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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 1. Halbband, Heft 1 - 6.1908

DOI issue:
Heft 3
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Weese-Bern, Artur: Burgunder Kirchen: (Cluny, Autun, Pontigny)
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https://doi.org/10.11588/diglit.70400#0196
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188

Habich. Monatshefte für Kunstwissenschaft

cienserkirdien durften keine Türme, keine Ornamente, keine Skulpturen, keine Glas-
malereien und Bildtafeln, keine Mosaik und keinen Zierrat haben. Die Benediktiner,
die Clunyacenser und die Cistercienser stellen in ihrer historischen Folge eine immer
höhere Stufe der möndiisdien Feindschaft gegen die Schmucktriebe der Kunst dar.
Das eigentliche Symbol der Klosterkunst ist die nackte, weißgekalkte Zelle. In Pontigny
entspricht die Ordenskirche, wenn auch als höchste Monumentalform der kargen Sach-
lichkeit der Urzelle. Die Architektur hat selten große Aufgaben in dieser abstrakten
und nur auf ihre eigenen Mittel angewiesenen Beschränkung zu lösen gehabt. Immer
wenn die dienenden Töchter, Malerei, Plastik, Ornamentation und alle kunstgewerblichen
Betriebe der Erzkunst Architektur zur Hand gehen, wird die reine Prägnanz ihres
Willensausdruckes Schaden leiden. Deshalb ist auch hier in Pontigny der architek-
tonische Eindruck ausschließlich Wille. Aber er hat ein totenstarres Angesicht. Vor
seinem Auge vergeht das Leben und vor seiner eisigen Hoheit. Das Weltkind fühlt
sich wie gestorben, kalt und ohnmächtig, und ein wenig schleicht sich die Furcht in
sein Herz, es könnte dieser Raum ein Vorspiel der himmlischen Seligkeit sein.
Nun begreift es sich, wie dankbar alle Welt dem Franziskanerorden zufiel, denn
unter seinem warmen Lebensgefühl erblühte eine tiefsinnige und herzensfrohe Kunst,
die mit ihrer farbigen und erzählerischen Menschlichkeit auch das Wunderbarste dem
Glauben nahe führte. Franziskus von Assisi war ein Erlöser, denn er war ein
Menschenfreund. —
 
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