Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

Citation link:
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/monatshefte_kunstwissenschaft1911/0023
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
wurde von Georg David Matthieu gemalt und wird jetzt im Schweriner Museum
bewahrt1); das lebensgroße Porträt aber ist eine wohlerhaltene und sehr charakte-
ristische Arbeit des großen Gainsborough. Es hängt noch heute im Königs-Zimmer
des Schlosses zu Ludwigslust 2).
Gustav Pauli und Konrad Lange haben vor einigen Jahren die wenigen Gemälde
zusammengestellt, die sich von Gainsborough in Deutschland befinden3). Es sind
außer zwei Landschaften in Kassel und München vor allem Porträts der englischen
Königsfamilie, die in den Schlössern von Herrenhausen und Arolsen und im Museum
von Stuttgart bewahrt werden. Unter ihnen finden sich nicht weniger als drei
Porträts der Königin Charlotte; in Arolsen das Brustbild der Königin mit dem
Häubchen, von dem in England mehrfach Wiederholungen vorkommen, in Stuttgart
und Herrenhausen das gleiche lebensgroße Bildnis der Königin, das sich gleichfalls
noch in England in Kopien erhalten hat.
Von dem Porträt der Königin in Ludwigslust dagegen findet sich im allgemein be-
kannten Lebenswerk des Meisters keine Wiederholung, wenn auch anzunehmen ist,
daß sich in den Schlössern und Landhäusern Englands noch ein zweites oder drittes
Exemplar erhalten hat. Das Gemälde erscheint schon wegen seiner Dimensionen 4)
wie geschaffen für eine Ahnengalerie in Buckingham-Palace oder Windsor-Castle, und
Gainsborough selbst hat die Königin wohl niemals wieder in so vornehmer Pose,
in so königlich-pomphafter Toilette gemalt wie hier.
Äußerlich ist das Gemälde besser beglaubigt, als die meisten Werke Gains-
boroughs, der seine Bilder fast niemals bezeichnete. Es trug nämlich auf dem alten
Blendrahmen, der im Jahre 1890 erneuert wurde, die Bezeichnung: Gainsborough px.
London5). Aber auch wenn dies Porträt nicht bezeichnet wäre, man würde die
Kunst des Meisters, seine unnachahmliche Eleganz, seine feine Beobachtungsgabe,
seine Fähigkeit, das typische des Charakters festzuhalten und doch das häßliche
zu unterdrücken, man würde alle diese echten Werte einer großen Künstler-
individualität in dem Ludwigsluster Bilde nicht verkennen können. Man sehe nur,
wie der mecklenburgische Hofmaler Matthieu oder der Engländer Allen Ramsay
wenige Jahre früher dieselbe Frau gemalt haben6). Matthieu allerdings zeigt sich
bestrebt die Häßlichkeit des Mundes zu mildern, den Ausdruck der Augen zu be-
leben, und er versöhnt uns durch seine glänzende Stoffmalerei. Im Krönungsbilde
Ramsays aber, das sich in drei Wiederholungen in London, in Neustrelitz und in
Wilhelmshöhe erhalten hat, erscheint die Gemahlin Georgs III. ohne jeden persön-
lichen Reiz in überraschender Häßlichkeit.
In Reynolds berühmter Gedächtnisrede auf den großen Rivalen, die gleichsam
den Grund gelegt hat für Gainsboroughs Unsterblichkeit, wird als besondere Qualität

(1) bs hängt unter Nr. 642b im großen Saal der keramischen Sammlung.

(2) Die Erlaubnis zur Aufnahme und Reproduktion hat S. K. H. der Großherzog von Mecklenburg-
Schwerin allergnädigst erteilt.

(3) Zeitschrift für bildende Kunst N. F. XVI (1905) p. I4ff. Vgl. auch Konrad Langes mustergültigen
Katalog der Gemäldesammlung im Museum der bildenden Künste in Stuttgart. Stuttgart 1907 p. 154.

(4) Höhe 2,39 m. Breite 1,57 m.

(5) Diese Inschrift wurde auf dem neuen Blendrahmen kopiert mit folgender Bemerkung: Neben-
stehende Bezeichnung ist vom alten Blendrahmen. C. Malchin
1890.
Unten links steht auf einem Zettel: auf der Rückseite bz. Gainsborough px. London.

(6) Matthieu hat die Königin noch einmal in weißer Atlastoilette mit Hermelinmantel in halber Figur
gemalt. Das Bild wird im Schlosse Gripsholm in Schweden bewahrt.

9
 
Annotationen