Zur Ikonographie Michelangelos
Von Ernst Steinmann
„Von Michelangelo gibt es nur zwei Porträtdarstellungen in der Malerei, eine
von der Hand Bugiardinis, die andere von Jacopo del Conte; außerdem eine Bronze-
büste von Daniello Ricciarelli und die des Cavalier Lione. Und von diesen hat man
in Italien und auswärts viele Kopien gemacht, von denen ich eine ganze Anzahl ge-
sehen habe."
Das sind die dürftigen Nachrichten, die Vasari über die Bildnisse des gepriesenen
Meisters zu geben wußte1), weil er sich in seinen Angaben ganz auf Büsten und Öl-
gemälde beschränkt hat. Würde er Fresken und Reliefdarstellungen Michelangelos als
vollwertige Porträts anerkannt haben — er hätte mehr zu berichten gewußt. Hatte er
doch selbst den großen Mann, mit dessen intimer Freundschaft er sich gerne brüstete,
zweimal in seinen Freskenzyklen in Florenz und Rom gemalt; berichtet er doch auch
im Leben des Daniello da Volterra von einer in Stuck ausgeführten, höchst seltsamen
Darstellung Buonarrotis mit Sebastiano del Piombo, die heute zerstört ist.2)
Vasaris Fresken im Palazzo Vecchio und in der Cancelleria haben sich erhalten,
und von Daniello da Volterra besitzen wir in S. Trinitä de' Monti ein drittes Porträt
Michelangelos in seinem Fresko der Himmelfahrt Mariae, welches Vasari nicht er-
wähnt.8) Aber damit glaubte man auch bis heute, die kleine Zahl von Bildnissen Michel-
angelos in historischen Kompositionen seiner Zeit erschöpft zu haben. Nicht nur ein
Freskobildnis Michelangelos in dem wenig besuchten Oratorium von S. Giovanni
Decollato in Rom, sondern auch ein höchst merkwürdiges Basrelief des Cinquecento in
') Vasari ed. Milanesi VII, 258. Zur Literatur über die Porträtdarstellungen Michelangelos
vgl. vor allem Duppa, Life of Michelangelo. London 1807. p. 412 und J. A. Symonds, Life of
Michelangelo II, 258 ff., wo weitere Literaturangaben sich finden. Ferner A. Zobi, Discorso sopra
un ritratto ad olio rappresentante Midielangiolo Buonarroti. Firenze 1875 und G. Guasti, II ri-
tratto migliore e autentico di M. Buonarroti. Firenze 1893. Über ein Wachsmodell für Leone
Leonis Medaille handelt Fortnum im Archaeological Journal Vol. XXXII und in einer seltenen
später erschienenen besonderen Abhandlung. Zu den gestochenen Porträts Michelangelos vgl.
Heinecken, Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen. Leipzig 1768. I, 374—378 und J. C. Wessely
in der Zeitschr. f. b. Kunst (1876) XI, 64.
2) VII, 55. Bottari sah diese Darstellung noch im Jahre 1746. Er schrieb darüber an
Mariette: Fui l'altro giorno alla Trinitä dei Monti, e se voi avete il disegno del bassorilievo di
Daniel da Volterra, in cui i Satiri pesano le membra ec. tenetene conto, perche adesso e tanto
logoro, che non si raccapezza quello che rappresenti. Da man das Relief heute tatsächlich in
S. Trinitä de' Monti nicht mehr findet, so wäre es der Mühe wert, der Zeichnung davon, die
Mariette besaß, nachzuspüren. Vgl. Bottari, Lettere pittoriche IV, 574 n. CCXL.
3) Dies Porträt wurde jedenfalls vor 1553 gemalt. Vgl. für diese nicht unwichtige Zeit-
bestimmung Bertolotti, Artisti Lombardi II, 293. Ein Freskobildnis Michelangelos von unbekannter
Hand soll sich auch im Museo civico zu Pavia befinden. Vgl. L. Woltmann, Die Germanen und
die Renaissance in Italien. Leipzig 1905. p. 74.
Von Ernst Steinmann
„Von Michelangelo gibt es nur zwei Porträtdarstellungen in der Malerei, eine
von der Hand Bugiardinis, die andere von Jacopo del Conte; außerdem eine Bronze-
büste von Daniello Ricciarelli und die des Cavalier Lione. Und von diesen hat man
in Italien und auswärts viele Kopien gemacht, von denen ich eine ganze Anzahl ge-
sehen habe."
Das sind die dürftigen Nachrichten, die Vasari über die Bildnisse des gepriesenen
Meisters zu geben wußte1), weil er sich in seinen Angaben ganz auf Büsten und Öl-
gemälde beschränkt hat. Würde er Fresken und Reliefdarstellungen Michelangelos als
vollwertige Porträts anerkannt haben — er hätte mehr zu berichten gewußt. Hatte er
doch selbst den großen Mann, mit dessen intimer Freundschaft er sich gerne brüstete,
zweimal in seinen Freskenzyklen in Florenz und Rom gemalt; berichtet er doch auch
im Leben des Daniello da Volterra von einer in Stuck ausgeführten, höchst seltsamen
Darstellung Buonarrotis mit Sebastiano del Piombo, die heute zerstört ist.2)
Vasaris Fresken im Palazzo Vecchio und in der Cancelleria haben sich erhalten,
und von Daniello da Volterra besitzen wir in S. Trinitä de' Monti ein drittes Porträt
Michelangelos in seinem Fresko der Himmelfahrt Mariae, welches Vasari nicht er-
wähnt.8) Aber damit glaubte man auch bis heute, die kleine Zahl von Bildnissen Michel-
angelos in historischen Kompositionen seiner Zeit erschöpft zu haben. Nicht nur ein
Freskobildnis Michelangelos in dem wenig besuchten Oratorium von S. Giovanni
Decollato in Rom, sondern auch ein höchst merkwürdiges Basrelief des Cinquecento in
') Vasari ed. Milanesi VII, 258. Zur Literatur über die Porträtdarstellungen Michelangelos
vgl. vor allem Duppa, Life of Michelangelo. London 1807. p. 412 und J. A. Symonds, Life of
Michelangelo II, 258 ff., wo weitere Literaturangaben sich finden. Ferner A. Zobi, Discorso sopra
un ritratto ad olio rappresentante Midielangiolo Buonarroti. Firenze 1875 und G. Guasti, II ri-
tratto migliore e autentico di M. Buonarroti. Firenze 1893. Über ein Wachsmodell für Leone
Leonis Medaille handelt Fortnum im Archaeological Journal Vol. XXXII und in einer seltenen
später erschienenen besonderen Abhandlung. Zu den gestochenen Porträts Michelangelos vgl.
Heinecken, Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen. Leipzig 1768. I, 374—378 und J. C. Wessely
in der Zeitschr. f. b. Kunst (1876) XI, 64.
2) VII, 55. Bottari sah diese Darstellung noch im Jahre 1746. Er schrieb darüber an
Mariette: Fui l'altro giorno alla Trinitä dei Monti, e se voi avete il disegno del bassorilievo di
Daniel da Volterra, in cui i Satiri pesano le membra ec. tenetene conto, perche adesso e tanto
logoro, che non si raccapezza quello che rappresenti. Da man das Relief heute tatsächlich in
S. Trinitä de' Monti nicht mehr findet, so wäre es der Mühe wert, der Zeichnung davon, die
Mariette besaß, nachzuspüren. Vgl. Bottari, Lettere pittoriche IV, 574 n. CCXL.
3) Dies Porträt wurde jedenfalls vor 1553 gemalt. Vgl. für diese nicht unwichtige Zeit-
bestimmung Bertolotti, Artisti Lombardi II, 293. Ein Freskobildnis Michelangelos von unbekannter
Hand soll sich auch im Museo civico zu Pavia befinden. Vgl. L. Woltmann, Die Germanen und
die Renaissance in Italien. Leipzig 1905. p. 74.