droben den Richter zwischen Gut und Böse an die Wölbung gezeichnet hat; damit
stimmt auch die Wiedergabe der nackten Gestalten, die hier im Tafelbilde nur
eingehender durchgeführt wird. Zugleich aber erkennen wir die räumliche Klarheit
des Schauplatzes, die perspektivische Vertiefung als Grundlage der Komposition,
und damit das sichere Kennzeichen des Realismus im Sinne des fiorentinischen
Quattrocento. Unter diesem Gesichtspunkt mag auch sogleich das Gegenstück
rechts, die Krönung Marias erwähnt werden. Diese geschieht in einem irdisch aus-
gestatteten Raum, auf einem Podium wie bei Kirchenfesten. Und dieser Stufenbau
ist schräg gestellt: rechts thront Christus, von Engeln umstanden, und setzt der
tiefer vor ihm knienden Mutter die Krone auf das demütig geneigte Haupt. Auch
Maria ist in Profilbewegung gegeben, und ein Gefolge von Engeln schwebt hinter
der Betenden herein. Rechts unten aber im Vordergründe, wo bei solchem Ge-
staltenzug eine Lücke blieb, kniet ein himmlischer Musikant, als naher Körper die
Ecke füllend. Das ermöglicht vollends den Vergleich mit den Florentinern jener
Tage: es ist nicht mehr Don Lorenzo Monaco, an den wir denken; auch Fra
Angelico da Fiesole genügt nicht mehr mit den früheren Redaktionen desselben
Themas oder ähnlicher Huldigungen, sondern mit den räumlich entwickelten (wie
in Paris), und fast meinen wir ohne Fra Filippos entschlossene Wiedergabe leib-
haftiger Menschenkinder aus seiner Umgebung bei der Kirchweih in S. Ambrogio
nicht auskommen zu können. Ein Gesinnungsgenosse ist dieser Nicolas jedenfalls, der
um dieselbe Zeit in Spanien solche Szene im Himmel als bodenständig verwirklicht. Aber
wie Fra Filippo sich erst allmählich zu der raumkörperlichen Konsequenz durchringt,
so versagt die Neigung zu hausbackener Realität der Dinge doch auch hier an-
gesichts des Wunders. Bei der Bettung der Leiche im Sarkophag ergeht er sich
rücksichtslos in Wirklichkeitstreue. Einer von den Helfern ist auf den Rand des
Steinsarges gestiegen und hält die Last an beiden Armen fest, während gleich-
zeitig die Mutter den Abschiedskuß auf das Antlitz des Toten drückt. Feierlich
geht es dabei nicht zu, aber leidenschaftlich und genau. Bei der Auferstehung
steht der Sarkophag ebenso schräg gerichtet; vor ihm liegen die schlafenden Wächter;
nur einer links hinten späht erstaunt empor, was geschieht. Der Deckel ist ab-
geschoben und lehnt schräg gegen die Öffnung. Christus schwebt in Profilbewegung
nach rechts, ziemlich flächenhaft, sogar in gotischer Kurve hervor, von dem blauen
Mantel umflattert, und winkt zu dem Krieger zurück. Hinten schließen schattige
Baumreihen als dunkle Silhouette dekorativ gegen den goldenen Himmel ab. Das
ist wieder mehr Ghiberti verwandt, und doch mit einem Schritt weiter zu derberer
Wahrheit. So auch die Frauen am Grabe, wo der leere Sarkophag an den Ein-
gang einer Höhle geschoben ist, aber nur soviel, daß das Kopfende vom Rande
des Felsens umrahmt wird. Hier sitzt der Engel mit den Füßen in dem Kasten
und am Fußende beugt sich Magdalena wie suchend über, gefolgt von den andern,
die aufrecht stehen. Ein Paar einzelne Bäume bedeuten den Garten; das ist be-
zeichnend, denn auch im „Noli me tangere", wo die Örtlichkeit so viel mitzu-
sprechen hat, ist es nicht anders: das Gartentor, aus rohen Stämmen zusammen-
gefügt, ist dagegen nicht vergessen, und das Grab unter einem gelben Zeltdach
links fast verborgen. Von hier kommt Magdalena, in Profil kniend, während der
Auferstandene in weißem, goldgesäumtem und lilagefüttertem Mantel, auf die Hacke
gestützt rechts dasteht und die Hand gegen sie ausstreckt. Hier ist in der Dreh-
bewegung und der schlanken feinknochigen Bildung des Körpers die Übereinstimmung
mit dem Fresko vollends klar. Auf den Hügeln sieht man die zurückschauende
und davoneilende Magdalena noch zweimal.
147
stimmt auch die Wiedergabe der nackten Gestalten, die hier im Tafelbilde nur
eingehender durchgeführt wird. Zugleich aber erkennen wir die räumliche Klarheit
des Schauplatzes, die perspektivische Vertiefung als Grundlage der Komposition,
und damit das sichere Kennzeichen des Realismus im Sinne des fiorentinischen
Quattrocento. Unter diesem Gesichtspunkt mag auch sogleich das Gegenstück
rechts, die Krönung Marias erwähnt werden. Diese geschieht in einem irdisch aus-
gestatteten Raum, auf einem Podium wie bei Kirchenfesten. Und dieser Stufenbau
ist schräg gestellt: rechts thront Christus, von Engeln umstanden, und setzt der
tiefer vor ihm knienden Mutter die Krone auf das demütig geneigte Haupt. Auch
Maria ist in Profilbewegung gegeben, und ein Gefolge von Engeln schwebt hinter
der Betenden herein. Rechts unten aber im Vordergründe, wo bei solchem Ge-
staltenzug eine Lücke blieb, kniet ein himmlischer Musikant, als naher Körper die
Ecke füllend. Das ermöglicht vollends den Vergleich mit den Florentinern jener
Tage: es ist nicht mehr Don Lorenzo Monaco, an den wir denken; auch Fra
Angelico da Fiesole genügt nicht mehr mit den früheren Redaktionen desselben
Themas oder ähnlicher Huldigungen, sondern mit den räumlich entwickelten (wie
in Paris), und fast meinen wir ohne Fra Filippos entschlossene Wiedergabe leib-
haftiger Menschenkinder aus seiner Umgebung bei der Kirchweih in S. Ambrogio
nicht auskommen zu können. Ein Gesinnungsgenosse ist dieser Nicolas jedenfalls, der
um dieselbe Zeit in Spanien solche Szene im Himmel als bodenständig verwirklicht. Aber
wie Fra Filippo sich erst allmählich zu der raumkörperlichen Konsequenz durchringt,
so versagt die Neigung zu hausbackener Realität der Dinge doch auch hier an-
gesichts des Wunders. Bei der Bettung der Leiche im Sarkophag ergeht er sich
rücksichtslos in Wirklichkeitstreue. Einer von den Helfern ist auf den Rand des
Steinsarges gestiegen und hält die Last an beiden Armen fest, während gleich-
zeitig die Mutter den Abschiedskuß auf das Antlitz des Toten drückt. Feierlich
geht es dabei nicht zu, aber leidenschaftlich und genau. Bei der Auferstehung
steht der Sarkophag ebenso schräg gerichtet; vor ihm liegen die schlafenden Wächter;
nur einer links hinten späht erstaunt empor, was geschieht. Der Deckel ist ab-
geschoben und lehnt schräg gegen die Öffnung. Christus schwebt in Profilbewegung
nach rechts, ziemlich flächenhaft, sogar in gotischer Kurve hervor, von dem blauen
Mantel umflattert, und winkt zu dem Krieger zurück. Hinten schließen schattige
Baumreihen als dunkle Silhouette dekorativ gegen den goldenen Himmel ab. Das
ist wieder mehr Ghiberti verwandt, und doch mit einem Schritt weiter zu derberer
Wahrheit. So auch die Frauen am Grabe, wo der leere Sarkophag an den Ein-
gang einer Höhle geschoben ist, aber nur soviel, daß das Kopfende vom Rande
des Felsens umrahmt wird. Hier sitzt der Engel mit den Füßen in dem Kasten
und am Fußende beugt sich Magdalena wie suchend über, gefolgt von den andern,
die aufrecht stehen. Ein Paar einzelne Bäume bedeuten den Garten; das ist be-
zeichnend, denn auch im „Noli me tangere", wo die Örtlichkeit so viel mitzu-
sprechen hat, ist es nicht anders: das Gartentor, aus rohen Stämmen zusammen-
gefügt, ist dagegen nicht vergessen, und das Grab unter einem gelben Zeltdach
links fast verborgen. Von hier kommt Magdalena, in Profil kniend, während der
Auferstandene in weißem, goldgesäumtem und lilagefüttertem Mantel, auf die Hacke
gestützt rechts dasteht und die Hand gegen sie ausstreckt. Hier ist in der Dreh-
bewegung und der schlanken feinknochigen Bildung des Körpers die Übereinstimmung
mit dem Fresko vollends klar. Auf den Hügeln sieht man die zurückschauende
und davoneilende Magdalena noch zweimal.
147