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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 5
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Schmarsow, August: Über die karolingischen Wandmalereien zu Münster in Graubünden
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0395

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Über die karolingisdien Wandmalereien zu Münster
in Graubünden
Von August Schmarsow
Die Veröffentlichung von Josef Zemp und Robert Dürrer „Das Kloster S. Johann
zu Münster in Graubünden", deren erste Lieferung bis jetzt erschienen ist (Genf 1906),
bringt der kunstgeschichtlichen Forschung reichen Zuwachs. Ganz besondere Beachtung
verdient der Einblick in die karolingische Wandmalerei, der sich hier unmittelbar, wie
an keiner anderen Stätte sonst, bietet. Gerade diese nun wirklich karolingischen Reste
monumentaler Ausschmückung eines Kirchenraumes ermöglichen eine Unterscheidung
durchgreifender Art, und erfordern sie um so dringender, als sie für eine lange Zeit
vorangegangener wie nachfolgender Kunstübung entscheidenden Wert behaupten darf.
Ein glücklicher Zufall hat mich nach Münster in Graubünden geführt, als der
Entdecker, Professor Zemp von Zürich, am Orte seiner langjährigen aufopfernden Tätig-
keit anwesend war. Sonst hätte ich die Fahrt über den Ofenpaß vergebens gemacht;
denn die Nonnen bedürfen der Erlaubnis ihres geistigen Obern und gewährten bisher
niemand Zutritt, so daß auch schweizerische Berichterstatter, die als Augenzeugen zu
schreiben schienen, garnicht innerhalb der Klausur gewesen sind, durch die der Zugang
führt. Um so mehr muß ich es als meine Pflicht betrachten, die Eindrücke zu
charakterisieren, die man doch nur vor den Originalen gewinnen kann, und für die
Gewissenhaftigkeit und Treue der Publikation Zeugnis abzulegen, die nur unter den
größten Schwierigkeiten möglich war, und unter diesen Hindernissen, wie unter den
Bedingungen handlichen Formates, doch soviel Einbuße erleiden mußte, daß der An-
blick der Werke selbst eine ganz unersetzliche Ergänzung bildet. Man muß auf einer
hohen Leiter aus der anstoßenden Kammer des Klosters durch die Rundbogenöffnung
eines ursprünglichen Fensters der alten Kirche in den dunklen Dachraum hineinklettern
und dort mit einer Blendlaterne auf dem vielbusigen Gewölbe, das nach 1499 ein-
gezogen ward, herumhocken, sozusagen zwischen Berg und Tal hin und her steigen,
um bald in der Nähe zuzuschauen, was noch erkennbar ist, bald aus weiterem Abstand
ein Bild als Ganzes auf sich wirken zu lassen. Die Zwickel zwischen diesen
Wölbungen und die schmalen Stücke über ihren Höhen ringsum an den Umfassungs-
mauern sind eben die stehengebliebenen Wandflächen, an denen die kostbaren Reste
von Malerei so dasitzen, wie zu jener Zeit, da die Umgestaltung der Kirche vor-
genommen ward. An der Ostwand ist dieses zerschnittene Stückwerk dadurch noch
verwirrender, daß eine obere Schicht, aus romanischer Zeit stammender Übermalung,
zum Teil die karolingische Arbeit verdeckt, die durch Abblättern des spätern Bewurfs
etwa zur Hälfte erst wieder zutage tritt. Und dennoch, was wir so erjagen, ist ein
überraschender Gewinn, der die Mühe vollauf belohnt.
Lernen wir so das Verdienst der Herausgeber würdigen, so erklären solche er-
schwerenden Umstände doch auch, weshalb eine genaue Kopie dieser Reste, die in
 
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