^^ LITERATURl^^l
Heinrich Röttinger: HansWechtlin. Jahr-
buch der kunsthistorischen Sammlungen des aller-
höchsten Kaiserhauses. Bd. XXVII, H. 1. Wien 1907.
Von Leben und Werken des Straßburger
Malers Hans Wechtlin ist uns nur wenig sicher
bezeugt. Ein Leben Jesu in Holzschnitten, das
1508 bei Knoblouch erschien, und die mit jo. V.
bezeichneten Helldunkelschnitte bilden das ein-
zige brauchbare Material, das als Grundlage
für die Erkenntnis des Stiles des Künstlers zu
gelten hat. Hierauf bauend hat Röttinger den
Versuch unternommen, auf Grund stilkritischer
Zuschreibungen ein Bild von der künstlerischen
Entwicklung Wechtlins zu entwerfen. Er läßt
den um 1460 in Straßburg geborenen Künstler
in den achtziger Jahren auf der Wanderschaft
in Ulm die bedeutenden Holzschnitte für die bei
Dinckmuth erschienenen Bücher, den Seelen-
wurzgarten (83), die schwäbische Chronik und
den Eunuchus des Terenz (86) entwerfen, 1487
in Nürnberg eintreffen, um hier ebenfalls eine
ausgedehnte Tätigkeit als Illustrator zu ent-
falten, deren hervorragendstes Denkmal die
Schnitte zu Kobergers Passionale von 1488
wären. Um 1490, vielleicht zusammen mit Dürer,
sei er nach Basel gegangen, Weisbadis Meister
der Bergmannschen Offizin sei kein anderer als
eben Wechtlin. 1498 findet Röttinger Wechtlin
wieder in Nürnberg, als Gesellen Dürers, „des
Meisters rechte Hand und wie ein Schatten
hinter ihm stehend". Nachdem Dürer seine
Werkstatt aufgelöst hat, um zum zweiten Male
nach Venedig zu ziehen, geht Wechtlin nach
Straßburg, dort entsteht die Passion für Knob-
louch. Schon 1506 mit Dürers Rückkehr aus
Venedig findet auch Wechtlin sich wieder in
Nürnberg ein, wo er nun bis zum Ableben
seines Vaters im Jahre 1514 verbleibt. Der aus
einer Priesterehe Entsprossene erwirbt jetzt erst
das Bürgerrecht und darum so spät erst die
Meisterschaft und das Meisterzeidien, mit dem
er die in seinen letzten Jahren entstandenen
Helldunkelsdinitte signierte.
Das ist in kurzen Zügen das Lebensbild
Wechtlins, das Röttinger gibt. Es war ein
schwieriges Unterfangen, auf der schmalen Basis
gesicherter Werke das stattliche Gebäude eines
so umfangreichen Lebenswerkes aufzurichten.
So bildet den eigentlichen Kern der Arbeit die
Zuweisung von Holzschnitten und Zeichnungen,
Gemälden und Kupferstichen, die auf Grund
einzelner Übereinstimmungen mit den gesicherten
und den im Verlaufe der Untersuchung selbst
diesen angereihten Werken als Wechtlins Eigen-
tum zu erweisen versucht wird. Es muß von
vornherein gesagt werden, daß Röttingers Be-
weisführung durchaus nicht in allen Punkten
überzeugend ist. Aber bei der besonderen
Schwierigkeit der Aufgabe mag dies nicht ver-
wunderlich sein, und eine Kritik, die dem Gange
der Untersuchung folgend an zahlreichen Stellen
die gewonnenen Resultate wieder in Frage zu
stellen gezwungen ist, will damit weder den
Wert der Arbeit, die Röttinger selbst als einen
ersten Versuch, in die schwierige Materie ein-
zudringen, bezeichnet, beurteilen, noch eigene
Resultate an die Stelle setzen, sondern nur eine
Reihe Bedenken gegen ein allzu rasches Vor-
gehen in Zuschreibungen auf Grund einzelner
Übereinstimmungen zur Sprache bringen.
Röttinger beginnt mit der Zuweisung einiger
Zeichnungen. Auf Grund von Übereinstimmungen
mit den Passionssdinitten wird ein Bogenschütze
bei Lanna, der Budapester Lanzenreiter mit dem
Dürermonogramm und das Helldunkelblatt mit
den drei Reitern und den drei Toden in der
Albertina für Wechtlin in Anspruch genommen.
Sipon hierher gehört ein Fragezeichen. Denn
Röttingers Argumente bleiben zu sehr am ein-
zelnen haften, um unbedingt überzeugend zu
sein. Für das großartige Bewegungsmotiv des
Lannaschen Bogenschützen bieten die oft noch
sehr befangenen Figuren der Straßburger Holz-
schnitte keine Analogie. Wird man trotzdem
unter der Voraussetzung eines genügenden zeit-
lichen Abstandes (keinesfalls aber kann der Bogen-
schütze vier Jahre vor der Passion entstanden
sein, wie Röttinger will) die Möglichkeit der
gemeinsamen Urheberschaft zugeben können, so
muß dagegen die nächste Zuweisung starke
Bedenken herausfordern. Denn die Gründe, die
dafür sprechen, daß Wechtlin der Urheber des
in versdiiedenen Sammlungen verstreuten Zyklus
von Zeichnungen aus dem Leben des hl. Bene-
dikt gewesen, sind keine starken. In der Zu-
weisung dieser Zeichnungen ist aber der eigent-
liche Angelpunkt der Röttingerschen Untersuchung
zu erblicken. Denn ihnen werden nun die von
Weisbach, Dörnhöffer u. a. für den Meister des
Zyklus in Anspruch genommenen Werke an-
gereiht. Es sind das die Illustrationen zu den
Revelationes Brigittae von 1500, der Titelholz-
schnitt zum hl. Lukas von Narni (1501), eine
Reihe von vier Holzschnitten zur Passion (Wien,
Berlin), die Karthäusermadonna (P. 180), die
Dresdener Bilder der sieben Schmerzen Mariä,
Heinrich Röttinger: HansWechtlin. Jahr-
buch der kunsthistorischen Sammlungen des aller-
höchsten Kaiserhauses. Bd. XXVII, H. 1. Wien 1907.
Von Leben und Werken des Straßburger
Malers Hans Wechtlin ist uns nur wenig sicher
bezeugt. Ein Leben Jesu in Holzschnitten, das
1508 bei Knoblouch erschien, und die mit jo. V.
bezeichneten Helldunkelschnitte bilden das ein-
zige brauchbare Material, das als Grundlage
für die Erkenntnis des Stiles des Künstlers zu
gelten hat. Hierauf bauend hat Röttinger den
Versuch unternommen, auf Grund stilkritischer
Zuschreibungen ein Bild von der künstlerischen
Entwicklung Wechtlins zu entwerfen. Er läßt
den um 1460 in Straßburg geborenen Künstler
in den achtziger Jahren auf der Wanderschaft
in Ulm die bedeutenden Holzschnitte für die bei
Dinckmuth erschienenen Bücher, den Seelen-
wurzgarten (83), die schwäbische Chronik und
den Eunuchus des Terenz (86) entwerfen, 1487
in Nürnberg eintreffen, um hier ebenfalls eine
ausgedehnte Tätigkeit als Illustrator zu ent-
falten, deren hervorragendstes Denkmal die
Schnitte zu Kobergers Passionale von 1488
wären. Um 1490, vielleicht zusammen mit Dürer,
sei er nach Basel gegangen, Weisbadis Meister
der Bergmannschen Offizin sei kein anderer als
eben Wechtlin. 1498 findet Röttinger Wechtlin
wieder in Nürnberg, als Gesellen Dürers, „des
Meisters rechte Hand und wie ein Schatten
hinter ihm stehend". Nachdem Dürer seine
Werkstatt aufgelöst hat, um zum zweiten Male
nach Venedig zu ziehen, geht Wechtlin nach
Straßburg, dort entsteht die Passion für Knob-
louch. Schon 1506 mit Dürers Rückkehr aus
Venedig findet auch Wechtlin sich wieder in
Nürnberg ein, wo er nun bis zum Ableben
seines Vaters im Jahre 1514 verbleibt. Der aus
einer Priesterehe Entsprossene erwirbt jetzt erst
das Bürgerrecht und darum so spät erst die
Meisterschaft und das Meisterzeidien, mit dem
er die in seinen letzten Jahren entstandenen
Helldunkelsdinitte signierte.
Das ist in kurzen Zügen das Lebensbild
Wechtlins, das Röttinger gibt. Es war ein
schwieriges Unterfangen, auf der schmalen Basis
gesicherter Werke das stattliche Gebäude eines
so umfangreichen Lebenswerkes aufzurichten.
So bildet den eigentlichen Kern der Arbeit die
Zuweisung von Holzschnitten und Zeichnungen,
Gemälden und Kupferstichen, die auf Grund
einzelner Übereinstimmungen mit den gesicherten
und den im Verlaufe der Untersuchung selbst
diesen angereihten Werken als Wechtlins Eigen-
tum zu erweisen versucht wird. Es muß von
vornherein gesagt werden, daß Röttingers Be-
weisführung durchaus nicht in allen Punkten
überzeugend ist. Aber bei der besonderen
Schwierigkeit der Aufgabe mag dies nicht ver-
wunderlich sein, und eine Kritik, die dem Gange
der Untersuchung folgend an zahlreichen Stellen
die gewonnenen Resultate wieder in Frage zu
stellen gezwungen ist, will damit weder den
Wert der Arbeit, die Röttinger selbst als einen
ersten Versuch, in die schwierige Materie ein-
zudringen, bezeichnet, beurteilen, noch eigene
Resultate an die Stelle setzen, sondern nur eine
Reihe Bedenken gegen ein allzu rasches Vor-
gehen in Zuschreibungen auf Grund einzelner
Übereinstimmungen zur Sprache bringen.
Röttinger beginnt mit der Zuweisung einiger
Zeichnungen. Auf Grund von Übereinstimmungen
mit den Passionssdinitten wird ein Bogenschütze
bei Lanna, der Budapester Lanzenreiter mit dem
Dürermonogramm und das Helldunkelblatt mit
den drei Reitern und den drei Toden in der
Albertina für Wechtlin in Anspruch genommen.
Sipon hierher gehört ein Fragezeichen. Denn
Röttingers Argumente bleiben zu sehr am ein-
zelnen haften, um unbedingt überzeugend zu
sein. Für das großartige Bewegungsmotiv des
Lannaschen Bogenschützen bieten die oft noch
sehr befangenen Figuren der Straßburger Holz-
schnitte keine Analogie. Wird man trotzdem
unter der Voraussetzung eines genügenden zeit-
lichen Abstandes (keinesfalls aber kann der Bogen-
schütze vier Jahre vor der Passion entstanden
sein, wie Röttinger will) die Möglichkeit der
gemeinsamen Urheberschaft zugeben können, so
muß dagegen die nächste Zuweisung starke
Bedenken herausfordern. Denn die Gründe, die
dafür sprechen, daß Wechtlin der Urheber des
in versdiiedenen Sammlungen verstreuten Zyklus
von Zeichnungen aus dem Leben des hl. Bene-
dikt gewesen, sind keine starken. In der Zu-
weisung dieser Zeichnungen ist aber der eigent-
liche Angelpunkt der Röttingerschen Untersuchung
zu erblicken. Denn ihnen werden nun die von
Weisbach, Dörnhöffer u. a. für den Meister des
Zyklus in Anspruch genommenen Werke an-
gereiht. Es sind das die Illustrationen zu den
Revelationes Brigittae von 1500, der Titelholz-
schnitt zum hl. Lukas von Narni (1501), eine
Reihe von vier Holzschnitten zur Passion (Wien,
Berlin), die Karthäusermadonna (P. 180), die
Dresdener Bilder der sieben Schmerzen Mariä,