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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 2.1909

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Monatshefte für Kunstwissenschaft

der vielgerühmte J. A. Ramboux die leeren Nischen des Antependiums aus Sta.
Ursula füllte, eines Meisterwerkes der niederrheinischen Grubenschmelzkunst um 1175,
jetzt im Kunstgewerbe-Museum, und die Malereien an den Seitenwänden des
Albinusschreines in Sta. Maria in der Schnurgasse (Düsseldorfer Ausstellung 1902
Nr. 504). Auch der begabte C. B. Beckenkamp vermag in seinen glatten sauberen
Kopien diesen inneren Zwiespalt nicht ohne merklichen Rest auszugleichen.
Unmöglich konnten diese Kräfte dazu hinreichen, was selbst beim Clarenaltar
nicht gelang, disparate Elemente in einem Guß zu verbinden, allenthalben aufgelesene
Motive zusammenzufassen und aus ihnen Kompositionen zu läutern, die ihren festen
Platz folgerichtig innerhalb der Entwicklungsreihe einnehmen.
Überragende Kunstwerke pflegten in alter Zeit weite Kreise um sich zu ziehen.
Es war nicht immer Gedankenarmut, wenn man angebahnte Wege nicht verließ und
an Bekanntes anknüpfte. Diese Gesinnung entsprach dem Zweck der Andachtskunst.
Doch dabei entstanden nicht bloße Wiederholungen, neues aus eigener Erfindung
drängte sich ein; man veränderte, schaltete frei mit dem ererbten Schatz, so daß von
der gesamten ursprünglichen Erfindung zuletzt nur eine unvergeßliche Wendung, ein
beredter Zug oder der künstlerische Ausdruck für die beherrschende Stimmung übrig
bleibt. Allmählich verblaßend erhielten sich die edelsten Inspirationen langdauernd
und wurden Gemeingut.
Kein Verständiger wird deshalb nach Feststellung solcher Verbindungslinien
etwa das Dombild für ein modernes mixtum compositum unter Benutzung eines
Gemäldes des Glorifikationsmeisters (Aachen) und eines Kupferstiches des „maitre aux
banderoles" (Lehrs 1, Dresden) proklamieren oder den Epiphanienaltar des Roger van
der Weyden aus St. Columba aus dem Grunde anzweifeln, weil dessen Mittelgruppe
sich noch im Domfenster von 1508 wiederfindet. Auf eben diesen „Meister der hl.
Sippe" wirkte an anderer Stelle (Altar der sieben Freuden Mariä, Collection Dollfus,
Paris) faszinierend Stephan Lochners köstliche Darbringung im Tempel, eine Komposition,
die sich früher schon ein Werkstattgenosse des Meisters des Marienlebens angeeignet
hatte. Die Übereinstimmung der abhängigen Stücke untereinander galt bisher als
Gewähr ihrer Schulzusammengehörigkeit oder doch als Hilfsmittel zur Umgrenzung der
Einflußsphäre ausgezeichneter Meister.
Jede methodische Beweisführung wird abgeschnitten, wenn man dies Verhältnis
willkürlich umkehrt und in jenen Analogien die Spuren der Fälscher erblickt, die das
überkommene Material in einer Auslese verfeinerten.
Auch die Konzeptionen des Kölner Madonnenmalers stehen nicht vereinzelt.
Es sind Glieder einer langen Entwicklungskette. In den Leistungen benachbarter
Schulen werden ähnliche Ziele verfolgt. Apart und präziös veranschaulicht Jean
Malouel den Seelenbund in der Halbfigur der heiligen Jungfrau, die mit gekreuzten
weichen Armen das Christkind ans Herz preßt 9.
Die nämlichen Intentionen leiteten Meister Conrad von Soest 1404, als er

0 Die Bestimmung Jean Malouel ist nicht gesichert. Lyon Collect. Edouard Aynard, Ex-
position des Primitifs fran^ais. Paris 1904 Nr. 13,
 
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