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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 3
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Habich, Georg: Die Imperatorenbilder in der Münchener Residenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0197

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Die Imperatorenbilder in der Münchener Residenz
Von Georg Habich
In den Jahren 1537—38 malte Tizian eine Reihe von zwölf Imperatorenbildern
für den Palast in Mantua, die 1628 in den Besitz König Karls I. von England über-
gingen und über deren Verbleib nach dem Tode des unglücklichen Fürsten (1649)
nichts Sicheres bekannt ist. — Alle Spuren, die teils nach Spanien, teils nach Prag
und Wien, wie auch auf englischen Privatbesitz wiesen, haben sich bisher als unzu-
verlässig herausgestellt.
In den (1730—32) von Francois Cuvillies d. Ä. erbauten und ausgeschmückten
„Reiclien Zimmern" der Residenz in München finden sich 12 Bildnisse römischer
Imperatoren als Supraporten verwandt. In die Wandverkleidung einbezogen und um-
spielt von den Arabeskenphantasien des geistreichsten aller Rokokodekorateure, überdies
mangelhaft beleuchtet und durch die scharlachroten Damasttapeten um jede Wirkung
gebracht, blieb die Serie bis vor kurzem völlig unbeachtet. Das offizielle Inventarwerk
sah in den Bildern Arbeiten des späteren XVII. Jahrhunderts (Kunstdenkm. d. König-
reichs Bayern, Lief. 16. S. 1121).
In zehn von diesen Imperatorenbildern erblickt nun der Münchener Maler
M. Wieland (nach Ausscheidung zweier Stücke, die er für nicht zugehörig hält oder
hielt) die verloren geglaubten Originale von Tizians Hand und hat dieser Anschauung
in der Zeitschrift für bild. Kunst 1908, S. 101 motivierten Ausdruck gegeben.
Mit einem Aufgebot von archivalischem Studium, das bei dem Nichtfachmann in
respektvolles Staunen setzt, sucht Wieland den historischen Beweis zu erbringen, daß
die Bilder im Jahre 1628 von England dem kunstfreundlichen Kurfürsten Maximilian I.
von Bayern auf diplomatischem Wege — „aus Staatsgründen" — ausgeliefert worden
seien. Der Beweis, den Wieland führt, ist ein Wahrsdieinlichkeitsbeweis, aber der
Sdiein der Wahrheit war ein trügerischer. Unmittelbar nachdem Wieland sein Plaidoyer
vollendet hatte, konnte Dr. A. Buchheit (Beil. z. Allg. Zeitg. No. 26) darauf hinweisen,
daß die Münchener Bilderserie bereits in einem Inventar von 1598 als in der Residenz
befindlich aufgeführt wird, zu einer Zeit also, da die Tizianischen Originale nodi
unverrückt im Palast von Mantua hingen.
Hiermit scheint Wielands Aufstellungen die Basis entzogen. Was hilft es dem
eifrigen Anwalt, wenn eine Folge von Kupferstichen, die Ägidius Sadeler mit der aus-
drücklichen Bezeichnung „Tizianus inventor" bald nach 1600 ausgehen ließ, mit
den Münchener Bildern soweit übereinstimmt, als ein Barockkupfer überhaupt mit
dem Originale übereinzustimmen pflegt? — Widerspenstige werden gleichwohl auf
ihrem Widerstand beharren: „die Stiche sind eben nicht in Mantua vor den Tizian-
bildern, sondern in München vor den Residenzbildern gemacht, die damals freilich noch
eine bessere Fa^on hatten als gegenwärtig, wo sie als Surportes teils zugeschnitten
teils angestückt sind. — Und mit der Kontrasignierung Tizians hat der Stecher seine
Ware vielleicht nur schmackhafter, verkäuflicher machen wollen."
 
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