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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 3
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Studien und Forschungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0200

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Studien und
ALHAMBRAPROBLEME I.
Ergebnisse und Ziele der neuen Restau-
rierungsarbeiten.
Die Restaurierungen der Alhambra sind fast
ebenso alt wie diese selbst, und soweit sie sich
auf die Dekoration bezogen, haben sie meist
in sehr geschickten Händen gelegen, deren
Kunstfertigkeit die Pracht der alten Stuckarbeiten
so gut nachzuahmen verstand, daß hervorragende
Kenner arabischer Ornamentik viele Erneue-
rungen oder Ergänzungen, von denen die Do-
kumente des Alhambraarchivs berichten, von
den authentischen Teilen nicht zu unterscheiden
vermochten.
Notorisch haben bis ins 17. Jahrhundert
„Moriscos", welche zu diesem Zwecke von der
Ausweisung, die die ganze arabische Bevölke-
rung traf, ausgenommen waren, die durch
Brände und Zerfall beschädigten Teile der
Alhambra neu ausgeschmückt, und die Kunst
ihrer Zunft hat sich bis auf unsere Tage fort-
geerbt. Die Mißgriffe, die auch in dieser Hin-
sicht hie und da vorgekommen sind, erscheinen
nun verschwindend im Vergleich zu der heil-
losen Verwirrung, die nicht nur die Zerstörungen,
Verschüttungen und Umbauten einzelner Be-
festigungen und Wohnräume, sondern vor
allem auch die ersten Herstellungsversuche des
gegenwärtigen Bestandes in der ganzen Palast-
anlage hervorgerufen haben. Diese Mauren-
burg gehört nicht, wie etwa das Heidelberger
Schloß, zu den Bauten, die auch als Ruinen
oder gerade als solche gefallen. Ihre Schön-
heit beruht nicht in einer Fassadenwirkung,
sondern ausschließlich in dem Luxus ihrer Innen-
ausstattung. Diese also muß unter allen Um-
ständen erhalten werden, und zu ihrem Schutze
sind umfassende Restaurierungsarbeiten unum-
gänglich, die wiederum sich dem Burgdiarakter
des Ganzen einordnen und sowohl den ursprüng-
lichen Plan der Befestigungen als auch die durch
ihre Zweckverschiedenheit bedingte Scheidung
der einzelnen Wohn- und Prunkräume zur Richt-
schnur haben sollten.
Was nun in dieser Hinsicht im vorigen Jahr-
hundert von den Contreras getan worden ist,
war, abgesehen von der letzten faulen Wirt-
schaft, zweifellos nützlich und ersprießlich. Aber
erst der neue Direktor, Gomez Tortosa, hat
Arbeiten eingeleitet, die vor allem dem Verfall

Forschungen
ernstlich gefährdeter Palastteile vorbeugen
sollen, Arbeiten, die längst nötig gewesen
wären und deren Aufschub Befürchtungen her-
vorgerufen hatte, die oft genug in Fachkreisen
lebhaft erörtert wurden. Der neue Leiter ist
Ingenieur, und als solcher hat er seine Aufmerk-
samkeit vor allem den Gängen und Leitungen
der alten Kanalisation zugewandt, diese
schon zum großen Teil wieder aufgedeckt und
hergestellt. So werden also bald die zahlreichen
Wasserläufe, die den Burghügel durchrieseln
und, ihrer ursprünglichen Regulierung beraubt,
bereits den Grund der Alhambra durchsickert
und gelockert hatten, von neuem ihr künstliches
Bette finden und zum Darro abgeführt werden.
Dadurch ist zweifellos die größte Gefahr be-
schworen.
An dem schon lange Einsturz drohenden
Komaresturm hat man dann neben äußeren
Flickarbeiten die Erneuerung der inneren Unter-
wölbung in Angriff genommen; es besteht dem-
nach Hoffnung, daß auch er und der berühmte
Gesandtensaal, den er birgt, uns gerettet werden.
Schlimmer als um diesen, stand es infolge
gröbster Vernachlässigung noch bis vor Kurzem
um den sog. Frauenturm („Torre de las Da-
mas" oder „del Principe"), ein wahres Kleinod
der Alhambra und den fremden Besuchern in
der Regel unbekannt, an dessen Wiederher-
stellung jetzt mit großem Eifer gearbeitet wird.
In beispiellos barbarischer Weise waren die
reizenden Wanddekorationen übertüncht, die
zierlichen Fenster vermauert und statt ihrer
neue in die Mauer gebrochen, um moderne
Wohnungen zu schaffen, und der letzte Besitzer,
ein Deutscher, besaß noch die Geschmacklosig-
keit, sich die einzigartige Turmdecke mitzu-
nehmen, als er den Palast dem Staate schenkte.
Wegen der Baufälligkeit der alten Teile kann
die Beseitigung der neuen nur mit größter Vor-
sicht geschehen. Zweifel bestehen wegen der
ursprünglichen Konstruktion glücklicherweise
nicht, und auch die Motive der Ausstattung
haben an allen Stellen genügend Spuren zurück-
gelassen, um ihre stilgemäße Ergänzung zu er-
möglichen. Die Ornamente sind von außerge-
wöhnlicher Zartheit und Tiefe, und wenn es ge-
lingt, diese unvergleichlich kunstvolle Anlage
auch nur annähernd in ihrem früheren Glanze neu
erstehen zu lassen, wird die Alhambra um ein
Wunder reicher sein. Die Aussicht von dem
 
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