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Monatshefte für Kunstwissenschaft — 4.1911

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der ersten Madrider Epoche des Velazquez wird man aber einen Einfluß Grecos
konstatieren können.
Dann kommt die Reise nach Italien. Nach der Rückkehr malt der Meister eine
ganze Anzahl Bilder mit silbergrauen Tönen. Hier hat man nun eingesetzt und
gesagt: Dieser Ton ist nicht ganz ohne Grecos Einwirkung auf des Velazquez Pa-
lette geraten. Weit gefehlt! Einmal war damals dieser Ton in ganz Europa ebenso
ä la mode wie 20 Jahre vorher das scharfe Helldunkel. Wiederholt habe ich darauf
hingewiesen, daß in den Zwanziger und Dreißiger Jahren des XVII. Jahrhunderts
diesem Grau neben Velazquez auch Reni, Ribera, Rubens und Van Dyck gehuldigt
haben. Dann aber ist Grecos Grau überhaupt von ganz anderer Art und Be-
deutung. Es ist etwas schwärzlicher und dient vielfach dazu, das scharfe Gelb,
das tiefe Blau, das leuchtende Rot und das saftige Grün, vor allem aber das pur-
purn funkelnde Karmin der Karnation zu dämpfen und die Farben zusammen zu
halten. Davon ist bei Velazquez gar keine Rede.
Wiederholt konnte man in der letzten Zeit lesen, Velazquez habe Greco die
„Bibel der Malerei" genannt. Dieser Ausspruch ist durch nichts als wahr be-
glaubigt. Interessant ist es aber, daß Velazquez bei der ihm übertragenen Neu-
ordnung der reichen Gemäldeschätze des Eskorial keinem der Bilder des Meisters
einen Platz in den Haupträumen (Sacristia, Aula de Sa. Escritura) angewiesen hat,
wo die Sterne erster Größe: Raphael, Tizian, Tintoretto, funkelten. Dagegen hatte
Velazquez in seinem Bureau im Madrider Palast, dem quarto del Principe, drei
Porträts von Grecos Hand hängen: den Kopf eines Geistlichen, die Halbfigur einer
Dame und einen alten Römer oder Griechen (viejo antiguo), und ein Porträt ist es
auch, darin allein ich eine gewisse Beziehung des Velazquez zu Greco finde: das
angebliche Bildnis des Grafen Benavente, von Velazquez zwischen 1635 und 1638
gemalt. Dieses unruhig über Panzer und Feldbinde hüpfende Licht besitzt sonst
kein Werk des Velazquez; dagegen ist ja gerade das eine Eigenart Grecos. Mög-
lich bleibt es aber auch da, daß Velazquez von selbst darauf gekommen ist,
einmal auch etwas derartiges zu malen.
Der oft wiederholten Behauptung jedoch, Velazquez habe für seine „Marienkrönung"
das Bild Grecos bei D. Pablo Bosch-Madrid benutzt, stehe ich etwas skeptisch
gegenüber. Einmal wissen wir, daß außer dieser Marienkrönung Grecos noch sechs,
andere Exemplare existiert haben, eines in der Capilla de S. Jose zu Toledo, ein
anderes in der Hospitalskirche zu Illescas, die sich noch heute an Ort und Stelle
befinden, und vier weitere, die Grecos Sohn unter den von seinem Vater hinter-
lassenen Werken aufzählt.1)
Vor allem aber sind die beiden Bilder, genau betrachtet, doch himmelweit von-
einander unterschieden. Ganz abgesehen von der verschiedenartigen Auffassung
vergleiche man nur einmal z. B. die Wahl der Farben. Will man Velazquez wirk-
lich nicht zutrauen, daß er selbst diese so selbstverständliche Komposition erdacht
hat, die man auch bei anderen Meistern des XVII. Jahrhunderts, wie z. B. bei
Rubens findet? (Mich erinnert übrigens das Bild des Velazquez, namentlich die
Madonna mit den eigenartigen grätigen Falten des Mantels und die Engelköpfe an
spanische Skulpturen, wie sie beispielsweise Montanez geschaffen hat. Die Haltung
der Madonna gemahnt sehr stark an die der hl. Jungfrau auf der „Verkündigung"
Zurbarans im Museum zu Grenoble. Es sei bei dieser Gelegenheit noch bemerkt,
daß die „Marienkrönung" das besterhaltenste Werk des Velazquez ist.)
(1) Vergl. A. L. Mayer: Greco in Toledo. Zeitschr. f. bild. Kunst, N. F. XXII, 77 ff.

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