Studien und Forschungen
193
Mirador spottet jeder Beschreibung und über-
trifft bei weitem die vom Generalife. Der Teich,
der vor dem Eingang lag, war verschüttet; das
Bassin ist jetzt wieder in der alten Form aus-
gemauert.
Man hat nicht ohne Grund vermutet, daß
diese „Torre del Principe" der schmucke
Palast war, den Mohammed V. seinem Bruder
Ismael „in der Nähe des Residenzschlosses"
(nach der Aussage Alchatibs) erbaute, „mit
allen Bequemlichkeiten ausgestattet." In der
Tat scheint auch die kleine Moschee, die
unmittelbar daneben liegt und deren Inneres in
scheußlicher Weise „aufgefrischt" wurde, dazu
gehört zu haben.
Andererseits läßt sich feststellen, daß dieser
Bau mit dem Königlichen Palast in Verbindung
stand, und zwar, wie ich meine, mit der Rück-
seite der sogen. Sala de la Justicia, die die
Ostseite des Löwenhofes bildet. Wie wir uns
den Zusammenhang zu denken haben, wird erst
eine Untersuchung der Mauerreste neben und
unter den dort befindlichen Wohnbauten, deren
Ankauf und Niederlegung die Direktion beab-
sichtigt, ergeben. Ferner müßte erwogen
werden, ob nicht diese Teile mit dem ältesten,
der Rauda, die bekanntlich bereits seit dem
ersten der Nasriden als Königsgruft diente, und
deren Bild jetzt sehr verwischt ist, in Beziehung
waren. Eine solche Feststellung wäre insofern
von Wert, als sich daran die Vermutung knüpfen
ließe, daß hier nicht nur der Anfang des Königs-
palastes, sondern eine ganze Anlage bestand,
die alle Bedingungen einer Residenz erfüllte
und diesem Zwecke so lange diente, bis die
späteren Bauten, vornehmlich die beiden großen
Höfe, vollendet waren. Dann hätte der jetzt
völlig unverständliche Name der „Sala de la
Justicia" (die sich doch nie und nimmer im
Harem, den der Löwenhof bildete, befunden
hat!) seine Erklärung darin, daß an ihrer Stelle
tatsächlich der erste Meschuär zu suchen ist,
daß also dort Recht gesprochen wurde, während
wir in der schönen „Torre de las Damas" nicht
den Palast Ismails, sondern den ersten Harem
zu erkennen hätten; ließe sich erweisen, daß
dessen Ornamente früher sind, als die der
übrigen Säle, so würde diese Hypothese, der
ich vorderhand noch nicht die Form einer Be-
hauptung zu geben wage, wesentlich verstärkt
sein. Denn unvermeidlich ist doch die Frage:
wo wohnten die Frauen der Sultane, ehe Mo-
hammed V. die Räume um den Löwenhof, als
dessen Erbauer ihn die Inschriften bezeugen,
vollendete?
Der Meschuär (fälschlich auch „Patio de la
Mezquita" genannt) ist nicht, wie gemeinhin an-
genommen wird, der älteste Teil, sondern eben-
falls erst von Mohammed V. angelegt. Von
ihm rührt also wahrscheinlich die Orientierung
des Palastes von Westen nach Osten über-
haupt her.
Ich nehme an, daß der ursprüngliche Eingang
am entgegengesetzten Ende und demnach der
Aufgang von der Stadt durch die berühmte
„Puerta Siete Suelos" war. Auf dem Platz
vor der ehemaligen großen Moschee — deren
Verbindung mit der Rauda sich übrigens rekon-
struieren läßt — hätte sich dann dieser Weg
mit dem von der Torre de los Picos herauf-
kommenden getroffen. Denn man darf nicht
außer Acht lassen, daß die „Puerta de la Ju-
sticia", die jetzt den Hauptaufgang zur Alhambra
bildet, erst unter Mohammeds V. unmittelbarem
Vorgänger, Yusuf I., erbaut wurde.
Hoffentlidi wird nun auch der Meschuär,
vorläufig immer noch der problematischste Teil
der Alhambra, unter Benützung der alten Reste
und nach Niederreißung der Überbauten bald
seiner eigentlichen Bestimmung wieder gegeben
werden. Denn der gegenwärtige Eingang, der
direkt in den Myrtenhof führt, ist zwar sehr
beqeum, macht es aber dem Besucher schwer,
wenn nicht unmöglich, sich von der authen-
tischen Anordnung eine Vorstellung zu bilden.
Zu demselben Zwecke wäre auch die Öffnung
zweier völlig zugemauerter Korridore sehr
wünschenswert: der eine führte vor dem Ge-
sandtensaal vorüber, der andere trennte voll-
ständig Myrten- und Löwenhof, d. i. Empfangs-
und Frauenräume. Von den letzteren sind die
oberen, unzugänglichen, reich dekoriert, aber
z. T. arg verfallen. Baldige Abhilfe wäre auch
hier zu empfehen.
Wenn es Herrn Gomez Tortosa, unter dessen
Direktion mit lobenswerter Energie und erfreu-
licher Umsicht vorgegangen wird, gelingt, seine
geplanten Konsolidierungs- und Rekonstruktions-
arbeiten glücklich durchzuführen, so wird er
uns bald mehr halten, als seine Vorgänger ver-
sprochen haben.
Ernst Kühnel, Granada.
ZU MOCETTO.
Das Interesse, das uns Girolamo Mocettos
Kupferstiche gewähren, ist nicht zum geringsten
Teil gegenständlicher Natur. Beiwerk, das er
seinen Kompositionen gab, Beziehungen literari-
scher und symbolischer Art, die er in sie hinein
verarbeitete, sind oft für uns wichtig und
neu. So findet sich auf der Darstellung
193
Mirador spottet jeder Beschreibung und über-
trifft bei weitem die vom Generalife. Der Teich,
der vor dem Eingang lag, war verschüttet; das
Bassin ist jetzt wieder in der alten Form aus-
gemauert.
Man hat nicht ohne Grund vermutet, daß
diese „Torre del Principe" der schmucke
Palast war, den Mohammed V. seinem Bruder
Ismael „in der Nähe des Residenzschlosses"
(nach der Aussage Alchatibs) erbaute, „mit
allen Bequemlichkeiten ausgestattet." In der
Tat scheint auch die kleine Moschee, die
unmittelbar daneben liegt und deren Inneres in
scheußlicher Weise „aufgefrischt" wurde, dazu
gehört zu haben.
Andererseits läßt sich feststellen, daß dieser
Bau mit dem Königlichen Palast in Verbindung
stand, und zwar, wie ich meine, mit der Rück-
seite der sogen. Sala de la Justicia, die die
Ostseite des Löwenhofes bildet. Wie wir uns
den Zusammenhang zu denken haben, wird erst
eine Untersuchung der Mauerreste neben und
unter den dort befindlichen Wohnbauten, deren
Ankauf und Niederlegung die Direktion beab-
sichtigt, ergeben. Ferner müßte erwogen
werden, ob nicht diese Teile mit dem ältesten,
der Rauda, die bekanntlich bereits seit dem
ersten der Nasriden als Königsgruft diente, und
deren Bild jetzt sehr verwischt ist, in Beziehung
waren. Eine solche Feststellung wäre insofern
von Wert, als sich daran die Vermutung knüpfen
ließe, daß hier nicht nur der Anfang des Königs-
palastes, sondern eine ganze Anlage bestand,
die alle Bedingungen einer Residenz erfüllte
und diesem Zwecke so lange diente, bis die
späteren Bauten, vornehmlich die beiden großen
Höfe, vollendet waren. Dann hätte der jetzt
völlig unverständliche Name der „Sala de la
Justicia" (die sich doch nie und nimmer im
Harem, den der Löwenhof bildete, befunden
hat!) seine Erklärung darin, daß an ihrer Stelle
tatsächlich der erste Meschuär zu suchen ist,
daß also dort Recht gesprochen wurde, während
wir in der schönen „Torre de las Damas" nicht
den Palast Ismails, sondern den ersten Harem
zu erkennen hätten; ließe sich erweisen, daß
dessen Ornamente früher sind, als die der
übrigen Säle, so würde diese Hypothese, der
ich vorderhand noch nicht die Form einer Be-
hauptung zu geben wage, wesentlich verstärkt
sein. Denn unvermeidlich ist doch die Frage:
wo wohnten die Frauen der Sultane, ehe Mo-
hammed V. die Räume um den Löwenhof, als
dessen Erbauer ihn die Inschriften bezeugen,
vollendete?
Der Meschuär (fälschlich auch „Patio de la
Mezquita" genannt) ist nicht, wie gemeinhin an-
genommen wird, der älteste Teil, sondern eben-
falls erst von Mohammed V. angelegt. Von
ihm rührt also wahrscheinlich die Orientierung
des Palastes von Westen nach Osten über-
haupt her.
Ich nehme an, daß der ursprüngliche Eingang
am entgegengesetzten Ende und demnach der
Aufgang von der Stadt durch die berühmte
„Puerta Siete Suelos" war. Auf dem Platz
vor der ehemaligen großen Moschee — deren
Verbindung mit der Rauda sich übrigens rekon-
struieren läßt — hätte sich dann dieser Weg
mit dem von der Torre de los Picos herauf-
kommenden getroffen. Denn man darf nicht
außer Acht lassen, daß die „Puerta de la Ju-
sticia", die jetzt den Hauptaufgang zur Alhambra
bildet, erst unter Mohammeds V. unmittelbarem
Vorgänger, Yusuf I., erbaut wurde.
Hoffentlidi wird nun auch der Meschuär,
vorläufig immer noch der problematischste Teil
der Alhambra, unter Benützung der alten Reste
und nach Niederreißung der Überbauten bald
seiner eigentlichen Bestimmung wieder gegeben
werden. Denn der gegenwärtige Eingang, der
direkt in den Myrtenhof führt, ist zwar sehr
beqeum, macht es aber dem Besucher schwer,
wenn nicht unmöglich, sich von der authen-
tischen Anordnung eine Vorstellung zu bilden.
Zu demselben Zwecke wäre auch die Öffnung
zweier völlig zugemauerter Korridore sehr
wünschenswert: der eine führte vor dem Ge-
sandtensaal vorüber, der andere trennte voll-
ständig Myrten- und Löwenhof, d. i. Empfangs-
und Frauenräume. Von den letzteren sind die
oberen, unzugänglichen, reich dekoriert, aber
z. T. arg verfallen. Baldige Abhilfe wäre auch
hier zu empfehen.
Wenn es Herrn Gomez Tortosa, unter dessen
Direktion mit lobenswerter Energie und erfreu-
licher Umsicht vorgegangen wird, gelingt, seine
geplanten Konsolidierungs- und Rekonstruktions-
arbeiten glücklich durchzuführen, so wird er
uns bald mehr halten, als seine Vorgänger ver-
sprochen haben.
Ernst Kühnel, Granada.
ZU MOCETTO.
Das Interesse, das uns Girolamo Mocettos
Kupferstiche gewähren, ist nicht zum geringsten
Teil gegenständlicher Natur. Beiwerk, das er
seinen Kompositionen gab, Beziehungen literari-
scher und symbolischer Art, die er in sie hinein
verarbeitete, sind oft für uns wichtig und
neu. So findet sich auf der Darstellung