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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

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Heft 3
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Weese-Bern, Artur: Burgunder Kirchen: (Cluny, Autun, Pontigny)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0183

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Weese. Burgunder Kirdien

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der ganzen Glut seines dunkelgefärbten
Wesens und weiht ihnen Kräfte, die
aus germanischer Wucht und gallischer
Beweglichkeit seltsam gemischt sind.
Dieser Zusammensetzung entspricht auch
der opferfähige Ernst, mit dem ferne
Ideale erstrebt werden und der geist-
reiche Stimmungswechsel, der sich so
leicht einer neuen Idee zuwendet, so

CLUNY: Klosterhof. Kupferstich d. XVIII. Jahrh. viel es auch gekostet haben mag, das
eben erst Erkämpfte zu besitzen.
Die Geschichte der burgundischen Mönchskunst ist die Geschichte eines geistigen
Kampfes, in dem erdgeborne Kräfte und eingewanderte Kultur seltsam verstrickt
werden. Er hat die geschlossene Erscheinung eines rein landschaftlichen und nationalen
Ereignisses, ist aber in seinem Wesen und Willen durchaus bestimmt von der tiefauf-
wühlenden Leidenschaftlichkeit, die große allgemeine Zeitideen zu erregen pflegen. Wie
alles Mönchstum ist auch das burgundische losgelöst von der Stammesart und der
Landessitte, in deren Bereich es blüht und auf deren Kosten es sich entfaltet; aber
dennoch ist die burgundische Mönchskunst so eigenartig selbständig, als wäre sie der
echte Ausdruck der innersten Charaktereigenschaften des Volkes. Mönchskirchen und
Mönchsklöster sind innerhalb eines national geformten Landes selbst in mittelalterlichen
Zeiten, wo sie Kulturträger und mit allen Lebensfäden des Volkes verbunden waren,
eine Erscheinung aus fremder Welt. Sie haben etwas Zeitloses an sich. Sie könnten
ebensogut tausend Meilen weiter stehen, wie just hier. Sie hüten ein Ideal, das
außerhalb ihrer Mauern nicht verstanden wird, vielleicht mit Scheu und Ehrfurcht
bewundert, doch nie als Richtschnur von der Aktivität des Weltkindes ergriffen werden
kann. Aber in burgundischen Klöstern wurden nicht bloß die Schätze des burgundischen
Bodens und die Früchte burgundischen Fleißes aufgehäuft und ad majoram gloriam dei
in Bauwerke und Kostbarkeiten umgesetzt, sondern selbst der Ruhm des Landes, die
ungebrochenen und nie erschöpften Willenskräfte des seltsamen Volkes sind im Dienste
der Klöster angespannt worden und haben sich in der symbolischen Deutlichkeit der
burgundischen Kunstformen künstlerisch verfeinert und verewigt. Die burgundische
Ordensprovinz der Cluniacenser und
Cistercienser ist das Mutterland der geist-
lichen Institutionen geworden und sie
haben wie jedes Geschöpf aus dem
Mutterboden alle unfaßbaren und doch
so wirksamen und lebenstauglichen Säfte
und Kräfte herausgesogen. Dadurch ist
burgundische Kunst und burgundischer
Charakter eine welterobernde Macht ge-
worden. Denn von den Kirchen und
Klöstern Burgunds ist in mittelalter-


CLUNY: Fassade. Kupferstich d. XVIII. Jahrh.
 
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