Karl Blechen in Berlin
Die Zeit vor der italienischen Reise1)
Von G. J. Kern
Blechen zählte siebzehn Jahre. Die Post hatte ihn Kottbus und dem Eltern-
hause entführt. Als Lehrling des Berliner Bankhauses von Selchow u. Co. finden wir
ihn wieder. Die Eindrücke der neuen Umgebung ließen zunächst der Sorge um die
Zukunft keinen Raum, sie erwachte aber im nüchternen Einerlei des Alltags. Die
bange Ahnung stieg in Blechen auf, daß er sein Glück als Kaufmann nicht finden
werde. Der Beruf, den er halb widerwillig, unter dem Drängen der Eltern, ergriffen,
wurde ihm verhaßt. „Alle Mußestunden" widmete er der Kunst2), zeichnend saß er
noch häufig vor seiner Lampe, wenn die Turmuhr der Parochialkirche Mitternacht
verkündete "). Jahre gingen dahin. —
Die Lehrzeit bei Selchow war abgelaufen, das Vaterland forderte sein Recht.
Um das Jahr 1819 diente Blechen als Einjährig-Freiwilliger beim Königl. Garde-Pionier-
Corps zu Berlin 4). Wie er aussah, schildert uns Toelken, der ihn persönlich kannte 5).
Seine Ausführungen ergänzt ein später entstandenes geistreiches Selbstbildnis Blechens
in der National-Galerie6) (Abb. S. 433)). Schlank und ebenmäßig gewachsen steht er vor uns.
Unter geschwungenen Brauen schauen zwei dunkle Augen sinnend in die Welt. Rotes
welliges Haupthaar und ein roter kurzer Backenbart umrahmen ein schmales Gesicht,
leise Melancholie spielt auf den feingeschnittenen Zügen.
Das Soldatenleben verringerte nicht die Liebe Blechens zur Kunst, die Pflicht
hinderte ihn, seiner Neigung zu folgen. Nähere Nachrichten über die Dienstzeit fehlen 7),
wir erfahren nur, daß Blechen nach Ablauf des Jahres zu Selchow als Volontär zurück-
kehrte 8) und bald darauf eine besoldete Stelle als „Kassenführer und Disponent" in dem
Bankhause von A. Koehne annahm9). Die Beförderung entriß ihn der Not, doch machte
sie ihn nicht glücklich. Durch Sold gekettet an eine Beschäftigung, die er verachtete, fühlte
er sich unglücklicher denn je; er sah die Hoffnung dahinschwinden, sein Ziel zu erreichen.
9 Die Ausführungen sollen bereits auf eine größere Monographie des Verfassers über
Karl Blechen hinweisen, die im Laufe des nächsten Jahres im Verlage von Klinkhardt & Biermann
erscheinen soll. Die Red.
2) Autobiographische Skizze Blechens i. d. Akademie der K., Berlin, datiert „d. 27. May
1835"; der Akademie eingereicht bei der Ernennung zum ordentlichen Mitgliede. Wird im folgen-
den als „Selbstbiographie" zitiert.
3) Das häufige Arbeiten zur Nachtzeit legte mit den Grund zu einer Geisteskrankheit, die
Blechen später befiel. Siehe Gesuch der Frau Professor Blechen an S. M. den König um Be-
willigung einer Lebensrente. Entwurf im Besitz von C. Brose, Berlin, von Prof. Hotho redigiert.
4) Selbstbiographie.
5) Sekretär an der Berliner Akademie. (Berlinische Zeitung vom 12. Juni 1841.)
6) Ölskizze, National-Galerie, Kat., Nr. 878.
7) Die Stammrollen der Kompagnie sind nicht mehr erhalten. Gef. Mitteilung vom Kom-
mando des Garde-Pionier-Bataillons.
8) Selbstbiographie.
9) Desgl.
Die Zeit vor der italienischen Reise1)
Von G. J. Kern
Blechen zählte siebzehn Jahre. Die Post hatte ihn Kottbus und dem Eltern-
hause entführt. Als Lehrling des Berliner Bankhauses von Selchow u. Co. finden wir
ihn wieder. Die Eindrücke der neuen Umgebung ließen zunächst der Sorge um die
Zukunft keinen Raum, sie erwachte aber im nüchternen Einerlei des Alltags. Die
bange Ahnung stieg in Blechen auf, daß er sein Glück als Kaufmann nicht finden
werde. Der Beruf, den er halb widerwillig, unter dem Drängen der Eltern, ergriffen,
wurde ihm verhaßt. „Alle Mußestunden" widmete er der Kunst2), zeichnend saß er
noch häufig vor seiner Lampe, wenn die Turmuhr der Parochialkirche Mitternacht
verkündete "). Jahre gingen dahin. —
Die Lehrzeit bei Selchow war abgelaufen, das Vaterland forderte sein Recht.
Um das Jahr 1819 diente Blechen als Einjährig-Freiwilliger beim Königl. Garde-Pionier-
Corps zu Berlin 4). Wie er aussah, schildert uns Toelken, der ihn persönlich kannte 5).
Seine Ausführungen ergänzt ein später entstandenes geistreiches Selbstbildnis Blechens
in der National-Galerie6) (Abb. S. 433)). Schlank und ebenmäßig gewachsen steht er vor uns.
Unter geschwungenen Brauen schauen zwei dunkle Augen sinnend in die Welt. Rotes
welliges Haupthaar und ein roter kurzer Backenbart umrahmen ein schmales Gesicht,
leise Melancholie spielt auf den feingeschnittenen Zügen.
Das Soldatenleben verringerte nicht die Liebe Blechens zur Kunst, die Pflicht
hinderte ihn, seiner Neigung zu folgen. Nähere Nachrichten über die Dienstzeit fehlen 7),
wir erfahren nur, daß Blechen nach Ablauf des Jahres zu Selchow als Volontär zurück-
kehrte 8) und bald darauf eine besoldete Stelle als „Kassenführer und Disponent" in dem
Bankhause von A. Koehne annahm9). Die Beförderung entriß ihn der Not, doch machte
sie ihn nicht glücklich. Durch Sold gekettet an eine Beschäftigung, die er verachtete, fühlte
er sich unglücklicher denn je; er sah die Hoffnung dahinschwinden, sein Ziel zu erreichen.
9 Die Ausführungen sollen bereits auf eine größere Monographie des Verfassers über
Karl Blechen hinweisen, die im Laufe des nächsten Jahres im Verlage von Klinkhardt & Biermann
erscheinen soll. Die Red.
2) Autobiographische Skizze Blechens i. d. Akademie der K., Berlin, datiert „d. 27. May
1835"; der Akademie eingereicht bei der Ernennung zum ordentlichen Mitgliede. Wird im folgen-
den als „Selbstbiographie" zitiert.
3) Das häufige Arbeiten zur Nachtzeit legte mit den Grund zu einer Geisteskrankheit, die
Blechen später befiel. Siehe Gesuch der Frau Professor Blechen an S. M. den König um Be-
willigung einer Lebensrente. Entwurf im Besitz von C. Brose, Berlin, von Prof. Hotho redigiert.
4) Selbstbiographie.
5) Sekretär an der Berliner Akademie. (Berlinische Zeitung vom 12. Juni 1841.)
6) Ölskizze, National-Galerie, Kat., Nr. 878.
7) Die Stammrollen der Kompagnie sind nicht mehr erhalten. Gef. Mitteilung vom Kom-
mando des Garde-Pionier-Bataillons.
8) Selbstbiographie.
9) Desgl.