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Monatshefte für Kunstwissenschaft
an die neapolitanischen Fresken erinnert. Idi möchte diese beiden Marterszenen der
hl. Apollonia und Lucia daher als dem lombardischen Kunstbereich zugehörig betrachten.
Als ein erfreulicher Weise erhaltenes Beispiel bezeugen uns Lionardo da
Bisuccios Fresken in Neapel, daß die lombardischen Maler der letzten Viscontizeit den
künstlerischen Eroberungszügen der maestri comacini folgten, was uns doppelt inter-
essiert, wenn wir bedenken, daß damals der Toskaner Masolino in dem kleinen
lombardischen Flecken Castiglione d' Olona seine umfangreichen Wandgemälde aus-
führte, daß ferner der Veronese Pisanello zur Ausschmückung des Castello di Pavia
berufen ward, wenn wir dieser Nachricht des Cesare Cesariano und des Anonimo
Morelliano Glauben schenken dürfen '). Die auf Stefano Breventano zurückgehende
Notiz, im Castell seien Darstellungen von Jagdszenen und Tieren gewesen, hat
mich auf die Vermutung gebracht, daß eine Zeichnung der Budapester Nationalgalerie
(Schönbrunner-Meder, Albertinapublikation Nr. 751), auf welcher ein Jagdabenteuer des
deutlich porträtähnlich charakterisierten Herzogs Giangaleazzo Visconti dargestellt ist,
mit den Fresken des Castells von Pavia in irgendeinem Zusammenhang stehen
könnte (Abb. 2). Jedenfalls scheint das Blatt auf die Hand eines lombardischen Künstlers
des beginnenden XV. Jahrhunderts zurückzugehen.
Ein anderes Bruchstück eines lombardischen Wandgemäldezyklus der ersten
Hälfte des XV. Jahrhunderts ist uns sodann, wie ich glaube, in einer Zeichnung des
Dresdener Kupferstich-Kabinets erhalten (phot. Braun, Dresden 94): Reiter mit Gefolge
auf dunkelgrünem Grunde, die Tiere von vorzüglicher Beobachtung. Der Stil dieses
Blattes ist dem Budapester gegenüber weiter vorgeschritten und nähert sich dem der
Zavattari-Fresken von 1444 im Dom von Monza.
Äußerst wichtig ist das Weltgerichts-Fresko in Campione, das die Signatur
zweier Künstler, Lanfranco und Filippo de' Veri da Milano trägt2). In den Kreis der
gleichen Künstler möchte ich eine für das Kaiser Friedrich-Museum neuerworbene
Krönung Mariae, welche Schubring 8) Michelino nennt, setzen.
Ergänzend aber zu den wenigen erhaltenen Zyklen von Großmalereien des
beginnenden Quattrocento treten dann die Miniaturen. Ich habe systematische Nach-
forschungen nach dieser Richtung noch nicht angestellt, gewann aber aus den mir
bekannt gewordenen Beispielen die Überzeugung, daß wir sie für ein richtiges Bild
von frühlombardischer Malerei nicht entbehren können. Für besonders wichtig und
entzückend durch die Feinheit der Ausführung halte ich zwei Handschriften der Pariser
Nationalbibliothek. Ms. ital. (7245) 131, vita degli imperatori Romani, von 1431 datiert,
9 Vgl. Crowe und Cavalcaselle D. A. 6. Bd. 480 note 14. Malaguzzi Valeri, Pittori
Lombardi del Quattrocento pag. 88 f.
2) Vgl. Malaguzzi Valeri, Rassegna d'Arte 1908, VIII. 167 f.
3) Rassegna d'Arte 1908, VIII. 181, mit Abbildung. Da ich das Bild im Original noch nicht
gesehen habe, äußere ich mich hier mit aller Vorsicht. Daß aber Michelino nicht der Autor
ist, ergibt ein Vergleich mit dessen einzigem bezeichneten Bilde in der Galerie von Siena, auf
das ich (Repertorium 1902) zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt habe. Toesca hatte ganz Recht,
ein Fresko der Madonna zwischen den hl. Nazaro und Celso in S. Maria presso S. Celso in
Mailand in unmittelbare Nähe des Michelino zu setzen.
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an die neapolitanischen Fresken erinnert. Idi möchte diese beiden Marterszenen der
hl. Apollonia und Lucia daher als dem lombardischen Kunstbereich zugehörig betrachten.
Als ein erfreulicher Weise erhaltenes Beispiel bezeugen uns Lionardo da
Bisuccios Fresken in Neapel, daß die lombardischen Maler der letzten Viscontizeit den
künstlerischen Eroberungszügen der maestri comacini folgten, was uns doppelt inter-
essiert, wenn wir bedenken, daß damals der Toskaner Masolino in dem kleinen
lombardischen Flecken Castiglione d' Olona seine umfangreichen Wandgemälde aus-
führte, daß ferner der Veronese Pisanello zur Ausschmückung des Castello di Pavia
berufen ward, wenn wir dieser Nachricht des Cesare Cesariano und des Anonimo
Morelliano Glauben schenken dürfen '). Die auf Stefano Breventano zurückgehende
Notiz, im Castell seien Darstellungen von Jagdszenen und Tieren gewesen, hat
mich auf die Vermutung gebracht, daß eine Zeichnung der Budapester Nationalgalerie
(Schönbrunner-Meder, Albertinapublikation Nr. 751), auf welcher ein Jagdabenteuer des
deutlich porträtähnlich charakterisierten Herzogs Giangaleazzo Visconti dargestellt ist,
mit den Fresken des Castells von Pavia in irgendeinem Zusammenhang stehen
könnte (Abb. 2). Jedenfalls scheint das Blatt auf die Hand eines lombardischen Künstlers
des beginnenden XV. Jahrhunderts zurückzugehen.
Ein anderes Bruchstück eines lombardischen Wandgemäldezyklus der ersten
Hälfte des XV. Jahrhunderts ist uns sodann, wie ich glaube, in einer Zeichnung des
Dresdener Kupferstich-Kabinets erhalten (phot. Braun, Dresden 94): Reiter mit Gefolge
auf dunkelgrünem Grunde, die Tiere von vorzüglicher Beobachtung. Der Stil dieses
Blattes ist dem Budapester gegenüber weiter vorgeschritten und nähert sich dem der
Zavattari-Fresken von 1444 im Dom von Monza.
Äußerst wichtig ist das Weltgerichts-Fresko in Campione, das die Signatur
zweier Künstler, Lanfranco und Filippo de' Veri da Milano trägt2). In den Kreis der
gleichen Künstler möchte ich eine für das Kaiser Friedrich-Museum neuerworbene
Krönung Mariae, welche Schubring 8) Michelino nennt, setzen.
Ergänzend aber zu den wenigen erhaltenen Zyklen von Großmalereien des
beginnenden Quattrocento treten dann die Miniaturen. Ich habe systematische Nach-
forschungen nach dieser Richtung noch nicht angestellt, gewann aber aus den mir
bekannt gewordenen Beispielen die Überzeugung, daß wir sie für ein richtiges Bild
von frühlombardischer Malerei nicht entbehren können. Für besonders wichtig und
entzückend durch die Feinheit der Ausführung halte ich zwei Handschriften der Pariser
Nationalbibliothek. Ms. ital. (7245) 131, vita degli imperatori Romani, von 1431 datiert,
9 Vgl. Crowe und Cavalcaselle D. A. 6. Bd. 480 note 14. Malaguzzi Valeri, Pittori
Lombardi del Quattrocento pag. 88 f.
2) Vgl. Malaguzzi Valeri, Rassegna d'Arte 1908, VIII. 167 f.
3) Rassegna d'Arte 1908, VIII. 181, mit Abbildung. Da ich das Bild im Original noch nicht
gesehen habe, äußere ich mich hier mit aller Vorsicht. Daß aber Michelino nicht der Autor
ist, ergibt ein Vergleich mit dessen einzigem bezeichneten Bilde in der Galerie von Siena, auf
das ich (Repertorium 1902) zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt habe. Toesca hatte ganz Recht,
ein Fresko der Madonna zwischen den hl. Nazaro und Celso in S. Maria presso S. Celso in
Mailand in unmittelbare Nähe des Michelino zu setzen.