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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

ist ein charakteristisches Beispiel dafür. Vielleicht gehören Bernhards Bilder zu dieser
Gruppe. Aber das ist nur eine Vermutung, die sich vorerst nicht durch sichere Gründe
belegen läßt und nur ganz allgemein die Richtung andeuten soll, wie wir uns Bernhards
Tätigkeit als Maler vorzustellen haben. Weiter können wir in dieser Frage erst
kommen, wenn sich noch urkundliche Notizen über diesen Meister finden sollten, und
wenn vor allem einmal sein eigentlicher Familienname bekannt werden würde.


IE Spuren von Bernhard, des Malers, Persönlichkeit, ja beinahe alle
Daten seines Lebens, sind fast ganz in Vergessenheit geraten. Aber
die Erzeugnisse seiner künstlerischen Wirksamkeit haben anregend und
befruchtend gewirkt auf die Entwicklung der Bücherornamentik aller
Kulturvölker bis in die neuste Zeit. Für die künstlerische Ausstattung
der italienischen Drucke blieb sie in den beiden letzten Jahrzehnten des

XV. Jahrhunderts vorbildlich, sogar fast allein maßgebend. Und als Erhard Rat-
dolt im Jahre 1486 wieder nach Deutschland zurückkehrte, um in seiner Vaterstadt
Augsburg eine Druckerei zu entrichten, da brachte er die alten Stöcke der von Bern-
hard entworfenen Initialen und Bordüren dorthin mit. Von nun an verwendete er sie
öfters in seinen zahlreichen, meist lithurgischen Drucken, die in der neuen Offizin
herauskamen.1) Diese Erscheinung ist von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung
gewesen. Wir finden in den Ratdoltschen Drucken zum ersten Male italienische Re-
naissanceornamente auf deutschem Boden; es ist dies überhaupt der erste Schritt zur
Verpflanzung der Renaissancekunst nach Deutschland, ein Vorgang, der eine so ein-
schneidende Wandlung in der Entwicklung der deutschen Kunst herbeiführen sollte.
Man mag über den Wert der Renaissancekunst verschiedener Meinung sein und ohne
weiteres zugeben, daß sie, als sie von den Epigonen des XVI. Jahrhunders mißbraucht
wurde, für die deutsche Kunst verhängnisvoll geworden ist. Aber das läßt sich jeden-
falls nicht bestreiten, daß damals, bei ihrem ersten Auftreten, die Renaissanceorna-
mentik von den deutschen Künstlern — und auch von den allergrößten — mit Be-
geisterung aufgenommen wurde. Und das ist auch leicht begreiflich. Die Gotik hatte
sich überlebt. Man war müde geworden, immer wieder dieselben Formen zu sehen,
die zwei und ein halbes Jahrhundert fast unbeschränkt die deutsche Kunst beherrscht
hatten. Selbst die gezwungen unruhige, in ihrer wilden Unregelmäßigkeit fast sensa-
tionshaschende, spätgotische Fischblasenornamentik konnte keine neuen Lösungen mehr
bringen. Unter diesen Verhältnissen tauchte die Renaissanceornamentik mit ihrer „gött-
lichen Ruhe" auf, jene abgewogenen Formen, die durch überlegene Sicherheit in der
Beherrschung von Linie und Raum mit jedem Zug den ästhetischen Bedürfnissen eines
stilsuchenden Zeitalters entgegenzukommen schienen. Vornehmlich in der Ausstattung
des gedruckten Buches, wo es galt, auch die durch die Erzeugnisse der mit reicheren
Mitteln arbeitenden Handschriftenmalerei verwöhnten Augen zu befriedigen, und wo
man daher von jeher auf eine möglichst stilvolle Gestaltung des Druckbildes den
größten Wert gelegt hatte, fand die Renaissanceornamentik einen günstigen Boden.
9 Bereits in der Druckankündigung von 1486 (abg. in Burger, Monumenta Germaniae et
Italiae typographica, Tafel 5) findet sich eine solche Initiale.
 
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