DAS RELIQUIAR VON 1320, AUS DEM
BESITZE DES GRAFEN JOS. V. ARCO-
ZINNEBERG IN MÜNCHEN.
Im Jahre 1901 war auf der Ausstellung von
Meisterwerken der Renaissance aus Privatbesitz,
veranstaltet vom Verein bildender Künstler
Münchens — Sezession — aus der Sammlung
des Juveliers Franz Greb in München ein go-
tisches Reliquienkästchen mit Silberschmelz aus-
gestellt. Doch nur wenige Tage, dann wurde
es wieder zurückgezogen: Es hatte zu großes
Aufsehen erregt. Schon damals erfuhr man von
der Vorgeschichte des Kästchens soviel, daß es
vor etwa 10 Jahren von einem Münchner Anti-
quar für 1000 Mark den Zisterzienserinnen des
Klosters Lichtental bei Baden-Baden abgekauft
worden war.
Nicht lange danach erwarb Reichsrat Graf
Joseph von Arco-Zinneberg in München, der
Schatzmeister des Bayer. Vereins der Kunst-
freunde, einen Teil der Sammlung Greb und mit
ihm das Reliquienkästchen um eine sehr ansehn-
liche Summe.
Allgemeiner bekannt wurde der Schrein erst
durch die Ausstellung des Bayer. Vereins der
Kunstfreunde im Frühjahre 1906 und ging bei
dieser Gelegenheit auch zum ersten Male durch
Veröffentlichungen im Formenschatz und im
Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst in die
Literatur über: Die Inschrift auf dem Deckel des
Kästchens nennt als Stifterin eine Kloster-
schwester Margarethe Pfrumbom aus Speyer.
Speyerer Urkunden erweisen, daß es die Tochter
des Speyerer Patriziers Albert Pfrumbom war,
der von 1291—1305 bezeugt ist, während Mar-
garethe selbst in einer Urkunde des Rates der
Stadt Speyer vom 23. Juni 1203 als Nonne des
Zisterzienserinnenklosters Lichtental genannt
wird. So war es sicher, daß der kostbare
Schrein an 600 Jahre unversehrt an seinem Be-
stimmungsort, im Kloster Lichtental, gestanden,
das 1689 von den Franzosen verschont blieb.
Die Form des Kästchens und der Stil der in
Silberschmelz dargestellten Figuren wiesen deut-
lich auf den Oberrhein, die Bedeutung der
Speyerer Goldschmiedekunst im Mittelalter und
die Herkunft der Stifterin ließen das Stück mit
größter Wahrscheinlichkeit als Speyerer Arbeit
erscheinen. Otto v. Falke, der den Schrein
alsdann in Lehnerts Geschichte des Kunstge-
werbes aufnahm, weist auf den sienesischen
Einfluß im Stil einzelner Köpfe hin und be-
zeichnet das Reliquiar als ein wichtiges Beweis-
stück für den Einfluß Italiens auf die ober-
rheinischen Silberschmelzarbeiten im ersten
Viertel des 14. Jahrhunderts. Hierher gehört
noch ein aus Konstanz stammender Kelch im
Museum zu Sigmaringen und eine Kreuzigungs-
gruppe sowie zwei Monstranzen des ehemaligen
Baseler Domschatzes, woran sich die Kreuzi-
gungsgruppe im Kunstgewerbemuseum zu Berlin
befindet.
Jedermann glaubte nun im gräflich Arcoschen
Besitze die kostbare rheinpfälzer Antiquität in
sicherer Hand. Um so überraschender war am
8. Mai die Zeitungsmeldung, daß das Reliquiar
durch die Berliner Kunsthandlung Keller und
Reiner um den Betrag von 250000 Mark nach
Amerika verkauft worden sei. An wen, ist
nicht bekannt. Innerhalb von drei oder vier
Wochen war der Verkauf durch Mittelspersonen
abgeschlossen worden, nachdem der ursprüng-
lich höhere Preis auf ^ Million ermäßigt worden
war. Das Berliner Kunstgewerbemuseum hatte
sich lebhaft um die Erwerbung bemüht; jedoch
vergeblich, wohl weniger, weil die Summe nicht
zu beschaffen gewesen wäre, sondern weil
durch den Besitz der verwandten Arbeit aus
dem Baseler Schatze ein zwingendes Bedürf-
nis zum Ankauf für dieses Museum nicht be-
stand.
Anders lag der Fall für die Bayerischen Mu-
seen. Aus Speyerer Museumskreisen war schon
vor einem Jahre die Ausstellung unter Eigen-
tumsvorbehalt angeregt worden, doch konnte
der Vorschlag einstweilen nicht befürwortet
werden, da das jetzige Museum in Speyer nicht
feuersicher und überfüllt, der große Neubau aber
selbst heute noch kaum unter Dach ist. Das
Bayerische Nationalmuseum aber, das hier an
allererster Stelle in Betracht kommt, und das
von gotischem Silberschmelz so gut wie gar
nichts besitzt, hatte sich beim Grafen Arco nie-