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Monatshefte für Kunstwissenschaft
namentlich Stauffers Mutter, mit persönlichen
Erinnerungen behilflich zur Seite stehen konnten.
Endlich befreundete er sich noch aufs Engste
mit Peter Halm, dem Lehrer und Förderer
Stauffers auf dem Felde der Radierung, der ihm
während der vier Jahre, die er mit Arbeiten
auf dem Kupfer verbrachte, ein stetiger geistiger
Begleiter war. Durch diese Umstände war der
Verfasser seinem Stoff gegenüber in eine be-
neidenswerte, wohl ganz einzige Lage, versetzt.
Eine persönliche Bekanntschaft mit dem Künstler
selbst wäre ihm nicht in gleichem Maße dien-
lich gewesen, denn eine gewisse Scheu hält
wenigstens echte und große Künstler davon zu-
rück, ihrem Biographen so viel von sich selbst
zu erzählen, wie es, ganz berechtigter Weise,
Verwandte und Freunde gern tun.
Zu alledem kommt noch hinzu, daß Stauffers
„Werk" nur 37 Platten umfaßt, daß demnach
der äußerliche Umfang der Aufgabe es nicht
an sich verbietet, daß man alles, was einem zu
Gebot steht, auch verwertet. Man braucht
Kennern nur den Hinweis auf die Möglichkeiten,
die Geheimrat Lehrs sich darboten, zu geben,
und sie werden schon wissen, daß er sie auf
das Beste ausgenützt und ein ungewöhnliches
Werk geschaffen haben wird. Es ist in der Tat
eins der seltenen Bücher geworden, das die
gestellte Aufgabe endgültig löst, die nach ihm
nie wieder in Angriff genommen werden wird.
Der Verfasser ordnet die Platten chrono-
logisch und stellt für alle die „Zustände" (in
einem Falle bis zu dreizehn) fest. Er notiert
eigentlich jeden einzelnen der alten Abdrücke
mit Angabe seines jetzigen Standortes und dem
Wortlaut der eigenhändigen Aufschriften Stauf-
fers, mit Nachrichten über die zugehörigen Zeich-
nungen oder Studien und Originalplatten, sowie
über die photomechanischen Wiedergaben der
Radierungen, mit Erläuterungen über Druckqua-
litäten, Papiere und Wasserzeichen, sogar über
die Provenienz. Eingeflochten werden noch an
ihrer Stelle briefliche Mitteilungen Stauffers über
die einzelnen Arbeiten, so daß dadurch der
Oeuvrekatalog zu einer Art Biographie des
künstlerischen Schaffens von Stauffer, insoweit
es sich um seine Stichradierungen handelt, aus-
wächst. Durch alles das wird freilich das Ver-
zeichnis der 37 Blatt, trotz des meist verwen-
deten kleinen Druckes, zu 81 großen Seiten ange-
schwellt. Eine derartig erschöpfende Gründlichkeit
ist wohl nur bei einem Künstler wie Stauffer, der
eben nur wenig Platten schuf, durchführbar.
Von dem kurzen „Traktat der Radierung",
das dem Verzeichnis angefügt ist, sagt der
Herausgeber selbst, es sei nur „ein Torso, dem
zur Vollendung nicht nur die vom Verfasser
geplanten erläuternden Abbildungen fehlen."
Die Literatur über graphische Techniken ist ja
auch in Deutschland ungemein reich, obwohl
nicht zu verkennen ist, daß gerade um das Jahr
1886, als Stauffer schrieb, die älteren Bücher
nicht immer leicht zu beschaffen gewesen sein
müssen. Besonders aber seit 1886 wimmelt es
von Handbüchern für Radierer, darunter auch
Deutsche (Hamerton, Martial, Bouton, Wessely,
Edwards, Bishofs, Robertson, Chattock, Koehler,
Delatre, Short, Shrubsole, Rhead, Robert, Her-
komer, Dake, Paton, Kampmann, Profit, Marty).
Mit diesen will und kann ja die endliche Ver-
öffentlichung der Staufferschen Schrift, schon des
Preises wegen, nicht wetteifern. Sie ist als Kund-
gebung Stauffers von großem Interesse und hilft
zum Abrunden des Bildes seiner Persönlichkeit.
Der wunderschön gedruckte und ausgestat-
tete Band, der nur in beschränkter Auflage er-
schienen ist, enthält noch zwölf ausgezeichnete
Lichtdrucke nach Seltenheiten aus dem „Werk"
Stauffers. u
Hans W. Singer
€
Wilhelm Waetzoldt: „Die Kunst des Por-
träts", mit 80 Bildern, 451 S. Leipzig, Verlag
von Ferdinand Hirt & Sohn, 1908. Preis geh.
12 M., geb. 14 M.
Alexandrine Kende - Ehrenstein: „Das
Miniaturenporträt", 95 Seiten mit 16 Tafeln in
Lichtdruck. Wien und Leipzig 1908, Verlag von
Halm & Goldmann. 3 M.
Waetzoldts Kunst des Porträts ist nicht etwa
als eine Geschichte, sondern als eine prinzipielle,
sich auf dem Grenzgebiet zwischen Psychologie
und Kunstgeschichte bewegende Untersuchung,
als Beitrag zur Ästhetik der Malerei gedacht.
Damit beansprucht sie, wie alle theoretischen
Betrachtungen, dauernde Bedeutung, und sie
hat ein Recht dazu. Nicht, daß wir mit allen
Einzelheiten einverstanden wären, im Gegenteil
werden wir gerade gegen eine der wichtigsten,
nämlich gegen die Auffasung vom Problem der
Ähnlichkeit, Stellung nehmen müssen, wohl aber
ist im großen ganzen meines Wissens niemals
die Porträtfrage in gleich eingehender, logischer
und kenntnisreicher Weise in Angriff genommen
worden wie hier.
Nach einer historischen, „Künstlerurteile und
Vorfragen" überschriebenen Einleitung, die in
klarer und knapper Form die divergierenden
Anschauungen der ersten Meister über ihre
Kunst zusammenträgt, damit zugleich einen Vor-
geschmack von der Schwierigkeit des Problems
gewährend, wird die Ästhetik des Gesichtes,
das Enface- und Profilporträt erörtert. Der
Monatshefte für Kunstwissenschaft
namentlich Stauffers Mutter, mit persönlichen
Erinnerungen behilflich zur Seite stehen konnten.
Endlich befreundete er sich noch aufs Engste
mit Peter Halm, dem Lehrer und Förderer
Stauffers auf dem Felde der Radierung, der ihm
während der vier Jahre, die er mit Arbeiten
auf dem Kupfer verbrachte, ein stetiger geistiger
Begleiter war. Durch diese Umstände war der
Verfasser seinem Stoff gegenüber in eine be-
neidenswerte, wohl ganz einzige Lage, versetzt.
Eine persönliche Bekanntschaft mit dem Künstler
selbst wäre ihm nicht in gleichem Maße dien-
lich gewesen, denn eine gewisse Scheu hält
wenigstens echte und große Künstler davon zu-
rück, ihrem Biographen so viel von sich selbst
zu erzählen, wie es, ganz berechtigter Weise,
Verwandte und Freunde gern tun.
Zu alledem kommt noch hinzu, daß Stauffers
„Werk" nur 37 Platten umfaßt, daß demnach
der äußerliche Umfang der Aufgabe es nicht
an sich verbietet, daß man alles, was einem zu
Gebot steht, auch verwertet. Man braucht
Kennern nur den Hinweis auf die Möglichkeiten,
die Geheimrat Lehrs sich darboten, zu geben,
und sie werden schon wissen, daß er sie auf
das Beste ausgenützt und ein ungewöhnliches
Werk geschaffen haben wird. Es ist in der Tat
eins der seltenen Bücher geworden, das die
gestellte Aufgabe endgültig löst, die nach ihm
nie wieder in Angriff genommen werden wird.
Der Verfasser ordnet die Platten chrono-
logisch und stellt für alle die „Zustände" (in
einem Falle bis zu dreizehn) fest. Er notiert
eigentlich jeden einzelnen der alten Abdrücke
mit Angabe seines jetzigen Standortes und dem
Wortlaut der eigenhändigen Aufschriften Stauf-
fers, mit Nachrichten über die zugehörigen Zeich-
nungen oder Studien und Originalplatten, sowie
über die photomechanischen Wiedergaben der
Radierungen, mit Erläuterungen über Druckqua-
litäten, Papiere und Wasserzeichen, sogar über
die Provenienz. Eingeflochten werden noch an
ihrer Stelle briefliche Mitteilungen Stauffers über
die einzelnen Arbeiten, so daß dadurch der
Oeuvrekatalog zu einer Art Biographie des
künstlerischen Schaffens von Stauffer, insoweit
es sich um seine Stichradierungen handelt, aus-
wächst. Durch alles das wird freilich das Ver-
zeichnis der 37 Blatt, trotz des meist verwen-
deten kleinen Druckes, zu 81 großen Seiten ange-
schwellt. Eine derartig erschöpfende Gründlichkeit
ist wohl nur bei einem Künstler wie Stauffer, der
eben nur wenig Platten schuf, durchführbar.
Von dem kurzen „Traktat der Radierung",
das dem Verzeichnis angefügt ist, sagt der
Herausgeber selbst, es sei nur „ein Torso, dem
zur Vollendung nicht nur die vom Verfasser
geplanten erläuternden Abbildungen fehlen."
Die Literatur über graphische Techniken ist ja
auch in Deutschland ungemein reich, obwohl
nicht zu verkennen ist, daß gerade um das Jahr
1886, als Stauffer schrieb, die älteren Bücher
nicht immer leicht zu beschaffen gewesen sein
müssen. Besonders aber seit 1886 wimmelt es
von Handbüchern für Radierer, darunter auch
Deutsche (Hamerton, Martial, Bouton, Wessely,
Edwards, Bishofs, Robertson, Chattock, Koehler,
Delatre, Short, Shrubsole, Rhead, Robert, Her-
komer, Dake, Paton, Kampmann, Profit, Marty).
Mit diesen will und kann ja die endliche Ver-
öffentlichung der Staufferschen Schrift, schon des
Preises wegen, nicht wetteifern. Sie ist als Kund-
gebung Stauffers von großem Interesse und hilft
zum Abrunden des Bildes seiner Persönlichkeit.
Der wunderschön gedruckte und ausgestat-
tete Band, der nur in beschränkter Auflage er-
schienen ist, enthält noch zwölf ausgezeichnete
Lichtdrucke nach Seltenheiten aus dem „Werk"
Stauffers. u
Hans W. Singer
€
Wilhelm Waetzoldt: „Die Kunst des Por-
träts", mit 80 Bildern, 451 S. Leipzig, Verlag
von Ferdinand Hirt & Sohn, 1908. Preis geh.
12 M., geb. 14 M.
Alexandrine Kende - Ehrenstein: „Das
Miniaturenporträt", 95 Seiten mit 16 Tafeln in
Lichtdruck. Wien und Leipzig 1908, Verlag von
Halm & Goldmann. 3 M.
Waetzoldts Kunst des Porträts ist nicht etwa
als eine Geschichte, sondern als eine prinzipielle,
sich auf dem Grenzgebiet zwischen Psychologie
und Kunstgeschichte bewegende Untersuchung,
als Beitrag zur Ästhetik der Malerei gedacht.
Damit beansprucht sie, wie alle theoretischen
Betrachtungen, dauernde Bedeutung, und sie
hat ein Recht dazu. Nicht, daß wir mit allen
Einzelheiten einverstanden wären, im Gegenteil
werden wir gerade gegen eine der wichtigsten,
nämlich gegen die Auffasung vom Problem der
Ähnlichkeit, Stellung nehmen müssen, wohl aber
ist im großen ganzen meines Wissens niemals
die Porträtfrage in gleich eingehender, logischer
und kenntnisreicher Weise in Angriff genommen
worden wie hier.
Nach einer historischen, „Künstlerurteile und
Vorfragen" überschriebenen Einleitung, die in
klarer und knapper Form die divergierenden
Anschauungen der ersten Meister über ihre
Kunst zusammenträgt, damit zugleich einen Vor-
geschmack von der Schwierigkeit des Problems
gewährend, wird die Ästhetik des Gesichtes,
das Enface- und Profilporträt erörtert. Der