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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Ganz besonders glücklich erscheint das Mittelstück der Reihe, der Gang nach
Emaus. Von links kommen die Wanderer den Weg herauf, der zur Ortschaft führt.
Der letzte, mit schwarzem Vollbart, hat den scharlachroten Mantel über den Kopf
gezogen und schreitet im Profil kräftig aus, so daß unter der blauen Tunika sein
nacktes Bein hervortritt. Der erste, in hell Karmin, wendet sich im Gespräch
zurück nach links, zu dem Pilger in ihrer Mitte, der dem Täufer Johannes ähnlich
sieht. Der führende Apostel, mit dem wohl Petrus gemeint ist, hat so bei ge-
drungenem Bau besondere Breite der Gewandung wie der Haltung bekommen.
Und, wenn bei der Anordnung der Figuren gegen die felsige Landschaft der Ge-
danke an die Großheit des alten Sienesen Duccio aufsteigt, so gesellt sich unzweifel-
haft auch der Eindruck Masaccios in seiner Petruslegende hinzu. Die nämlichen
Studien bestimmen auch die Erscheinung des Auferstandenen inmitten der Jünger-
schar, mit Thomas, der nach der Seitenwunde tastet, während der Herr die Rechte
hoch erhebt. Petrus als Chorführer der einen Hälfte, die andre Gruppe hinter dem
Ungläubigen ergeben eine symmetrische Gliederung, die bei allem Zusammenhang
der Tradition doch fühlbar macht, wieweit wir über Fra Angelico hinaus sind.
Dazu trägt nicht wenig der geschlossene Hofraum mit offenen Laubengängen im
Oberstock bei, zwischen dessen drei Seiten der Auftritt stattfindet. Bei der Himmel-
fahrt aber verzichtet dieser florentinische Maler auf eine Wiederholung des Auf-
schwungs; er stellt seinen Christus in Weiß mit dem Siegesbanner auf einen Hügel,
zwischen zwei andern, auf denen je ein niedriger Baum wächst; er winkt nur zum
Abschied. Da drängen sich die Seinigen vorn zuhauf. Ein Kniender streckt beide
Arme zur Höhe, und Frauen besonders gestikulieren lebhaft empor, während Maria
anbetend wie gefaßt und sicher zuschaut, der Erklärung nicht bedürftig, die ein
Engel zur Linken zu geben scheint. Die Gruppe zur Rechten neben der Jungfrau
erinnert so auffallend an ein Flügelbild zur Himmelfahrt, das sich vereinzelt in der
Galerie zu Altenburg befindet und an den Anfang des Quattrocento nach Pisa weist,
daß man meint, auch dieses uns nicht ganz erhaltene Triptychon müßte dem
Meister Nicolas vertraut gewesen sein.
Eins der wichtigsten Belegstücke für seinen Zusammenhang mit Florenz ist aber
das Pfingstfest. Er übersetzt das Schlußrelief von Ghibertis erster Tür am Bapti-
sterium in Malerei, und verbreitert den Stil im Sinne des Masaccio. Ein runder
unten ganz geschlossener Turmbau wird uns gezeigt, mit seiner verriegelten Türe vorn,
die ein Wächter gewaltsam zu öffnen versucht, während rechts ein jüdischer Priester
im Ornat auf ihn einredet, und Neugierige in der Ecke stehen. Der Oberbau ist
ringsum offen, mit Rundbogenstellungen und gradem Gesims unter freiem Himmel,
so daß wir zwischen den Säulen hindurch die Versammelten mit Maria in der
Mitte sehen, auf die der Geist herniedersprüht. Damit haben wir ein ganz sicheres
und unverschiebbares Datum für die Veraussetzungen heimischer Kunst, mit denen
wir bei Nicolas zu rechnen haben. Die 1425 aufgestellte Tür Ghibertis hat er ge-
kannt und unter dem Einfluß der Wandgemälde Masaccios in Cappella Brancacci,
die kurz vor 1428 liegen, abgewandelt. Diesen Zusammenhang mit den zeitgenössischen
Leistungen der Arnostadt bezeugt endlich auch die Auffahrt Marias. Es ist eigent-
lich eine Gürtelspende an den Apostel Thomas geworden, der vorn links in rotem
Mantel und gelber Tunika kniet, als alleiniger Zeuge; genau so wie an der Porta
della Mandorla des Domes zu Florenz, im Relief des Nanni d'Antonio di Banco,
das nach dem frühen Tod des jungen Bildhauers (1421) von andrer Hand vollendet
werden mußte, sitzt Maria in einer Aureola, die hier in verschiedenfarbigen Streifen
mit Cherubköpfen besetzt gegeben wird, und symmetrisch geordnete Engel tragen

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