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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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Greco ist von riesiger Produktionskraft, er wiederholt sich jedoch nur zu oft,
ohne etwas Neues zu sagen. Velazquez schafft wenig, aber wiederholt sich nie.
Jedes seiner Werke bedeutet ein neues Problem, einen Fortschritt.
Greco malte freilich um Geld zu verdienen, Velazquez war in erster Linie spa-
nischer Edelmann. Greco führte wegen seiner Honorare langwierige Prozesse,
Velazquez gab dem Papst Innocenz X., als dieser ihm sein Bildnis honorieren
wollte, zur Antwort, daß er Geld nur von seinem königlichen Herrn annehme und
begnügte sich mit der Gnadenkette, die ihm der Papst schenkte.
Grecos Kunst haftet etwas Gezwungenes an, man spürt die Anstrengung des
Meisters, neu, originell zu sein. Velazquez Kunst ist natürlich, gewachsen.
Bei Greco bewundert man die Kraft des Mannes, das Ringen des Künstlers.
Velazquez aber bedeutet das geheimnisvolle Walten der Gottheit, das Wunder
des Genies.

Zu Anfang des XIX. Jahrhunderts stritt man sich in Deutschland in höchst müßiger
Weise, wer größer sei, Goethe oder Schiller. Goethe soll daraufhin das gute Wort
gesprochen haben, die Deutschen sollten diesen unnützen Streit sein lassen und
sich freuen, zwei solche Kerle zu haben.
Man wird bei der Kontroverse Velazquez-Greco lebhaft an diese Geschichte er-
innert; denn sie paßt in gewissem Sinne auch auf diese beiden Maler. Das Künstler-
paar gleicht aber überhaupt den beiden Dichtern. Erinnert der malende Hofmar-
schall Philipps IV. nicht an den dichtenden Staatsminister des Weimarischen Landes
und der lange nicht so sehr vom Glück begünstigte Greco an den stets mit des
Lebens Not kämpfenden Schiller, die beide „nur Künstler" waren? Ja selbst die
Begriffe des „sentimentalischen" und „naiven", die Schiller auf sein und Goethes
Schaffen geprägt hat, lassen sich auf Grecos und Velazquez Art anwenden. Nicht
nur das Visionäre sondern auch das Pathetische verbindet Greco mit Schiller.
„Wenn Dein Finger durch die Saiten meistert, Laura!" Auch für Greco gestaltete
sich das Alltäglichste dramatisch. Der Himmel ist bei ihm stets wie von Blitzen
durchzuckt, man denke nur an seine „Toledolandschaft", (jetzt bei Frau Havemeyer-
New-York). Hier offenbart sich restlos der ganze Charakter des Künstlers.
Und damit vergleiche man nun eines der Bildchen des Velazquez aus der Villa
Medici. Mutet es nicht wie ein frisches Frühlingslied Goethes an?
Man hat wiederholt von einem Einfluß Grecos auf Velazquez gesprochen. Ich
möchte ihn als völlig unbedeutend, wenn nicht überhaupt als sehr fraglich bezeichnen.
Im Jahre 1622 verließ Velazquez zum erstenmal Sevilla, um Madrid und den
Eskorial, das siebente Weltwunder, kennen zu lernen. Er war mit den besten
Empfehlungsschreiben ausgestattet und hat sicher den „Mauritius" und den „Traum
Philipps II." von Greco im Eskorial gesehen. (Sein Schwiegervater Pacheco hatte
ja Greco selbst gekannt und wird Velazquez zweifelsohne mehr als einmal von
Grecos Werken gesprochen haben.)
Wo zeigt sich nun in den ersten zwanziger Jahren bei Velazquez ein Einfluß
Grecos?
Nirgends.
1623 siedelte Velazquez endgültig nach Madrid über. Er wird in jenen Jahren
wohl auch einmal nach Toledo gekommen sein, zum mindesten hat er wohl irgend
ein bedeutenderes Werk Grecos damals in Madrid gesehen. In keinem Gemälde

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