dächtiger Ergebenheit. Die Menge der Figuren in weißen Gewändern mit Engeln
dazwischen, die sie empfangen und begrüßen, hat durch Feuchtigkeit gelitten und
ist am meisten durch erneuerte Umrisse und beliebige Ausfüllung verändert. Der
ganze Himmelsgrund ist mit dunklerem Blau als ursprünglich aufgefrischt; aber die
wichtigsten Hauptsachen sind offenbar mit Sorgfalt bewahrt, wie z. B. die helle
Silhouette des Gottessohnes und seine Engel ringsum. Ganz besonders wohl-
erhalten und in ausführlicher Genauigkeit gemalt erscheint das Riesenmaul des
Drachen, in den die armen Seelen hineingedrängt werden. Der grüne Kopf ist mit
großen Augen, schuppiger Eidechsenhaut und gebogenen Hauern zwischen Haifisch-
zähnen im roten Innern ausgestattet. Das abschreckende Phantasiegeschöpf be-
kundet gerade die realistische Naturbeobachtung im Einzelnen, die Formen- und
Farbenfreude am wirklichen Getier, — das ist die andre Seite an der Sinnesart
dieses Malers. Die Bogenöffnung der Kalotte gegen den tonnengewölbten Chor ist
mit einer Kante geschlossen, die schon eine Zeitbestimmung erlauben würde:
zwischen Rankenornament in der Art der Porta della Mandorla am Florentiner Dom
sitzen, wie ebenda, rautenförmige Öffnungen mit Rahmenprofilen; diese aber wechseln
ab mit Rundmedaillons, aus denen Prophetenköpfe hereingucken oder sich gar her-
vordrehen im Eifer ihrer Zeugenschaft bei der Wiederkunft des Herrn. Und diese
Hauptfigur mit den schwebenden Engeln bestätigt dasselbe: sie ist durchaus im
Sinne des Lorenzo Ghiberti und seiner Ateliergenossen bei der ersten Bronzetür
des Baptisteriums; neben Lorenzo Monaco würde schon die Neigung zum Realismus
bemerkbar werden, obwohl das hieratische Thema und die dekorative Behandlung
in so beträchtlicher Höhe kein volleres Bekenntnis erlaubten, als in dem Kopf des
Höllendrachens vorliegt.
Unter dem Gesims der Wölbung beginnt aber die Tafelmalerei. An der halb
zylindrischen Mauer der Apsis sind fünf Reihen von Einzelbildern in schmalem
Hochformat angebracht, bis auf die Wandverkleidung hinunter. In den drei oberen
Reihen sitzen je ii nebeneinander. In den beiden untersten ist dies heute auch
der Fall, deshalb rechnet der Gewährsmann Baedekers 55 im Ganzen; aber es
war nicht ursprünglich so: die spätere Einfügung ist schon am Rahmenwerk er-
kennbar. Außerdem passen die Darstellungen, Kreuztragung und Beweinung, nicht
an diese Stelle; an der richtigen aber sind sie schon vorhanden. Und endlich ver-
rät ihr Kunstcharakter, daß sie einem spanischen Maler zuzuweisen sind, ehedem
etwa zu einem Altarwerk des Fernando Gallegos gehören, wie deren noch ein
bezeichnetes — in Resten wenigstens — in der letzten Seitenkapelle links der
neuen Kathedrale bewahrt wird. Ursprünglich waren in den beiden untersten
Reihen nur je 5 Bilder links und rechts von der Mitte, die wahrscheinlich von
einem Tabernakel mit einem plastischen Bildwerk eingenommen wurde. Heute steht
da, etwas tiefer gerückt, eine Madonnenstatuette des XIV. Jahrhunderts. Und ein
Madonnenaltar war der ganze Retablo, wie es bei dem Titel der Kathedrale, Virgen
de la Vega, schon nicht anders zu erwarten war. Unten links beginnt die Er-
zählung ihres Lebens mit der Geburt im Hause Joachims und Annas: oben rechts
endigt sie mit der Krönung zur Himmelskönigin. Die „Geschichten Christi" liegen
also nur dazwischen, können aber nicht die Gesamtbezeichnung hergeben. Die
53 Bilder schildern freilich diesen doppelten Lebensgang in breiter Ausführlichkeit;
die Auswahl und die Anordnung der Momente muß vorher genau vereinbart sein;
davon überzeugen einige absichtliche Gegenüberstellungen hüben und drüben, dafür
spricht sogar eine Ausnahme, von der wir sogleich zu handeln haben, weil sie die
oberste Reihe beginnt.
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dazwischen, die sie empfangen und begrüßen, hat durch Feuchtigkeit gelitten und
ist am meisten durch erneuerte Umrisse und beliebige Ausfüllung verändert. Der
ganze Himmelsgrund ist mit dunklerem Blau als ursprünglich aufgefrischt; aber die
wichtigsten Hauptsachen sind offenbar mit Sorgfalt bewahrt, wie z. B. die helle
Silhouette des Gottessohnes und seine Engel ringsum. Ganz besonders wohl-
erhalten und in ausführlicher Genauigkeit gemalt erscheint das Riesenmaul des
Drachen, in den die armen Seelen hineingedrängt werden. Der grüne Kopf ist mit
großen Augen, schuppiger Eidechsenhaut und gebogenen Hauern zwischen Haifisch-
zähnen im roten Innern ausgestattet. Das abschreckende Phantasiegeschöpf be-
kundet gerade die realistische Naturbeobachtung im Einzelnen, die Formen- und
Farbenfreude am wirklichen Getier, — das ist die andre Seite an der Sinnesart
dieses Malers. Die Bogenöffnung der Kalotte gegen den tonnengewölbten Chor ist
mit einer Kante geschlossen, die schon eine Zeitbestimmung erlauben würde:
zwischen Rankenornament in der Art der Porta della Mandorla am Florentiner Dom
sitzen, wie ebenda, rautenförmige Öffnungen mit Rahmenprofilen; diese aber wechseln
ab mit Rundmedaillons, aus denen Prophetenköpfe hereingucken oder sich gar her-
vordrehen im Eifer ihrer Zeugenschaft bei der Wiederkunft des Herrn. Und diese
Hauptfigur mit den schwebenden Engeln bestätigt dasselbe: sie ist durchaus im
Sinne des Lorenzo Ghiberti und seiner Ateliergenossen bei der ersten Bronzetür
des Baptisteriums; neben Lorenzo Monaco würde schon die Neigung zum Realismus
bemerkbar werden, obwohl das hieratische Thema und die dekorative Behandlung
in so beträchtlicher Höhe kein volleres Bekenntnis erlaubten, als in dem Kopf des
Höllendrachens vorliegt.
Unter dem Gesims der Wölbung beginnt aber die Tafelmalerei. An der halb
zylindrischen Mauer der Apsis sind fünf Reihen von Einzelbildern in schmalem
Hochformat angebracht, bis auf die Wandverkleidung hinunter. In den drei oberen
Reihen sitzen je ii nebeneinander. In den beiden untersten ist dies heute auch
der Fall, deshalb rechnet der Gewährsmann Baedekers 55 im Ganzen; aber es
war nicht ursprünglich so: die spätere Einfügung ist schon am Rahmenwerk er-
kennbar. Außerdem passen die Darstellungen, Kreuztragung und Beweinung, nicht
an diese Stelle; an der richtigen aber sind sie schon vorhanden. Und endlich ver-
rät ihr Kunstcharakter, daß sie einem spanischen Maler zuzuweisen sind, ehedem
etwa zu einem Altarwerk des Fernando Gallegos gehören, wie deren noch ein
bezeichnetes — in Resten wenigstens — in der letzten Seitenkapelle links der
neuen Kathedrale bewahrt wird. Ursprünglich waren in den beiden untersten
Reihen nur je 5 Bilder links und rechts von der Mitte, die wahrscheinlich von
einem Tabernakel mit einem plastischen Bildwerk eingenommen wurde. Heute steht
da, etwas tiefer gerückt, eine Madonnenstatuette des XIV. Jahrhunderts. Und ein
Madonnenaltar war der ganze Retablo, wie es bei dem Titel der Kathedrale, Virgen
de la Vega, schon nicht anders zu erwarten war. Unten links beginnt die Er-
zählung ihres Lebens mit der Geburt im Hause Joachims und Annas: oben rechts
endigt sie mit der Krönung zur Himmelskönigin. Die „Geschichten Christi" liegen
also nur dazwischen, können aber nicht die Gesamtbezeichnung hergeben. Die
53 Bilder schildern freilich diesen doppelten Lebensgang in breiter Ausführlichkeit;
die Auswahl und die Anordnung der Momente muß vorher genau vereinbart sein;
davon überzeugen einige absichtliche Gegenüberstellungen hüben und drüben, dafür
spricht sogar eine Ausnahme, von der wir sogleich zu handeln haben, weil sie die
oberste Reihe beginnt.
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