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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

auch die erstaunliche Sicherheit, mit der er, ein deutscher Künstler, die italienische
Renaissanceornamentik handhabte, eine einfachere Erklärung finden. — Dieser Gruppe
von Buchornamenten gehören drei Initialensätze und ebensoviele Bordüren an, die in
der 1477 gedruckten Ausgabe von Appianus Opera1) (siehe Abbildung 1 und Initiale I,
S. 46), in Dionysius, De situ orbis desselben Jahres2) und in Melas Cosmographia
von 1478") (siehe Initiale V, S. 53), zuerst Verwendung gefunden haben. Aber schon
im selben Jahre macht Bernhard wieder neue Versuche. Bereits einige Initialen in
Appianus, Opera4) (Siehe Initiale D, S. 56) veraten einen ganz andersartigen und
durchaus selbständigen Stil. Eine Bordüre und Initialen desselben Charakters finden
sich auch in Cepio, Gesta P. Monici vom Jahre 1478.°) (siehe Abbildung 2). Das
eigentümliche dieser Ornamentik besteht darin, daß bei ihr die Pflanzenstengel dünner
werden und nicht mehr so sehr in die Augen fallen. Dagegen treten in den Zier-
stücken jener Gruppe kleine, stilisierte Blättchen und Blüten stärker hervor, die als
weiße Punkte erscheinend in gleichmäßiger Verteilung tupfenartig die ganze Fläche
bedecken und nur wenig schwarzen Zwischenraum freilassen. Hier hat Bernhard
vielleicht den schönsten, und jedenfalls den harmonischsten Buchschmuck geschaffen,
der jemals zur Verzierung gedruckter Werke benutzt worden ist. Ihm ist es zuzu-
schreiben, wenn man so oft die Zierformen der Ratdoltschen Drucke als vorbildlich
gerühmt hat. Und auf ihn hat auch William Morris zurückgegriffen, als er daran
ging, den Grundstein zu unserer modernen Buchkunst zu legen. — Die letzte Zier-
leiste, die Bernhard für die Ratdoltsche Offizin zeichnete, — sie findet sich in der
„Ars moriendi" von 14786) (siehe Abbildung 3) — mutet uns wieder mehr „deutsch"
an. Eichenblätter und Eicheln bilden das ornamentale Beiwerk. Der Künstler scheint
hier bestrebt gewesen zu sein, die verschlungenen Stengel, die Blätter und die
Früchte in gleichem Maße zur Geltung zu bringen und durch strenge, fast über-
triebene Stilisierung die Raumfüllung noch konsequenter durchzuführen. Den Kranz
in der Mitte der unteren Leiste, der zur Aufnahme eines Wappens bestimmt ist,
aber lange nicht so elegant wirkt, als die gekreuzten Wappenschilder des „Cepio",
hat er aus der Miniaturmalerei übernommen. Im ganzen erscheint diese Bordüre etwas
schwerfällig und steht nicht auf der gleichen künstlerischen Stufe, wie die älteren
Erzeugnisse von Bernhards Bücherornamentik.

5 Hain 1307. Vgl. Redgrave a. a. 0., S.26, Borders Nr.2 u.3, S. 27, Nr. 2. Abg. Redgrave
T. I u. IX und Essling a. a. 0., I, 217 u. 218.

2) Hain 6226. Vgl. Redgrave S. 26, Borders Nr. 5. Abg. Essling a. a. 0., I, 244.

8) Hain 11016. Redgrave S. 27, Nr. 5. Abg. T. VIII.

4) Vgl. Redgrave a. a. 0., S. 27, Nr. 3. Abg. Tafel V u. VI.

5)Hain 4849. Vgl. Redgrave a. a. 0., S. 26 u. 27, Nr. 3. Abg. Redgrave T. V u. Essling
a. a. 0., I, 243.

6) Hain 4392. Vgl. Redgrave S. 26, Borders Nr. 6. Abg. Redgrave T. VI u. Essling a. a. 0.,
I, 251. Von der großen Initialenserie (Redgrave S. 27, Nr. 2), deren übrige Buchstaben der vorigen
Gruppe angehören, ist das I bereits in dieser Art gezeichnet.
 
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