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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 2. Oberitalienische Maler gegen 1300
Madonna □
□ H. 0. Miethke, Wien
wickelt wird dieser Typus auf eine eigentümliche
Weise in Siena: Duccios kleine Madonna mit
den drei Franziskanern und die Madonna in
Crevole zeigen über den Vorhang oder über
Wolkenbänke gelehnte kleine Himmelsboten,
welche dem Motiv nach als genreartig natu-
ralistisch umgestaltete Fortbildungen der Ge-
stalten auf der Madonna von Rovezzano bei-
spielsweise leicht zu erkennen sind. Diese
genreartig dekorative Anordnung der Engel
schwebt dem Meister der Madonna Ruccella,
vor, als er in dem großen monumentalen Bilde
je drei kniende Engel übereinander zu Seiten
des Thrones der Himmelskönigin aufreiht. Früher
war ich geneigt, daraus den Schluß zu ziehen,
er könne Cimabues große Neuerung (die großen
stehenden Engel) noch nidit gekannt haben;
jetzt will ich diese Möglichkeit doch nicht in
Abrede stellen. Jedenfalls hat er sich dann aber
der florentinischen Neuerung gegenüber merk-
würdig ablehnend verhalten und hat sich auf
einen isolierten Standpunkt begeben, auf welchen
ihm niemand nachfolgte. Denn die späteren
Sienesen erkannten die Größe von Cimabues
Komposition. Die Altartafel in der Stadtgallerie
von Cittä di Castello (Klass. Bilderschatz Nr. 1615)
sowie die von demselben Sienesen (ich glaube
Meo da Siena) stammende Madonna der Na-
tional Gallery (unter Cimabues Namen) zeigen
aufs getreueste Cimabues Typus; auch die Maestä
Simones erweist sich kompositionell als Weiter-
bildung dieses Schemas. Ich weiß, was man
mir hier einsdialten wird: meine ganze Deduk-
Abb. 3. Toskanische Meister um 1265. Madonna
S. Michele, Rovezzano
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 2. Oberitalienische Maler gegen 1300
Madonna □
□ H. 0. Miethke, Wien
wickelt wird dieser Typus auf eine eigentümliche
Weise in Siena: Duccios kleine Madonna mit
den drei Franziskanern und die Madonna in
Crevole zeigen über den Vorhang oder über
Wolkenbänke gelehnte kleine Himmelsboten,
welche dem Motiv nach als genreartig natu-
ralistisch umgestaltete Fortbildungen der Ge-
stalten auf der Madonna von Rovezzano bei-
spielsweise leicht zu erkennen sind. Diese
genreartig dekorative Anordnung der Engel
schwebt dem Meister der Madonna Ruccella,
vor, als er in dem großen monumentalen Bilde
je drei kniende Engel übereinander zu Seiten
des Thrones der Himmelskönigin aufreiht. Früher
war ich geneigt, daraus den Schluß zu ziehen,
er könne Cimabues große Neuerung (die großen
stehenden Engel) noch nidit gekannt haben;
jetzt will ich diese Möglichkeit doch nicht in
Abrede stellen. Jedenfalls hat er sich dann aber
der florentinischen Neuerung gegenüber merk-
würdig ablehnend verhalten und hat sich auf
einen isolierten Standpunkt begeben, auf welchen
ihm niemand nachfolgte. Denn die späteren
Sienesen erkannten die Größe von Cimabues
Komposition. Die Altartafel in der Stadtgallerie
von Cittä di Castello (Klass. Bilderschatz Nr. 1615)
sowie die von demselben Sienesen (ich glaube
Meo da Siena) stammende Madonna der Na-
tional Gallery (unter Cimabues Namen) zeigen
aufs getreueste Cimabues Typus; auch die Maestä
Simones erweist sich kompositionell als Weiter-
bildung dieses Schemas. Ich weiß, was man
mir hier einsdialten wird: meine ganze Deduk-
Abb. 3. Toskanische Meister um 1265. Madonna
S. Michele, Rovezzano