E. Firmenich-Richartz. Ist die Kölner Wicken-Madonna eine Fälschung? 425
Abb. 3. Meister des Marienlebens: Maria mit
dem Kinde □
□ Kaiser Friedrich-Museum, Berlin
am linken Flügel des Altarschreines zu Niederwildungen das Kosen der ruhenden
Mutter mit dem neugeborenen Jesus vorführte. Die verwandte Auffassung beweist wie
vollkommen eben diese Lösung dem damaligen Formensinn wie den künstlerischen
Fähigkeiten beim Zusammenordnen einer Gruppe entsprach. Kein Zug deckt sich
völlig und doch bedingt die Übereinstimmung der Prinzipien wie der beliebten Aus-
drucksmittel eine ganz ähnliche Kon-
figuration. Vergl. Abbildung 1.
Sind es in diesen Fällen die um-
fassenden Zusammenhänge oder allge-
meine Grundbedingungen der Kunstübung,
welche die annähernde Gleichheit des
bildnerischen Gehaltes der Kompositionen
verursachen, so stand in Köln die Per-
sönlichkeit eines Meisters von weitreichen-
dem Ruf hinter dem mustergültigen Werke.
Diesem Vorbilde werden ganze Gestalten
oder einzelne Motive unmittelbar ent-
nommen. Besonders die statuarischen Ge-
wandfiguren an den Flügeln kehren häufig
wieder. Schon die Gleichartigkeit der
stark vergröberten Typen weiblicher
Heiligen auf den Tafeln in Nürnberg,
Berlin und Darmstadt1) spricht für
feste Schultraditionen. Wenn die Originale
uns fehlten, könnte man wohl aus solchen
Abwandlungen ihre einstige Bedeutung
feststellen.
Andere Nachwirkungen des be-
liebten Andachtsbildes können nicht be-
stritten werden, entziehen sich aber der Ausnutzung selbst eines phantasiereichen Imitators.
Eine Rekonstruktion des Urbildes aus weitverstreuten Reminiszenzen, eine Vereinigung
9 Als Wiederholungen oder freie Umbildungen der Kölner Flügelfiguren kommen zunächst
in Betracht: a) Die beiden Flügeltafeln im Germanischen Museum zu Nürnberg Nr. 2 und 3.
Sta. Catharina und Elisabeth. Die Erstere ist eine vergröberte Variante der entsprechenden
Kölner Figur von der Hand des Hauptmeisters. Restauriert. Tannenholz. Lithographien von
Strixner und Schöninger 1832. b) Altar in reichgeschnitztem Rahmen mit den Heiligenfiguren
Barbara, Catharina, Gregorius, Gereon, Helena, Anno, Stephanus und Elisabeth, außen „Die Ver-
kündigung". Neuerwerbung für das Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin aus der Samm-
lung des Baron Brenken zu Wewer vormals beim Grafen Haxthausen. (Franz Kugler: Gesch.
d. Malerei I, 279 Anm.) Die hl. Elisabeth ist der Figur in Nürnberg mit kleinen Änderungen
nachgebildet. Sta. Barbara schließt sich in vergrößertem Maßstab den Flügelbildern des Kölner
Triptychons an. Eichenholz, c) Im Großherzogl. Museum zu Darmstadt Nr. 160. Die
Votivtafel des Joh. Rost de Cassel und der Aleid Cleingedank. Entstand bald nach 1409. Der Anschluß
der entsprechenden Heiligenfiguren an das Kölner Marienaltärchen gibt einen Anhalt zu dessen
Abb. 3. Meister des Marienlebens: Maria mit
dem Kinde □
□ Kaiser Friedrich-Museum, Berlin
am linken Flügel des Altarschreines zu Niederwildungen das Kosen der ruhenden
Mutter mit dem neugeborenen Jesus vorführte. Die verwandte Auffassung beweist wie
vollkommen eben diese Lösung dem damaligen Formensinn wie den künstlerischen
Fähigkeiten beim Zusammenordnen einer Gruppe entsprach. Kein Zug deckt sich
völlig und doch bedingt die Übereinstimmung der Prinzipien wie der beliebten Aus-
drucksmittel eine ganz ähnliche Kon-
figuration. Vergl. Abbildung 1.
Sind es in diesen Fällen die um-
fassenden Zusammenhänge oder allge-
meine Grundbedingungen der Kunstübung,
welche die annähernde Gleichheit des
bildnerischen Gehaltes der Kompositionen
verursachen, so stand in Köln die Per-
sönlichkeit eines Meisters von weitreichen-
dem Ruf hinter dem mustergültigen Werke.
Diesem Vorbilde werden ganze Gestalten
oder einzelne Motive unmittelbar ent-
nommen. Besonders die statuarischen Ge-
wandfiguren an den Flügeln kehren häufig
wieder. Schon die Gleichartigkeit der
stark vergröberten Typen weiblicher
Heiligen auf den Tafeln in Nürnberg,
Berlin und Darmstadt1) spricht für
feste Schultraditionen. Wenn die Originale
uns fehlten, könnte man wohl aus solchen
Abwandlungen ihre einstige Bedeutung
feststellen.
Andere Nachwirkungen des be-
liebten Andachtsbildes können nicht be-
stritten werden, entziehen sich aber der Ausnutzung selbst eines phantasiereichen Imitators.
Eine Rekonstruktion des Urbildes aus weitverstreuten Reminiszenzen, eine Vereinigung
9 Als Wiederholungen oder freie Umbildungen der Kölner Flügelfiguren kommen zunächst
in Betracht: a) Die beiden Flügeltafeln im Germanischen Museum zu Nürnberg Nr. 2 und 3.
Sta. Catharina und Elisabeth. Die Erstere ist eine vergröberte Variante der entsprechenden
Kölner Figur von der Hand des Hauptmeisters. Restauriert. Tannenholz. Lithographien von
Strixner und Schöninger 1832. b) Altar in reichgeschnitztem Rahmen mit den Heiligenfiguren
Barbara, Catharina, Gregorius, Gereon, Helena, Anno, Stephanus und Elisabeth, außen „Die Ver-
kündigung". Neuerwerbung für das Kaiser Friedrich-Museum zu Berlin aus der Samm-
lung des Baron Brenken zu Wewer vormals beim Grafen Haxthausen. (Franz Kugler: Gesch.
d. Malerei I, 279 Anm.) Die hl. Elisabeth ist der Figur in Nürnberg mit kleinen Änderungen
nachgebildet. Sta. Barbara schließt sich in vergrößertem Maßstab den Flügelbildern des Kölner
Triptychons an. Eichenholz, c) Im Großherzogl. Museum zu Darmstadt Nr. 160. Die
Votivtafel des Joh. Rost de Cassel und der Aleid Cleingedank. Entstand bald nach 1409. Der Anschluß
der entsprechenden Heiligenfiguren an das Kölner Marienaltärchen gibt einen Anhalt zu dessen