DIE VENTE CHERAMY.
II.
Die Resultate.
Die Sammlung Cheramy, über die wir in der
vorigen Nummer einen kurzen Überblick ge-
geben haben, ist am 5.—7. Mai bei Georges
Petit in Paris versteigert worden. Das war
eine Überraschung, da noch vor wenigen Wochen
niemand daran dachte, daß es dieser Sammlung
beschieden sein würde, den Höhepunkt der dies-
jährigen Saison des Hotel Drouot zu bilden.
Die Preise haben die Taxwerte häufig über-
schritten, doch machte sich am dritten Tage eine
gewisse Ermüdung geltend. Der Gesamtertrag
der 413 Nummern umfassenden Sammlung be-
trug 1 242287 fs. Unter den Käufern befanden
sich nur wenige Ausländer, da die Nachricht von
der bevorstehenden Versteigerung im Auslande
nicht genügend verbreitet worden war. So
haben wir bis jetzt nicht in Erfahrung bringen
können, daß nennenswerte Stücke den Weg
nach Deutschland genommen hätten.
Verschiedene Werke wurden für öffentliche
Sammlungen erworben. Das Louvre ist außer-
ordentlich zurückhaltend gewesen. Es ist einen
Augenblick die Rede davon gewesen, die Lola
Ximenez von Goya zu erwerben, doch wurde
davon Abstand genommen. Leider hat man
sich nicht entschließen können, einige der Skiz-
zen von Delacroix, wie den „Tobias" zu kaufen,
die Delacroix von einer für die Bestände des
Louvre ziemlich neuen Seite gezeigt hätten. Man
begnügte sich lediglich durch Herrn Leprieur
erwerben zu lassen: Nr. 287. Corot, nacktes
Mädchen, Zeichnung (21 : 18) für 360 fs. — 322.
Delacroix, zwei Skizzenblätter (Frau und
Araber) für 1200 fs. zu steigern, endlich erwarb
Herr Leprieur Nr. 306. Delacroix, Muse Hesiod
inspirierend (Zeichnung, 22 : 28) für 1000 fs.
Die Provinzmuseen haben einen regeren
Anteil an den Verkäufen genommen. Das Mu-
seum von Rouen, der Vaterstadt Gericaults, hat
in glücklicher Weise seine bisher sehr geringe
Sammlung von Werken dieses Künstlers er-
gänzt durch Nr. 56. Gericault, Offizier der
Kaiserlichen Garde, angreifend, Ölskizze (42 : 35):
19000 fs. (verlangt 12000, auf der vente Cou-
tant Hauguet 1889 mit 8000 fs. bezahlt). Sehr
rührig war das Museum von Lyon. Es hatte
das große Glück Nr. 53. Gericault, die Närrin
(70:56) für 7500 fs. zu erwerben (verlangt
5000 fs.) ferner: — 94. Prudhon, Triumph
Bonapartes (90 : 117) (früher Sammlung Viot und
Durand Ruel): 22000 fs. (verlangt 10000 fr.) —
376. Ingres, Skizze für das „goldene Zeit-
alter", von Ingres, Charles Blanc gewidmet.
(45 : 60) 2300 fs. (verlangt 600 fs.). Dies Werk
wurde gegen das Louvre erstritten. Den „Grafen
Palatiano", Nr. 159 (41 : 33) von Delacroix
mußte Lyon im Kampfe gegen Herrn Schoeller
aufgeben. Ferner erwarb das Museum von
Lyon: — 186. Delacroix, Mystische Hochzeit
d. hl. Katharina (Ölskizze, 27 : 28) 1000 fs. —
217. Manet nach Delacroix, die Dantebarke
(36:43) 2300 fs. (Taxe 1500). — 232. Ricard
nach Rembrandt, Die Stalmeesters (48: 63)
2600 fs. — 237. Tassaert, Ruhende Nymphe
(32 : 24) 1600 fs. Das Museum von Versailles
erwarb für seine historische Porträtgalerie Nr. 69.
Girodet~ Trioson, Porträt Chateaubriands
(125:90) 2200 fs. — Die Freunde des Museums
in Gent, endlich haben einen unglaublich guten
Griff getan mit Nr. 57. Gericault, Der Mörder,
(aus der Serie der Narren) (60: 48) 1050 fs. (ver-
langt 3000 fs.). (Dieses Bild, wie die nach Lyon
verkaufte Närrin, gehörten der Sammlung Charles
Jacque an).
Wir geben in folgendem zunächst einen
Überblick über die „pieces de resistance"
der Sammlung Cheramy, die einen charakteri-
stischen Überblick über die Preisbewegung geben.
Es war auch diesmal wieder zu beobachten,
daß, trotz der augenblicklichen gedrückten wirt-
schaftlichen Lage, alle Preise gegen frühere
Venten außerordentlich gestiegen sind. Nur bei
Ingres ist ein Zurückgehen zu beobachten, das
jedoch kaum eine symptomatische Bedeutung
haben dürfte.
Die Preise für die alten Italiener waren
überraschend hoch: 105. Werkstatt Leonardos,
Die Jungfrau in der Felsgrotte (154: 125) (früher
Sammlung des Marquis de Pastoret, der es auf
den Rat Ingres erworben hatte, dann Samm-
lung Plessis-Belliere, wo es 1897 für 6300 fs.