L. Baer. Bernhard, Maler von Augsburg, und die Bücherornamentik 51
mentik einführte. Durch sie gab er erst dem Buchschmuck der Frührenaissance sein
charakteristisches Gepräge. Diese Bordüren und Initialen bestehen aus einem schwarzen
(bei Rotdruck natürlich rotem) viereckigen Block, aus dem sich die Zeichnung in weißer
Farbe abhebt. Durch den dunkeln Grund erhalten jene Schmuckstücke einen graden
äußeren Abschluß, und es wird ihnen außerdem dank ihrer vorherrschend schwarzen
Farbe ein besonderer Nachdruck verliehen. Besonders für die Initialen eignet sich
diese Art der Ornamentik in hervorragendem Maße. Durch den gradlinigen Abschluß
passen sie sich den ruhigen Formen der Antiqua besser an, als die offene gotische
Initiale, die mit ihren unregelmäßigen Konturen immer die Harmonie des Druckbildes
zerreißt. Die besondere Betonung durch die schwarze Farbe, wodurch die Zierbuch-
staben sofort ins Auge fallen, ist deshalb zweckmäßig, weil dadurch die Initialen ihre
Aufgabe, die Kapitel- und Abschnittanfänge zu bezeichnen, in ausreichendem Maße
erfüllen können, ohne daß diese Textabschnitte durch das, den typographischen Ein-
druck störende, „Einrücken" der ersten Textzeile noch besonders markiert zu werden
brauchen.1) Damit nun der schwarze Hintergrund nicht allzu aufdringlich wirkt, hat
Bernhard die Fläche durch Ornamente belebt, die den weiß ausgesparten, sehr kräftigen
Buchstabenkörper umgeben und die Fläche ziemlich gleichmäßig überspinnen. Zunächst
hat er hierbei regelmäßige, meist spiralenförmig ineinandergeschlungene Pflanzenstengel
verwendet, die in der Mitte in ebenfalls stark stilisierten Blüten endigen. Die Blüten-
stengel treten sehr stark hervor und beherrschen durch ihre ruhigen Linien das Ganze.2)
Gerade in dieser durch die Stilisierung erreichten Hervorhebung der Hauptlinien, die sich
regelmäßig über den ganzen Raum verteilen und dem Ornament eine außerordentliche
Ruhe verleihen, haben wir ein besonderes Charakteristikum der Renaissanceornamentik
zu erblicken. Übrigens ist das hier verwendete Hauptmotiv nichts weiter als eine Ab-
leitung von der sogenannten Schlingornamentik, die in der Miniaturmalerei schon seit
den Zeiten der merovingischen Kunst") sehr verbreitet gewesen ist und auch bei der
malerischen Ausschmückung früher italienischer Inkunabeln mit Vorliebe Verwendung
gefunden hat. Vornehmlich die venezianischen Erstdrucke haben fast durchgängig der-
artige mit Schlingornamenten verzierte, gemalte Bordüren und Initialen, wobei die
Zierformen meist aus einem blauen Untergründe weiß ausgespart sind. Wenn Bern-
hard sie von diesen Vorbildern übernahm, so liegt die Vermutung nahe, daß er viel-
leicht selbst vor seinem Eintritte in die Druckfirma als Miniaturmaler mit der Aus-
schmückung von Inkunabeln beschäftigt gewesen sei. Nimmt man das an, so würde
erschienenen Sueton (Hain 15115) in der Rylands-Library in Manchester. Da jedoch dieser Buch-
schmuck in der Mehrzahl der erhaltenen Exemplare nicht vorkommt, muß man annehmen, daß er
in die oben angeführten Bücher erst nachträglich mit der Hand eingefügt worden ist. Und es ist
nicht ganz unwahrscheinlich, daß dies erst Ende der 70er Jahre auf die von den Ratdoltschen
Drucken ausgehende Anregung hin geschehen ist.
9 In neuster Zeit hat man auch die störende ästhetische Wirkung des „Einrückens" er-
kannt und ist in den Erzeugnissen modernster Typographie wieder darauf zurückgekommen, die
Kapitelanfänge nur durch viereckig abgeschlossene Initialen zu bezeichnen.
2) Diese Initialen sind besonders wirkungsvoll, wenn, wie das in der Regel geschehen ist,
der Buchstabenkern mit der Hand rot ausgemalt wurde.
°) Die sie von der Antike übernahm.
mentik einführte. Durch sie gab er erst dem Buchschmuck der Frührenaissance sein
charakteristisches Gepräge. Diese Bordüren und Initialen bestehen aus einem schwarzen
(bei Rotdruck natürlich rotem) viereckigen Block, aus dem sich die Zeichnung in weißer
Farbe abhebt. Durch den dunkeln Grund erhalten jene Schmuckstücke einen graden
äußeren Abschluß, und es wird ihnen außerdem dank ihrer vorherrschend schwarzen
Farbe ein besonderer Nachdruck verliehen. Besonders für die Initialen eignet sich
diese Art der Ornamentik in hervorragendem Maße. Durch den gradlinigen Abschluß
passen sie sich den ruhigen Formen der Antiqua besser an, als die offene gotische
Initiale, die mit ihren unregelmäßigen Konturen immer die Harmonie des Druckbildes
zerreißt. Die besondere Betonung durch die schwarze Farbe, wodurch die Zierbuch-
staben sofort ins Auge fallen, ist deshalb zweckmäßig, weil dadurch die Initialen ihre
Aufgabe, die Kapitel- und Abschnittanfänge zu bezeichnen, in ausreichendem Maße
erfüllen können, ohne daß diese Textabschnitte durch das, den typographischen Ein-
druck störende, „Einrücken" der ersten Textzeile noch besonders markiert zu werden
brauchen.1) Damit nun der schwarze Hintergrund nicht allzu aufdringlich wirkt, hat
Bernhard die Fläche durch Ornamente belebt, die den weiß ausgesparten, sehr kräftigen
Buchstabenkörper umgeben und die Fläche ziemlich gleichmäßig überspinnen. Zunächst
hat er hierbei regelmäßige, meist spiralenförmig ineinandergeschlungene Pflanzenstengel
verwendet, die in der Mitte in ebenfalls stark stilisierten Blüten endigen. Die Blüten-
stengel treten sehr stark hervor und beherrschen durch ihre ruhigen Linien das Ganze.2)
Gerade in dieser durch die Stilisierung erreichten Hervorhebung der Hauptlinien, die sich
regelmäßig über den ganzen Raum verteilen und dem Ornament eine außerordentliche
Ruhe verleihen, haben wir ein besonderes Charakteristikum der Renaissanceornamentik
zu erblicken. Übrigens ist das hier verwendete Hauptmotiv nichts weiter als eine Ab-
leitung von der sogenannten Schlingornamentik, die in der Miniaturmalerei schon seit
den Zeiten der merovingischen Kunst") sehr verbreitet gewesen ist und auch bei der
malerischen Ausschmückung früher italienischer Inkunabeln mit Vorliebe Verwendung
gefunden hat. Vornehmlich die venezianischen Erstdrucke haben fast durchgängig der-
artige mit Schlingornamenten verzierte, gemalte Bordüren und Initialen, wobei die
Zierformen meist aus einem blauen Untergründe weiß ausgespart sind. Wenn Bern-
hard sie von diesen Vorbildern übernahm, so liegt die Vermutung nahe, daß er viel-
leicht selbst vor seinem Eintritte in die Druckfirma als Miniaturmaler mit der Aus-
schmückung von Inkunabeln beschäftigt gewesen sei. Nimmt man das an, so würde
erschienenen Sueton (Hain 15115) in der Rylands-Library in Manchester. Da jedoch dieser Buch-
schmuck in der Mehrzahl der erhaltenen Exemplare nicht vorkommt, muß man annehmen, daß er
in die oben angeführten Bücher erst nachträglich mit der Hand eingefügt worden ist. Und es ist
nicht ganz unwahrscheinlich, daß dies erst Ende der 70er Jahre auf die von den Ratdoltschen
Drucken ausgehende Anregung hin geschehen ist.
9 In neuster Zeit hat man auch die störende ästhetische Wirkung des „Einrückens" er-
kannt und ist in den Erzeugnissen modernster Typographie wieder darauf zurückgekommen, die
Kapitelanfänge nur durch viereckig abgeschlossene Initialen zu bezeichnen.
2) Diese Initialen sind besonders wirkungsvoll, wenn, wie das in der Regel geschehen ist,
der Buchstabenkern mit der Hand rot ausgemalt wurde.
°) Die sie von der Antike übernahm.