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Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 5. Goldschmelztafel von der
Monomachkrone □
Adlerstoff der Brixener Kasel und Verwandtes. Der Islam hat ein Beispiel des X. Jahr-
hunderts in den Adlern auf dem marmornen Brunnenbecken aus Medinet ez Zahra,
jetzt im Museum von Madrid (abgeb. Migeon, Manuel S. 73) aufzuweisen, von späteren
Seidenstoffen abgesehen.
Für die seltsame Akrobatengruppe, die den regelmäßigen Wechsel der Palmen
und Tänzerinnen unterbricht, ist ein byzantinisches Vorbild kaum nadizuweisen. Auf
islamitischen Mossulbronzen dagegen sind ähnlidie
Darstellungen vorhanden; doch ist zu beachten, daß
die Tracht der Akrobaten auf dem Innsbrucker Becken
nicht orientalisch, sondern antikisierend ist.
Alle übrigen Figuren des Beckens gehen un-
mittelbar auf byzantinische Vorbilder zurück. Die
Tänzerinnen tragen nicht nur antike Gewandung,
sondern sie kehren auch mit allen wesentlichen Kenn-
zeichen auf einem vollkommen gesicherten byzan-
tinischen Denkmal wieder. Auf den Goldschmelz-
platten der Krone des Kaisers Konstantin Monomach
im Pester Museum (abgeb. bei Bock, Reichskleinodien II,
bei Kondakoff, S. 246, Abb. 75 und in den Chefs
d'ceuvre d'orfevrerie, Budapest 1884, II. Band), sind
zwei Tänzerinnen in genau derselben Haltung und
Bewegung dargestellt, mit dem antiken Motiv der hoch
über den Kopf geschwungenen Schärpen, mit der
gleichen Gewandung, mit demselben Umschlag des
unteren Gewandsaumes über dem emporgeworfenen
Bein (Abb. 5). Die Herzmusterung der Kleider ist
im Goldzellenschmelz von Byzanz auch sonst oft zu
sehen (vgl. Kondakoff Tafel 9 und 11). Hier ist die
Nachbildung ganz offenkundig und auch die Priorität
ist für Byzanz gesichert, denn die Monomachkrone
ist zwischen 1042 und 1054 gearbeitet, also ein Jahr-
hundert vor dem Becken des Rukn ed daula Daud
von Hisn Keifa. Das Mittelbild stellt offenbar des
Pseudo-Kallisthenes Sage von der frevelhaften Himmelfahrt Alexanders des Großen
dar, die in der christlichen Kunst der romanischen Zeit als Symbol des Hochmuts ver-
wendet wurde (Beispiele sind zusammengestellt von Graeven in den Bonner Jahr-
büchern, Band 108, S. 269). Der König spannt hungrige Greifen oder Adler vor
seinen Wagen und läßt sich, während er ihnen an Stangen Köder vorhält, in die Lüfte
tragen. Alle typischen Einzelheiten sind auf dem Becken vorhanden; es scheint aber, daß
der sarazenische Verfertiger den Sinn seiner Vorlage nicht mehr verstanden hat.
Denn die Räder des Wagens stehen mit dem letzteren nicht mehr in Verbindung, sie
sind als lose Scheiben seitlich ins Ornament geraten; auch einer der Köder hat sich
von der Stange entfernt. Daraus ist zu schließen, daß der muslimische Emailleur
Monatshefte für Kunstwissenschaft
Abb. 5. Goldschmelztafel von der
Monomachkrone □
Adlerstoff der Brixener Kasel und Verwandtes. Der Islam hat ein Beispiel des X. Jahr-
hunderts in den Adlern auf dem marmornen Brunnenbecken aus Medinet ez Zahra,
jetzt im Museum von Madrid (abgeb. Migeon, Manuel S. 73) aufzuweisen, von späteren
Seidenstoffen abgesehen.
Für die seltsame Akrobatengruppe, die den regelmäßigen Wechsel der Palmen
und Tänzerinnen unterbricht, ist ein byzantinisches Vorbild kaum nadizuweisen. Auf
islamitischen Mossulbronzen dagegen sind ähnlidie
Darstellungen vorhanden; doch ist zu beachten, daß
die Tracht der Akrobaten auf dem Innsbrucker Becken
nicht orientalisch, sondern antikisierend ist.
Alle übrigen Figuren des Beckens gehen un-
mittelbar auf byzantinische Vorbilder zurück. Die
Tänzerinnen tragen nicht nur antike Gewandung,
sondern sie kehren auch mit allen wesentlichen Kenn-
zeichen auf einem vollkommen gesicherten byzan-
tinischen Denkmal wieder. Auf den Goldschmelz-
platten der Krone des Kaisers Konstantin Monomach
im Pester Museum (abgeb. bei Bock, Reichskleinodien II,
bei Kondakoff, S. 246, Abb. 75 und in den Chefs
d'ceuvre d'orfevrerie, Budapest 1884, II. Band), sind
zwei Tänzerinnen in genau derselben Haltung und
Bewegung dargestellt, mit dem antiken Motiv der hoch
über den Kopf geschwungenen Schärpen, mit der
gleichen Gewandung, mit demselben Umschlag des
unteren Gewandsaumes über dem emporgeworfenen
Bein (Abb. 5). Die Herzmusterung der Kleider ist
im Goldzellenschmelz von Byzanz auch sonst oft zu
sehen (vgl. Kondakoff Tafel 9 und 11). Hier ist die
Nachbildung ganz offenkundig und auch die Priorität
ist für Byzanz gesichert, denn die Monomachkrone
ist zwischen 1042 und 1054 gearbeitet, also ein Jahr-
hundert vor dem Becken des Rukn ed daula Daud
von Hisn Keifa. Das Mittelbild stellt offenbar des
Pseudo-Kallisthenes Sage von der frevelhaften Himmelfahrt Alexanders des Großen
dar, die in der christlichen Kunst der romanischen Zeit als Symbol des Hochmuts ver-
wendet wurde (Beispiele sind zusammengestellt von Graeven in den Bonner Jahr-
büchern, Band 108, S. 269). Der König spannt hungrige Greifen oder Adler vor
seinen Wagen und läßt sich, während er ihnen an Stangen Köder vorhält, in die Lüfte
tragen. Alle typischen Einzelheiten sind auf dem Becken vorhanden; es scheint aber, daß
der sarazenische Verfertiger den Sinn seiner Vorlage nicht mehr verstanden hat.
Denn die Räder des Wagens stehen mit dem letzteren nicht mehr in Verbindung, sie
sind als lose Scheiben seitlich ins Ornament geraten; auch einer der Köder hat sich
von der Stange entfernt. Daraus ist zu schließen, daß der muslimische Emailleur