster malerischer
Delikatesse wiederzugeben. Der Mensch aber
auf diesen Werken bleibt eine Puppe, die der
Arrangeur beliebig in diese oder jene Pose zu
verrücken weiß, die er geschickt in ein klassi-
sches oder landschaftliches Milieu hineinstellt,
zu dem ihr jede Beziehung fehlt. Diese Eng-
länder haben ihr Modell zurechtgerückt, wie es
heutigen Tages der Photograph mit seinem
„Bitte recht freundlich" tut, und in der Tat
haben sie alle, die Miß Farren, Mrs. Gallwey
und wie sie alle heißen, solcher Aufforderung
getreulich Folge geleistet. Selbst Gainsboroughs
berühmter „Blue Boy", der auch als Porträt
unter allen Werken dieses Meisters als das ge-
lungenste gelten darf, kann über die Statisten-

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