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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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C. Glaser. Eine Zeichnung Hans Holbeins d. Ä. nach einer italienischen Plakette 315

folgerichtigen Entwicklung des Holbeinschen
Pilatustypus, wie sie sich von der Donaueschinger
Passion über den Frankfurter Altar zu dem aus
Kloster Kaisheim und den verwandten Werken
verfolgen läßt, und die auch mit der allgemeinen
Entwicklung der Typen völlig übereingeht, fällt
es nicht leicht, an das Dazwischentreten eines
fremden Vorbildes zu glauben, doch erscheint
die Beziehung zwischen der Medaille und Hol-
beins Pilatus zu schlagend, um vernachlässigt
werden zu dürfen. Man muß annehmen, daß
Holbein, dessen Skrupellosigkeit in der Ver-
wendung fremder Vorbilder ja oft erwiesen
werden konnte, hier das Bildnis des Griechen-
kaisers in demselben Sinne verwandte wie seine
eigenen Porträtstudien. Ein ähnlicher Typus
mag ihm vorgeschwebt haben, und beim Suchen
nach einem geeigneten Vorbilde — denn der
Gestaltungskraft seiner Phantasie allein ver-
traute Holbein nicht allzusehr — fiel ihm eben
dieses Bildnis in die Hände. Die Eigentümlichkeit
daß bei anderen Einstellungen des Kopfes die
Ähnlichkeit mit dem Profil, das als Ausgang
diente, fast ganz verloren geht, teilt dieser Pilatus
mit anderen Holbeinschen Typen. Immerhin läßt
auch dieser Umstand darauf schließen, daß nicht
die volle plastische Vorstellung eines selbst ge-
sehenen Menschen dem Typus zur Grundlage
diente.
Ein dritter Fall von Verwendung einer italieni-
schen Vorlage läßt sich nicht ebenso einwand-
frei beweisen wie die beiden ersten, immerhin
ist es wahrscheinlich, daß der sehr charakte-
ristische Papsttypus, den Holbein mehrfach ver-


MODERNO: Sturz des Phaeton
□ Bronzeplakette


HANS HOLBEIN D. Ä.: Sturz des Phaeton
□ Silberstiftzeichnung

wendet 1), und der am besten auf dem Frank-
furter Blatt mit Porträtstudien in Silberstift 2)
studiert werden kann, auf ein italienisches Me-
daillenporträt zurückgeht. Daß Weis-Liebersdorf
irrt, wenn er eine Ähnlichkeit mit Alexander VI,
feststellen zu können meint 3), scheint mir sicher.
Mit Gewißheit das Vorbild Holbeins nachzuweisen,
ist jedoch in diesem Falle nicht möglich. Es gibt
mehrere Medaillen, die zum Vergleich heran-
gezogen werden könnten, und die Möglichkeit,
daß Holbein aus einer Reihe von Papstporträts
seinen Typus geformt habe, ist nicht von der
Hand zu weisen. Die charakteristische Form des
Auges mit der hochgeschobenen Braue, die Art,
wie die Tiara aufsitzt und das Ohr bedeckt, er-

ß Weltgerichtsfenster in Eichstätt. Paulusbasilika.
Entwurf eines Allerheiligenaltares, Frankfurt, mein Ver-
zeichnis der Handzeichnungen Nr. 67.
2) Verzeichnis Nr. 98. Neuerdings vortrefflich publi-
ziert als Nr. 3 der Handzeichnungen alter Meister im
Städelschen Kunstinstitut.
J) A. a. 0. S. 92.

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