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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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MONATSHEFTE
^KUNSTWISSENSCHAFT-
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Herausgeber: DR- GEORG BIERMANN
Redaktion: LEIPZIG, Liebigstr. 2

Heft 3

1909

II. Jahrg.

Germanische Frühkunst
Von E. A. Stückelberg
Bis in die letzten Jahre hinein wurden unzählige Denkmäler des Frühmittel-
alters als romanische angesprochen; es durfte bereits als Fortschritt begrüßt werden,
als man begann, einzelnes als vorromanisch auszusondern. Aber über viele Denk-
mäler blieben die Meinungen geteilt und die Datierung schwankt noch außerordentlch.1)
Es erscheint daher dem Verfasser die Veröffentlichung charakteristischer und reich-
haltiger Funde ein Schritt zum Ziele zu sein. Die Erreichung des Zieles wäre: das
VI., VII., VIII., IX. Jahrhundert in der Kunstgeschichte mit Denkmälern aller Kunst-
gattungen zu bevölkern.
In den nachfolgenden Zeilen sind hauptsächlich die Monumente, die auf dem
Gebiet der heutigen Schweiz erhalten sind, im besonderen die Funde des Verfassers
in Disentis zugrunde gelegt. Gänzlich abgesehen ist von den Grab- und Kleinfunden
alemannischer, burgundischer, fränkischer und langobardischer Nekropolen.
Die monumentale Kunst des germanischen Frühmittelalters beschränkt sich, wie
es bis jetzt scheint, auf Bauwerke kirchlichen Charakters. In der Kirche, im Kloster
und in deren Dependenzen haben wir die Monumente zu suchen. Die Militärarchitektur
hat selten künstlerischen oder bleibenden Charakter und ähnliches gilt vom Zivilbau.
Die Hütte aus Holz und Lehm, das kunstlose Haus aus rohem Bruchstein, unter-
mischt mit antiken Spolien, sind nicht erhalten geblieben; mitsamt ihren primitiven Zier-
raten sind sie überall der Zeit zum Opfer gefallen. Geblieben sind nur da und dort
Reminiszenzen an uralte Baugewohnheiten.
Bei der kirchlichen Architektur sehen wir als Grundlage die spätantike oder
altchristliche Tradition; der griechische oder lateinische Priester, Missionar, Mönch bringt
mit den Büchern, Lehren, Zeremonien auch die dem christlichen Tempelbau eigenen,
wohldurchdachten und vielfach ausprobierten Bauformen mit. Je nach dem Klima, dem
') Wir denken an die auffallenden Diskrepanzen in der Datierung bekannter Denkmäler
zu Pavia (Fassaden von S. Michele und Ciel d'Oro), von Mailand (S. Ambrogio, Altar, Ciborium),
von Monza (Schatz), von Cividale. Bald wird das VII. oder VIII. Jahrhundert, bald die Karolinger-
Oder Ottonenzeit, bald das XII. oder XIII. Jahrhundert als Datum angegeben. Während des
Druckes dieser Zeilen ist Haupt's ausgezeichnetes Buch über die Baukunst der Germanen (Leipzig
1909) erschienen.

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